Die Bundeswehr hat sich für die Großübung herausgeputzt. Der Tornado-Jet, der am Dienstag auf dem Militärflugplatz Jagel in Schleswig-Holstein zu sehen ist, fällt durch eine Sonderlackierung auf: die Heckflosse in Schwarz-Rot-Gold, darauf der Schriftzug "Air Defender 2023". Vor dem Kampfjet steht ein zufriedener Boris Pistorius. Es sei "beeindruckend zu sehen, wie die Kampfjets hier 80 Mal am Tag donnernd in den Himmel aufsteigen", sagt der Verteidigungsminister.
Als der SPD-Politiker den Militärflugplatz in Jagel besucht, sind es noch einige Tage bis zum Ende des Manövers. Doch Pistorius zieht bereits eine erste Bilanz. Sie fällt - wenig überraschend - positiv aus. Ungeachtet einer Vielzahl von Sprachen und Herkunftsländern hätten die Soldatinnen und Soldaten "Hand in Hand" gearbeitet. Pistorius bescheinigt ihnen zudem eine "große Begeisterung" für die Sache.
"Air Defender": Kommunikation als Herausforderung
Tatsächlich ging es bei "Air Defender" unter anderem darum, ob sich rund 10.000 Militärangehörige aus 25 Ländern pannenfrei verständigen können. Im Großen und Ganzen scheint es funktioniert zu haben. So berichtet eine US-Soldatin auf dem Fliegerhorst Lechfeld in Schwaben - einem anderen "Air-Defender"-Standort - das Englisch der deutschen Gastgeber sei "amazing" - ganz toll also.
Bei so viel Euphorie wundert es nicht, dass sich auch andere Spitzenpolitiker das Manöver aus der Nähe angesehen haben. So lässt sich auch Olaf Scholz in Jagel zeigen, wie die beteiligten Luftstreitkräfte zusammenarbeiten. Im Übrigen liefert der Besuch eines Militärmanövers genau die Bilder, die die vom Kanzler ausgerufene Zeitenwende illustrieren: Scholz auf dem Rollfeld eines Militärflugplatzes, umringt von Soldaten, im Hintergrund ein Kampfjet. Er zeigt sich froh darüber, "dass eine so große Übung gelingen kann und alles klappt" - noch dazu unter deutscher Führung.
Luftwaffenchef zufrieden mit Verlauf von "Air Defender"
Ein Punkt, den auch Luftwaffenchef Ingo Gerhartz aufgreift. Er nennt das Manöver ein "wichtiges Zeichen auch an unsere Partner". Aus seiner Sicht hat Deutschland mit der Organisation von "Air Defender" bewiesen, dass es im Nato-Verbund Verantwortung übernehmen kann. In seiner Abschlussbilanz spricht Gerhartz von einem vollen Erfolg. Von 2.000 geplanten Flügen hätten 90 Prozent stattgefunden. Für eine solche Großübung sei das ein Spitzenwert, sagt der Luftwaffenchef.
Zur Bilanz von "Air Defender" gehört aber auch, dass es zum Teil Anlaufschwierigkeiten gegeben hat. Um verschiedene Flugzeugtypen - Kampfjets, Transportmaschinen, Aufklärungsflugzeuge - optimal zu koordinieren, ist laut Gerhartz ein gemeinsames Netzwerk für die Datenübertragung nötig. Es sei "sehr, sehr komplex", so etwas einzurichten. Das sei nicht auf Anhieb gelungen, sondern erst nach ein, zwei Tagen. Die Lernkurve sei enorm gewesen, so der Luftwaffenchef. Und genau das soll ein solches Manöver ja auch leisten: Es geht darum, herauszufinden, wo es noch hakt - damit die Koordination im Ernstfall funktioniert.
Nato-Verbündete trainieren Abwehr eines Angriffs
Der Ernstfall: Das ist im "Air-Defender"-Szenario ein Angriff auf die Nato. Mit der Übung wollten Deutschland und seine Verbündeten zeigen, dass sie in der Lage wären, das Bündnisgebiet zu verteidigen. Ein Übungsziel, das aus Sicht der Bundeswehr erreicht wurde.
Doch es gibt auch kritische Töne. Die Linke zum Beispiel sieht in dem Manöver eine gefährliche Machtdemonstration. Co-Parteichefin Janine Wissler bezeichnet die Übung schon bei deren Auftakt als ein "militärisches Säbelrasseln, das wir für unverantwortlich halten". Russland, so die Befürchtung von Nato-Kritikern, könnte sich durch "Air Defender" provoziert fühlen.
"Air Defender" auch ein Signal an Putin
Die Luftwaffe betont dagegen den defensiven Charakter des Manövers: Man habe den Verteidigungsfall geprobt - und keinen Angriff. Außerdem habe sich die Übung gegen keinen bestimmten Staat gerichtet. Allerdings liegt auf der Hand, welchem Akteur mit "Air Defender" die Einsatzbereitschaft der Nato vor Augen geführt werden sollte: dem russischen Regime. Im Übungsszenario ist von einem "östlichen Militärbündnis" die Rede. Und die US-Botschafterin in Berlin, Amy Gutmann, erkennt im Manöver ausdrücklich auch ein Signal an Wladimir Putin.
Moskau scheint sich wirklich für das Manöver interessiert zu haben: Die Bundeswehr berichtet von einem russischen Spionageschiff, das sie auf der Ostsee gesichtet hat. Ein Luftwaffensprecher kommentiert den Vorfall so: "Das zeigt, dass wir wahrgenommen werden."
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