Weniger Konflikte, mehr Geschlossenheit: Die AfD hat sich verändert. Zumindest in ihrem Auftreten bei diesem Bundesparteitag in Essen. Dominierten in der Vergangenheit oft Machtkämpfe und Streit auf offener Bühne, so gibt sich die AfD jetzt disziplinierter und strukturierter.
AfD sendet vor Landtagswahlen Signal der Geschlossenheit
In der Geschichte der AfD sei "noch nie so schnell ein Bundesvorstand gewählt" worden, sagt Co-Chef Tino Chrupalla, der selbst mit knapp 83 Prozent im Amt bestätigt wurde. Seine Co-Chefin Alice Weidel bekam knapp 80 Prozent. Chrupalla sieht die schnelle Wahl des gesamten Vorstands als Zeichen, dass die Partei sich professionalisiert. In elf Jahren sei man gereift, fügt Bayerns AfD-Chef Stephan Protschka im BR24-Interview hinzu: "Die AfD wird erwachsen." Vor den wichtigen Landtagswahlen im Osten wollte die Parteiführung ein Signal der Geschlossenheit senden, dem Wunsch sind die Delegierten gefolgt.
Dabei gibt es durchaus Gesprächsbedarf unter den Delegierten: Der Unmut über die verkorkste Europawahl und der Umgang mit Spitzenkandidat Maximilien Krah ist groß. Die Parteiführung hatte ihm nach Skandalen – unter anderem hatte Krah die Nazi-Organisation SS verharmlost – ein Auftrittsverbot erteilt. Ein Antrag aus Bayern, der diesen Umgang indirekt kritisiert, wurde aber zurückgezogen. Statt in Debatten auf offener Bühne zeigt sich die Kritik eher im Applaus. Bei Weidels Rede wirkte dieser besonders im Vergleich zu den Vorjahren kraftlos und behäbig.
Anpassung der AfD: "Weniger Basisdemokratie, mehr zentrale Steuerung"
Politikwissenschaftler wie Wolfgang Schröder – der den Parteitag in Essen vor Ort beobachtet hatte – sehen in der neuen Ordnung eine Anpassung ans politische System: "Die wilden Jahre sind vorbei, die Annäherung an die sogenannten Altparteien ist vollzogen worden." Die AfD sei in ihrer Art, wie sie ihre Konflikte austrage und Konsens suche, eng an die Vorgehensweise etablierter Parteien wie CDU oder SPD gerückt. Im Falle der AfD bedeutet das aus Sicht Schröders, "ein Weniger an Basisdemokratie und ein Mehr an zentraler Steuerung".
Diese Steuerung zeigte sich bei der Wahl des Bundesvorstands, dessen Kandidatenliste im Vorfeld in langen Gesprächsrunden festgezurrt und dann auf dem Parteitag zumeist wie geplant gewählt wurde. Somit lieferte die AfD dieses Mal ein anderes Bild als noch vor zwei Jahren: Der Parteitag in Riesa war damals von harten Machtkämpfen geprägt. Dass ihr das schaden könnte, hat die Partei offenbar gelernt.
Auch wenn demonstrative Harmonie die Botschaft der AfD nach außen ist, weniger radikal in ihren Haltungen und Überzeugungen zeigte sie sich meist nicht. Das wird auch in Verkaufsständen beim Parteitag deutlich: Die Jugendorganisation "Junge Alternative" (JA) verkaufte T-Shirts mit der Aufschrift "Döp Dödödöp" – eine Anspielung auf das Sylt-Video, in dem rassistische Parolen gegrölt wurden.
Neu in den Bundesvorstand gewählt wurde zum Beispiel auch der Chef der JA: Hannes Gnauck. Die Jugendorganisation wird vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuft. Auch innerhalb der AfD ist sie wegen ihrer Radikalität äußerst umstritten.
AfD will regieren, findet aber keine Partner
Im Herbst stehen Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg an. In Umfragen liegt die AfD derzeit auf Platz 1. Tino Chrupalla sieht im Osten daher "die Sonne der Regierungsverantwortung aufgehen". Der AfD aber fehlen Regierungspartner auf Landes- sowie Bundesebene. Eine Kooperation schließen aktuell alle anderen Parteien aus, sie halten damit weiter an der sogenannten "Brandmauer" fest.
Die AfD wiederum hält an ihrer demonstrativen Harmonie fest. Inhaltliche Debatten über den künftigen Kurs der Partei fehlten jedoch: beispielsweise wurde ein Antrag über die Installierung eines Generalsekretärs vertagt. Auch lehnten die Delegierten ab, sich mit einem Antrag, der strengere Regeln für Auslandsreisen und Interviews mit ausländischen Medien forderte, zu befassen.
Politikwissenschaftler Schröder, der selbst in der Grundwertekommission der SPD sitzt, rechnet daher mit einer Verschiebung der ungeklärten Fragen in die Zukunft: "Es muss knallen." Die Ostwahlen und die Bundestagswahl könnten letztlich zum Ergebnis führen: "Die AfD ist immer erfolgreicher geworden und gleichzeitig immer machtloser. Das ist für eine Partei ein durchaus bemerkenswert schlechter Befund." Der AfD fehlten mangels Koalitionspartnern Regierungs- und damit Machtoptionen. Der nächste Parteitag soll im Frühjahr anstehen, dann muss die Partei entscheiden, ob sie mit einem Kanzlerkandidaten zur Bundestagswahl antreten will – so mancher AfD-Delegierte vermutet hinter vorgehaltener Hand, dass dann der Knall kommen könnte.
Im Audio: Demos gegen die AfD in Essen
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