Ein Jungvogel sitzt auf einer Hand
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Wildvögel: Wo Vogel-Babys Hilfe bekommen

Im Sommer sind mehr als 300 Anrufe täglich keine Seltenheit: Nadja Koch aus Wörth am Main (Lkr. Miltenberg) hilft Wildvögeln. Ihr ganzes Leben hat sie darauf ausgerichtet – und erklärt, worauf es bei der Erstversorgung verletzter Tiere ankommt.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Von Mai bis Oktober steht ihr Telefon nicht still. Nadja Koch betreibt eine Wildvogel-Auffangstation in ihrem Wohnhaus in Wörth am Main (Lkr. Miltenberg). Bis zu 326 Notrufe am Tag kommen zu Spitzenzeiten bei ihr an. Menschen suchen Rat oder bringen verletzte Tiere zu ihr.

Anlaufstelle für verletzte Vögel

Nadja Koch empfängt einen jungen Mann mit einem kleinen Karton an der Treppe und bittet ihn eilig herein. "Oh, das sieht nicht gut aus." Ein Blick auf die kleine Meise genügt der erfahrenen Vogelschützerin, um zu sehen, dass sie hier wenig machen kann: halb geschlossene Augen, aufgeplustert vor Schmerz, Schnappatmung. Die Meise ist gegen eine Scheibe geflogen. Gebrochen ist nichts, doch der Aufprall muss heftig gewesen sein.

Wärme und weiche Lagerung besonders wichtig

Der Finder hatte gleich angerufen und auch beim Transport alles richtig gemacht. "Ein Handtuch zu einem Kreis wickeln, den Vogel in die Mitte setzen und aufrecht sitzend transportieren, am Besten in einem kleinen Karton", so lautete die Anweisung von Nadja Koch. Die Erstversorgung durch den Finder ist das Wichtigste, verrät Nadja Koch. "Wenn man einen nackten Vogel findet, muss er gewärmt werden. Das ist überlebenswichtig und nichts anderes. Und eine prima Wärmequelle sind die Hände, einfach kurz aneinander reiben oder auch das Dekolleté."

Koch setzt die verletzte Meise in ein abgedunkeltes Bastkörbchen. Ruhe ist jetzt das Wichtigste. In Kürze wird sie wieder nach ihr schauen.

Fütterung im 30-Minuten-Takt

Nadja Koch eilt ins Nebenzimmer. Jetzt muss es schnell gehen, bevor ein neuer Notruf reinkommt. 105 Wildvögel warten auf die nächste Mahlzeit. Die meisten sind erst seit Kurzem hier. Verunglückte Meisen-Babies, ein Zaunkönig, Schwalben und Amseln sind darunter.

Fast pausenlos ist in der Wildvogelstation in Wörth am Main etwas los: Ehrenamtliche Helfer kommen zeitweise zur Unterstützung. Denn die Notfälle unterbrechen jede Fütterung. Mit einer Pinzette werden getrocknete Insekten direkt in den Schlund der zierlichen Vögel gestopft. Alle 30 Minuten bekommen die Kleinen Nahrung – von morgens um 6 bis abends um 9 – das ist Füttern im Akkord.

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Küken von Wildvögeln

"Wer soll sich denn sonst darum kümmern?"

Tierärztin Sabine Frick hilft mit kostenlosen Visiten in der Wildvogelstation, um den kleinen Verein finanziell zu entlasten, der nur auf Spenden basiert. Frick bewundert das Engagement von Nadja Koch, die sich seit fast 25 Jahren um verletzte Wildvögel kümmert und danach ihr Leben ausrichtet. Urlaub und Freizeit bleiben dabei auf der Strecke. Die Tierärztin und Koch arbeiten seit vielen Jahren Hand in Hand an der Rettung der Wildvögel. Sie wissen, dass diese sonst keine Chance hätten. Die Tierheime sind nahtlos überlastet und haben keine Kapazitäten für die vielen Hundert Wildvögel, die den Sommer über Hilfe brauchen.

Leben ganz auf Vögel ausgerichtet

Seit 25 Jahren betreut Nadja Koch Wildvögel in ihrem Elternhaus. Brutkästen hat sie an der Ostseite der Hauswand angebracht, um Hitzestau zu vermeiden. Wenn sie kurz Kraft tanken muss, geht sie vor die Tür und blickt in den Himmel. Dort kreisen Mauersegler um ihr Haus. "Mir geht einfach das Herz auf, wenn ich das sehe, wie die hier an- und abfliegen", schwärmt die 53-jährige.

Nicht jedes Tier kommt durch

Zurück in der Station warten schlechte Nachrichten auf sie. Sie will nach der verunglückten Meise schauen und ahnt Schlimmes. Die Reise des kleinen Vogels ist beendet, er hat es nicht geschafft. Nadja Koch ist sichtlich geknickt als sie den zierlichen Körper in ein sauberes, weißes Tuch wickelt. Würdevoll. "Schade, man trauert um jeden Vogel und ich merke, dass es einen mit den Jahren immer ein bisschen mehr mitnimmt."

Doch runterziehen lassen darf sie sich nicht. Schließlich gelingt es Koch, etwa 70 Prozent aller verletzten Wildvögel zu retten. Sie bekommen in der Auffangstation eine zweite Chance. "Wir machen weiter" lächelt Nadja Koch zuversichtlich und spurtet zielstrebig ins Nebenzimmer. 105 Wildvögel warten auf die nächste Fütterung. Jedes Tier, das sie nach der Pflege wieder in die Freiheit entlassen kann, gibt ihr Kraft für ihren unermüdlichen Einsatz - die Rettung der Wildvögel. 15 Stunden jeden Tag.

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