Es war eines ihrer letzten Herzensprojekte: eine Bildungseinrichtung für pflegende Angehörige, Mitarbeiterinnen in sozialen Berufen und Ehrenamtliche. Die ersten Seminare an der neu gegründeten Akademie konnte Barbara Stamm nicht mehr erleben. Doch die ehemalige Landtagspräsidentin war eine treibende Kraft dafür, dass die "Akademie Barbara Stamm" entstehen konnte. Seit Sommer vergangenen Jahres haben knapp 300 Menschen dort Kurse besucht. Nach ihrem Tod entschieden die Leiter der Akademie, diese nach Barbara Stamm zu benennen.
Pflegeakademie nach Barbara Stamm benannt
"Sie ist sehr auf den Punkt gewesen, sie hat Ergebnisse eingefordert. Aber das alles in einem unglaublich wertschätzenden Klima", sagt Cordula Kuhlmann, Geschäftsführerin der Pflegeakademie. Diese befindet sich auf dem Gelände des Klosters Maria Bildhausen im Landkreis Bad Kissingen. Kuhlmann berichtet von dem engen Austausch, den sie mit Stamm hatte. Eine "Tankstelle für Körper, Geist und Seele" schwebte der CSU-Politikerin vor, berichtet Kuhlmann: "Sie war zutiefst innerlich überzeugt von der Sache." Bis kurz vor ihrem Tod setzte sich Barbara Stamm dafür ein, dass die Bildungseinrichtung entstehen konnte. Im Landtag saß sie da schon lange nicht mehr.
Das "soziale Gewissen" der CSU
Als das "soziale Gewissen" der CSU wurde Stamm häufig bezeichnet. Auch zwei Jahre nach ihrem Tod fallen vor allem soziale Verdienste, wenn einstige Wegbegleiter über die CSU-Politikerin sprechen. Die Liste ist lang: Stamms Engagement für die Lebenshilfe Bayern, die Bayerische Kinderhilfe Rumänien oder die Würzburger Blindeninstitutsstiftung. Aber auch ihr politischer Einsatz für die Erhöhung des Kindergeldes, Frauenhäuser, die Anerkennung von Erziehungszeiten oder das Bayerische Gesetz zur Gleichstellung von Männern und Frauen.
Vor ihrer Zeit als Präsidentin des Bayerischen Landtags war Stamm zunächst Staatssekretärin im Bayerischen Arbeits- und Sozialministerium. Dann sieben Jahre lang Sozial- und Gesundheitsministerin im Freistaat. Die Sozialpolitik war ihr Steckenpferd – und das hat auch mit Stamms Leben zu tun.
Kindheit und Jugend prägten CSU-Politikerin
"Es steht nicht in meiner Geburtsurkunde, dass ich einmal so große Chancen und Möglichkeiten haben würde", sagte Stamm 2017 bei ihrem Abschied aus dem CSU-Parteivorstand. Stamm wuchs zunächst bei einer Pflegefamilie auf, dann holte ihre Mutter sie zurück. Stamms Stiefvater war alkoholkrank, sie wurde regelmäßig Opfer häuslicher Gewalt.
Die Politikwissenschaftlerin Daniela Neri-Ultsch sieht in ihren frühen Jahren eine der wichtigsten Prägungslinien der späteren Sozialpolitikerin: "Sie kannte eben diese Situationen, wo man hilflos ist." Neri-Ultsch hat eine Biografie über Stamm geschrieben, sie verweist immer wieder auf die Kindheit und Jugend. "Ihr war ganz wichtig, dass Kinder Chancengleichheit bekommen." Stamm konnte bei diesen Themen emotional werden.
Stamm als Politikerin: Menschlich und nahbar
Was von Stamm außerdem bleibt, ist ihr Politikstil. Sie galt als empathisch, volksnah, auch feierfreudig. War sie als Rednerin zu offiziellen Anlässen geladen, verschwand sie im Anschluss nicht sofort. Stamm blieb, war für jedermann ansprechbar. "Bleibt's bei de Leut'", mahnte sie immer wieder – auch innerhalb ihrer eigenen Partei. Diese Grundüberzeugung bescherte Stamm hohe Beliebtheitswerte und Stimmergebnisse.
"Ich glaube, dass es wichtiger ist, denn je, dass wir nah bei den Leuten sind", sagt die Landtagsabgeordnete Carolina Trautner (CSU) über die große Beliebtheit Barbara Stamms. Trautner hat Stamm als Vorsitzende der Lebenshilfe Bayern beerbt. Stamms offener Zugang sei auch ihr persönliches Credo.
Zumal mehrere Wegbegleiter sich noch an etwas weiteres erinnern. Stamm war energisch, beharrlich. Probleme, die ihr zugetragen wurden, wollte sie anschließend auch lösen. "Sie sprach nicht übermäßig laut, aber sie war unüberhörbar", wird der ehemalige bayerische Kultusminister Hans Maier in Stamms Biografie zitiert. Anlässlich ihres 80. Geburtstags hat ihre Heimatstadt Würzburg am Montagabend an Barbara Stamm erinnert.
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