Drei Männer, eine Mission: Die Ampel wieder in ruhigeres Fahrwasser führen. Mittwochmittag um 12 Uhr treten Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) im Kanzleramt vor die Mikrofone, um ihren Haushaltskompromiss vorzustellen. Das Bundesverfassungsgericht hatte vor einem Monat ihre Pläne kassiert – ein neuer Tiefpunkt für die Koalition.
Jetzt präsentieren die drei Ampel-Frontmänner, wie sie die entstandene Milliardenlücke schließen wollen. Fragen der Journalistinnen und Journalisten sind nicht zugelassen, aber ihr Auftritt verrät auch so einiges.
Scholz: Standfest statt zaudernd
Bundeskanzler Scholz redet, als ob er frisch aus einem Führungskräfteseminar kommt: Man habe "vertraulich", "sehr konstruktiv" und "lösungsorientiert" zusammengearbeitet. Die Koalition priorisiere, was sie sich noch leisten könne und was nicht. Das klingt schöner als kürzen, sparen und Abgaben erhöhen.
Der SPD-Politiker betont den sozialen Zusammenhalt im Land. Er kann für sich verbuchen, dass im Sozialen kaum gekürzt wird. Und Scholz gibt sich als überzeugter Ukraine-Unterstützer. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine galt Scholz zuerst als zögernd und zaudernd. Fast zwei Jahre nach Kriegsbeginn wirkt der Kanzler dagegen standfest. Während sich andere längst in die Büsche geschlagen haben, kann sich die Ukraine auf Deutschland verlassen - militärisch, finanziell und bei der Versorgung der Geflüchteten hierzulande. Der Haushaltskompromiss dokumentiert das.
Grüne setzen Schwerpunkte
Robert Habeck übernimmt bei der Präsentation die Rolle des Leidenden. "Das tut mir weh", sagt der Grünen-Politiker über die geplanten Kürzungen in der Solarbranche. Habeck hält sich auffällig zurück, redet nur etwa dreieinhalb Minuten. Dabei könnte er in Jubel ausbrechen. Der Haushaltskompromiss trägt eine deutliche grüne Handschrift.
Wer mehr fossile Energien nutzt, muss künftig mehr zahlen. Ein höherer CO2-Preis beim Tanken und Heizen, eine Kerosinsteuer für innerdeutsche Flüge, eine Abgabe für Plastik, das Streichen umweltschädlicher Subventionen wie Agrardiesel – grüne Träume werden wahr. Falls der Bundestag alle Vorschläge der Ampel-Männer so übernimmt. Ganz ausgemacht ist das noch nicht.
Habeck hat einen großen Teil des Klima- und Transformationsfonds gerettet. Es gibt weiter Geld für den Heizungsaustausch, grünen Stahl und Wasserstoff. Der Bundeswirtschaftsminister könnte sich als Gewinner dieses Kompromisses inszenieren. Seine Zurückhaltung dürfte auch mit dem Koalitionspartner FDP zu tun haben.
FDP macht große Zugeständnisse
Christian Lindner steht gut gelaunt vor den Mikrofonen. Der FDP-Chef lobt "kreative Wege" in der Haushaltspolitik. "Rekordinvestitionen", jubelt Lindner. Deutschlands Schuldenquote sinke. Die Ampel habe in schwierigen Zeiten bewiesen, dass sie handlungs- und einigungsfähig sei. "Ein ausgewogenes Paket", sagt der Bundesfinanzminister.
Tatsächlich hat Lindner große Zugeständnisse gemacht: Die Schuldenbremse wird nach den Plänen der Ampel-Spitzen zwar auf dem Papier erstmal eingehalten. Doch die Hintertür ist nicht nur einen Spalt geöffnet. Die Fluthilfe für das Ahrtal soll aus den Berechnungen für die Schuldenbremse ausgeklammert werden. Und sollte die Ukraine mehr Geld benötigen, dürfte die Bremse schnell gelockert werden.
Das ist einer der größten Kritikpunkte auch in Bayern. CSU-Generalsekretär Martin Huber zum Beispiel spricht von "Augenwischerei". Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern nennt es "Weiterwursteln". Finanzminister Albert Füracker (CSU) kritisiert geplante Kürzungen für die Landwirtschaft.
Lindner hat außerdem einer neuen Steuer zugestimmt: auf Kerosin bei innerdeutschen Flügen. Die genaue Umsetzung ist noch offen. Aber auch die höhere CO2-Abgabe und die Streichung des Zuschusses für die Strom-Netzentgelte dürften viele Unternehmen belasten. Im Sozialen wird es dagegen wohl kaum Kürzungen geben. Nach FDP-Politik klingt das alles nicht.
Trägt der Ampel-Kompromiss?
Am Ende haben die drei Ampel-Männer einen klassischen Kompromiss ausgehandelt: Jeder gibt, jeder nimmt. Jede Partei setzt ihre Schwerpunkte und kann bei ihren Anhängern punkten. Vorausgesetzt, alle in der Koalition versammeln sich hinter diesem Kompromiss und gönnen den Partnern ihre Erfolge. In der Vergangenheit haben die Absprachen der Spitzenleute oft nur kurz gehalten, siehe: Heizungsgesetz. Ob dieser Haushaltskompromiss eine Trendwende für die Ampel ist, zeigt sich in den nächsten Wochen. Der Bundestag wird voraussichtlich im Januar über die Pläne entscheiden. Der höhere CO2-Preis steht schon morgen auf der Tagesordnung des Bundestags.
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