Die EU will mehr Artenschutz und Biodiversität. Deshalb verpflichtet sie Landwirte dazu, vier Prozent ihrer Ackerflächen stillzulegen und zahlt im Gegenzug dafür Geld. So zumindest die Idee. Doch so richtig umgesetzt wird sie nicht. Letztes Jahr verzichtete die EU auf die Maßnahme, weil sie Getreideengpässe aufgrund des Ukraine-Kriegs befürchtete.
Und nun ist klar: Auch dieses Jahr entfällt die Stilllegungspflicht ohne finanzielle Nachteile für die Bauern. Landwirte bekommen in diesem Jahr auch dann eine Prämie, wenn sie Eiweißpflanzen oder Zwischenfrüchte zur Futternutzung auf den Flächen anbauen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmittel ist auf diesen Flächen aber nicht erlaubt.
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir setzte sich durch
Zu dem Kompromiss hat sich die EU-Kommission vor kurzem durchgerungen: Landwirte befänden sich aktuell in einer schwierigen Lage und bräuchten zusätzliche Flexibilität, so die Begründung. Bislang war aber nicht klar, ob Deutschland tatsächlich von dieser Ausnahme-Option Gebrauch machen würde.
Denn die grüne Umweltministerin Steffi Lemke beharrte auf Brachflächen für mehr Artenschutz und sprach von einem "überstürzten" und "unreifen" Beschluss der EU-Kommission. Letzten Endes setzte sich aber Parteikollege und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir durch: Die Aussetzung wird umgesetzt, die Direktzahlungen an Landwirte werden nicht gekürzt.
Bauernverbände befürworten Aussetzung
Der Deutsche Bauernverband (DBV) lobte die Entscheidung. "Die Bundesregierung hat verstanden, dass wir Bauern keine weitere Benachteiligung und damit Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit akzeptieren werden", erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied.
Aus Bayern kommen ähnliche Töne. Für Stefan Köhler, Umweltpräsident des Bayerischen Bauernverbands, ist es der richtige Weg, denn Landwirte wollen die Fläche ihm zufolge bewirtschaften, um einen Beitrag für die Ernährungssicherheit zu leisten. "Die Stilllegung von Äckern gehört in die agrarpolitische Motten-Kiste", sagt Köhler.
Auch die CSU ist zufrieden über die Aussetzung der Stilllegung. "Gerade in Zeiten hoher Lebensmittelpreise und einer durch Krieg und Umweltkatastrophen drohenden vorübergehenden Lebensmittelknappheit sind Flächenstilllegungen absolut kontraproduktiv und unverantwortlich", sagte Petra Högl, agrarpolitische Sprecherin der CSU-Fraktion.
Umweltschützer: Bundesregierung ist eingeknickt
Ganz anders sehen das die Umweltschützer. Der BUND-Naturschutz etwa wirft der Bundesregierung vor, vor der Agrarlobby eingeknickt zu sein. "Der Verzicht auf Brachen und Stilllegungsflächen ist ein fundamentaler Rückschritt für den gemeinsam mit der Landwirtschaft errungenen notwendigen Schutz der Artenvielfalt in unseren Agrarlandschaften", erklärte der Vorsitzende des BUND, Olaf Bandt. Die Bundesregierung hätte wenigstens mit der Erhöhung des Budgets für finanzielle Anreize für mehr Umweltschutz einen Ausgleich schaffen können, kritisierte er.
Ähnlich frustriert zeigt sich Maria Noichl (SPD), Mitglied des Europaparlaments und Vorsitzende des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DVL). Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen werde wie ein "Schönwetter-Thema" angegangen, obwohl dringender Handlungsbedarf bestehe.
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