Sonntagabend in Erlangen. Es ist kalt, trotzdem stehen Hunderte am Hugenottenplatz. Sie demonstrieren gegen den Kurs, den die Union unter ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz in den vergangenen Wochen eingeschlagen hat. Unter den Demonstranten ist auch Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD). Er steht auf der Bühne, das Mikro in der Hand und eine rote Wollmütze auf dem Kopf.
Wie viele andere auch übt er scharfe Kritik an der Union. "Immer dann, wenn die bürgerliche Mitte paktiert hat, mit der extremen Rechten, ist unsere Demokratie nicht nur ein bisschen in Gefahr, sondern dann steht sie vor ernsthaften Herausforderungen und riesengroßen Schwierigkeiten", ruft er. Die Umstehenden klatschen daraufhin begeistert.
CSU: "Politisches Vertrauen ist verloren"
Jörg Volleth, Vorsitzender der CSU-Fraktion im Erlanger Stadtrat, kann den Jubel nicht nachvollziehen. Für ihn und seine Parteikollegen setzt Janik durch seine Worte die Parteien der bürgerlichen Mitte – und die CSU zähle für ihn zu dieser Gruppe – mit Rechtsextremen gleich. Ein Affront. Kurzfristig zieht die Erlanger CSU Konsequenzen und kündigt die seit 2020 andauernde Kooperation mit der SPD-Fraktion im Stadtrat auf. Begründung: das politische Vertrauen zum Oberbürgermeister ist verloren gegangen.
Das heiße aber nicht, dass sich die CSU nun komplett verweigere, betont Volleth. "Wir sind aber nach wie vor bereit, wenn es um Sachthemen geht, wenn es um das Wohl der Stadt geht, wenn es um unsere schwierige Haushaltslage geht, wenn es um die Finanzen unserer Stadt geht, konstruktiv mit- und zusammenzuarbeiten".
Janik: CSU-Reaktion "unverhältnismäßig"
Im Gespräch mit BR24 räumt Oberbürgermeister Janik ein, dass er von der Reaktion der CSU überrascht gewesen sei – und nicht nur das. "Ich finde es unverhältnismäßig, letztlich von einer bundespolitischen Auseinandersetzung, um die es da geht, einen lokalen Zusammenhang zu konstruieren und dann die Kooperation zu beenden".
Seine Worte würde er aber nicht zurücknehmen, im Gegenteil. "Deswegen sind ja auch Menschen auf die Straße gegangen, um der Union zu signalisieren: Stopp, keinen Schritt weiter, der Weg ist der falsche, dreht an dieser Stelle um. Und davon werde ich mich nicht distanzieren."
Mehr Arbeit für den Stadtrat
Janik sieht wegen des Ausstiegs mehr Arbeit auf den gesamten Stadtrat zukommen. Denn bisher stellten CSU und SPD gemeinsam die Mehrheit – jetzt müssen die Karten für jedes Thema neu gemischt werden. "Die Aufgaben im Rathaus sind ja nicht kleiner geworden und die CSU hat jetzt für sich entschieden, diese Verantwortung nicht mehr in dieser Form wahrnehmen zu wollen, und für alle anderen gewählten Stadträte und Stadträtinnen ist das jetzt eine große Aufgabe", so der Oberbürgermeister.
Kein Rücktritt vom Austritt
SPD- und CSU-Fraktion wollen in den kommenden Tagen noch einmal miteinander sprechen, doch ein Rücktritt vom Austritt scheint nicht realistisch, sagt CSU-Mann Volleth. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in nächster Zeit wieder zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zusammenkommen. Dafür waren seine Äußerungen unserer Meinung nach zu massiv. Es herrscht zu viel Unruhe in unserer Partei".
Im Video: Erlanger CSU kündigt Bündnis mit SPD - Wie geht es weiter?
Die schwarz-rote Zusammenarbeit im Erlanger Rathaus ist zu Ende - aufgekündigt von der CSU.
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