Russland hat ein internes Gespräch deutscher Luftwaffen-Offiziere veröffentlicht und damit Bundeswehr und Bundesregierung bloßgestellt. Der Abhörskandal ist offenbar darauf zurückzuführen, dass für die Schaltkonferenz der betroffenen Offiziere keine geschützte Leitung genutzt wurde. Nach bisherigen Erkenntnissen sprachen sie über die Plattform Webex miteinander.
- Zum Artikel: Was bisher über die Abhöraffäre bekannt ist
Unsichere Kommunikation über Webex
Die Webex-Sitzung sei wiederum über eine Büro-Festnetzleitung der Bundeswehr auf die Mobiltelefone der Soldaten abgesetzt worden, schrieb die "Bild am Sonntag" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums sagte der Zeitung: "Es gibt Anhaltspunkte, dass mit Blick auf die offensichtlich besprochenen Inhalte ein nicht ausreichend sicheres Kommunikationsmittel verwendet wurde. Dies ist unter anderem Gegenstand der weiteren Untersuchungen."
Der Zeitung zufolge wird noch geprüft, welcher Sicherheitsstufe die besprochenen Details unterlagen. Zu klären sei auch, ob die verwendete Webex-Variante zumindest für den Austausch von Informationen der niedrigsten Geheimhaltungsstufe "Verschlusssachen – nur für den Dienstgebrauch" zugelassen sei, hieß es.
Kiesewetter glaubt, Russen wählten sich ein
Wie Russland an den Mitschnitt gelangte, wird nun vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) untersucht. Konsequenzen aus dem Vorfall sollen nach Angaben der Ministeriumssprecherin erst nach Abschluss der Prüfung verkündet werden.
Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter geht davon aus, dass sich ein russischer Teilnehmer in die Webex-Konferenz eingewählt haben könnte. Darauf gebe es Hinweise aus Quellen, "die sich berufsmäßig damit beschäftigen". Außerdem gebe es bereits Hinweise dazu im Netz, so der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages im ARD-Bericht aus Berlin. Es sei nun zu klären, wie die russischen Spione die Einwahlnummern bekommen hätten.
Taurus-Besprechung mit Luftwaffen-Chef
Vier Offiziere, darunter Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz, hatten in einer Telefonkonferenz zur Vorbereitung eines Gesprächs mit Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus erörtert, falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert werden sollte.
Ihr Gespräch war auf der russischen Plattform "Russia Today" veröffentlicht worden. Darin hatten sie festgehalten, dass eine baldige Lieferung und ein schneller Einsatz nur mit Beteiligung deutscher Soldaten möglich wäre - und dass eine Taurus-Ausbildung ukrainischer Soldaten für einen Einsatz in alleiniger Regie möglich wäre, aber Monate dauern würde.
Dobrindt greift Scholz an
Die Union stellt unterdessen in Frage, ob Kanzler Olaf Scholz sein Nein zur Taurus-Lieferung öffentlich korrekt begründet hat. "Die Berichte sind in doppelter Hinsicht befremdlich", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dem "Spiegel": "Zum einen, dass sicherheitsrelevante Gespräche offensichtlich von den Russen mitgehört werden, zum anderen, dass der Bundeskanzler seine Ablehnung von Taurus-Lieferungen möglicherweise mit einer Falschdarstellung begründet". Die Union liest aus dem veröffentlichten Gespräch heraus, dass bei einer Lieferung eine Beteiligung deutscher Soldaten technisch nicht zwingend erforderlich ist.
Dobrindt verlangte eine Erklärung des Bundeskanzlers vor dem Bundestag. Und drohte: "Bei dieser Sachlage kann ein Untersuchungsausschuss nicht ausgeschlossen werden." Ähnlich argumentieren der CDU-Verteidigungspolitiker Kiesewetter und CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Dieser warf die Frage auf, "warum der russische Geheimdienst und vielleicht sogar eine höhere Stelle durch die Veröffentlichung des Gesprächs den Bundeskanzler gerade jetzt so massiv beschädigt".
Die Rolle Russlands
Zudem steht die Frage im Raum, ob Russland noch weitere geheime Gespräche abgehört hat. Auch Politiker der Regierungskoalition fordern nun bessere Sicherheitsvorkehrungen – nicht nur für die Bundeswehr. Agnes Strack-Zimmermann, Verteidigungsexpertin der FDP, hält den Zeitpunkt der Veröffentlichung für alles andere als zufällig: Russland wolle wohl Druck auf den Kanzler machen, dass er zu einer Taurus-Lieferung am Ende nicht doch noch Ja sagt, so Strack-Zimmermann im ZDF.
Brugger: Putins Destabilisierungsversuche werden weiter zunehmen
Die auf Sicherheitsthemen spezialisierte Vizevorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger, warnte vor weiteren russischen Sabotageaktionen in den kommenden Monaten. "Die Ereignisse der letzten Tage zeigen einmal mehr, wie Wladimir Putin versucht, gerade in Deutschland durch Desinformation, Destabilisierung und Spionage massiv negativen Einfluss auf unsere offene Gesellschaft zu nehmen", sagte sie dem "Spiegel". "Das wird in diesem Jahr voller wichtiger Wahlen noch zunehmen, da müssen wir uns deutlich besser darauf vorbereiten, in Politik, Medien und Gesellschaft."
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