Der ultraliberale Kandidat der Partei La Libertad Avanza (Die Freiheit schreitet voran) lag mit 55,69 Prozent deutlich vor Wirtschaftsminister Sergio Massa von der linken Unión por la Patria (Union für das Vaterland), welcher nur 44,30 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte.
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Javier Milei begrüßt nach seinem Sieg bei der Stichwahl seine Anhänger vor seinem Wahlkampfbüro.

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"Anarchokapitalist" Milei gewinnt Präsidentenwahl in Argentinien

"Anarchokapitalist" Milei gewinnt Präsidentenwahl in Argentinien

Der libertäre Populist Javier Milei wird nächster Präsident Argentiniens. Der 53-Jährige hat die Stichwahl um das Präsidentenamt deutlich gewonnen. Mit radikalen Ideen will er sein Land aus der Krise führen.

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Der Sieger der argentinischen Präsidentschaftswahl steht fest: Es ist der libertäre Populist und Oppositionspolitiker Javier Milei. Der Kandidat der Partei La Libertad Avanza (deutsch: "Die Freiheit schreitet voran") lag mit 55,69 Prozent deutlich vor Wirtschaftsminister Sergio Massa von der linken Unión por la Patria (deutsch: "Union für das Vaterland"), welcher nur 44,30 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Das teilte das Wahlamt des südamerikanischen Landes nach der Auszählung fast aller Stimmen am Sonntagabend (Ortszeit) mit.

Neuer Präsident will radikale Kehrwende - auch in der Sozialpolitik

Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise verspricht der selbst ernannte "Anarchokapitalist" Milei eine radikale Kehrtwende: Mit ultraliberaler Politik will der Ökonom und Politikneuling die zweitgrößte Wirtschaft Südamerikas verändern. Er will den US-Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel einführen, die Zentralbank sowie viele Ministerien abschaffen und die Sozialausgaben kürzen.

"Heute beginnt der Wiederaufbau von Argentinien. Das ist ein historischer Abend", sagte der 53-jährige Politikneuling Milei nach der Bekanntgabe des Ergebnisses. Und weiter: "Ich will eine Regierung, die ihre Pflicht erfüllt, die das Privateigentum und den freien Handel respektiert."

Der Sieg des marktliberalen Milei bedeutet eine echte Kehrtwende für Argentinien, wo die linken Peronisten seit über 20 Jahren maßgeblich den Ton angeben, der Staat massiv in die Wirtschaft eingreift und öffentliche Dienstleistungen stark subventioniert werden.

Milei sorgte mit populistischen Parolen für Aufsehen

Sein Konkurrent, Regierungskandidat Massa, hat seine Niederlage bereits eingeräumt: "Javier Milei ist Präsident. Ich habe ihm gratuliert, denn die Mehrheit der Argentinier hat ihn gewählt", sagte Massa. Er war für das mitte-links-gerichtete Regierungslager angetreten, das die argentinische Politik seit Jahrzehnten dominiert hatte.

Javier Milei hatte im Wahlkampf mit populistischen Parolen für Furore gesorgt. So erklärte er unter anderem, er wolle die öffentlichen Ausgaben "mit der Kettensäge" kürzen. Er ist gegen Abtreibung und Sexualkundeunterricht und leugnet die Verantwortung des Menschen für den Klimawandel. Er profitierte vor allem von der Wut vieler Argentinier auf die Dauerkrise und das politische Establishment. Mit zerzaustem Haar wetterte er bei Wahlkampfveranstaltungen gegen die von ihm verhasste politische "Kaste".

Rund 40 Prozent der Argentinier leben unter Armutsgrenze

Bei der Stichwahl waren rund 36 Millionen Argentinier aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die Wahlbeteiligung lag bei 76 Prozent.

Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate liegt bei über 140 Prozent, rund 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unterhalb der Armutsgrenze. Argentinien leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst ständig.

Trump und Bolsonaro äußern Begeisterung über Wahlergebnis

Der linke Präsident von Argentiniens Nachbarland Brasilien, Lula Inácio Lula da Silva, beglückwünschte kurz nach Bekanntwerden der Ergebnisse im Online-Dienst X (vormals Twitter) die "neue Regierung" in Argentinien, ohne Wahlsieger Milei ausdrücklich zu erwähnen. US-Außenminister Antony Blinken gratulierte Milei zum Wahlsieg - und äußerte Zufriedenheit über die "hohe Wahlbeteiligung". Washington werde mit Mileis Regierung an "gemeinsamen Prioritäten" arbeiten.

Der Sieg Mileis bedeutet auch einen Erfolg für die neue globale Rechte: Die ehemaligen Präsidenten Brasiliens und der USA, Jair Bolsonaro und Donald Trump, mit denen Milei oft verglichen wird, äußerten ihre Begeisterung. "Ich bin stolz auf dich", schrieb Trump in seinem Online-Netzwerk Truth Social und ergänzte: "Du wirst dein Land verändern und aus Argentinien wieder ein großes Land machen." Bolsonaro erklärte, durch Mileis Sieg leuchte wieder Hoffnung in Südamerika.

Milei fehlt nötige Mehrheit im Parlament

Die Amtsübergabe an Wahlsieger Milei ist für den 10. Dezember geplant, Milei wird den Posten vom seit 2019 amtierenden mitte-links-gerichteten Staatschef Alberto Fernández übernehmen. Nach Ansicht der meisten Experten ist völlig offen, wie Milei sich nach seinem Wahlsieg verhalten wird. Die meisten seiner Wahlkampfversprechen erscheinen als unrealistisch, da dem designierten Präsidenten die nötige Mehrheit im Parlament fehlt.

Mit Informationen von dpa und AFP

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