Ein Plakat mit der Aufschrift "Mit Geld und Verstand. Schulden bremsen, Chancen schaffen. Unser Bundeshaushalt." hängt über dem Eingang zum Bundesministerium der Finanzen in Berlin.
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In Deutschland dauert die Debatte über die Schuldenbremse weiter an.

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Aufhebung der Schuldenbremse? Parteien in Deutschland uneinig

Aufhebung der Schuldenbremse? Parteien in Deutschland uneinig

Die Diskussion über die Schuldenbremse in Deutschland läuft auf vollen Touren. Aufheben oder nicht? Und wenn ja, für wie lange? Selbst innerhalb der Bundesregierung gibt es unterschiedliche Meinungen. Eine Entscheidung dürfte in weite Ferne rücken.

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Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds hat eine regelrechte Lawine losgetreten: Aktuell steht sogar die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse auf der Kippe. Die Parteien in Deutschland sind sich uneinig, wie die Rückkehr zur schwarzen Null aussehen soll. Der Wunsch vieler Bürger nach Klarheit dürfte vorerst unerfüllt bleiben.

SPD-Fraktionschef Mützenich will auch für 2024 Notlage erklären

Für das laufende Jahr will die Ampel-Koalition die Schuldenbremse erstmal aussetzen. Möglich soll das eine Ausnahmeregelung der Schuldenbremse machen: Die Bundesregierung werde dem Bundestag vorschlagen, eine außergewöhnliche Notlage zu erklären, so Bundesfinanzminister Lindner am Donnerstag. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sieht aber auch für 2024 Jahr Gründe, eine Notlage auszurufen.

Zum Artikel: SPD fordert Aussetzen der Schuldenbremse - FDP weist das zurück

Natürlich wolle er nicht sehenden Auges in eine erneute Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gehen, sagte er am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". "Aber ich will schon mit den politisch Verantwortlichen darüber reden, ob wir in normalen Zeiten leben. Und ich glaube nicht, dass wir in normalen Zeiten leben. Deswegen ist es auch kein normaler Haushalt."

Özdemir: Schuldenbremse beibehalten, aber um Investitionsklausel erweitern

Auf Nachfrage, wie er die Notlage für 2024 inhaltlich begründen wolle, nannte Mützenich den Krieg in der Ukraine und die Lage in Nahost, von der unklar sei, ob sie sich zu einem Regionalkrieg entwickeln werde. "Und diese auch gesamten Dinge, denen sich der Staat stellen muss, aber wo er sozusagen auch nicht die alleinige Kontrolle hat – das gibt schon eine Chance, auch diese Ausnahmeregelung in Artikel 115 noch mal zu ziehen."

Bei den Grünen trifft diese Ansicht auf vorsichtige Zustimmung. Zwar ist man sich hier nicht ganz einig, wie es weitergehen soll. Auf dem Parteitag hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am Wochenende aber dazu aufgerufen, die Schuldenbremse wenigstens um eine Investitionsklausel zu ergänzen. "Wir bekennen uns zur Schuldenbremse, aber zu einer guten Schuldenbremse", sagte der Grünen-Politiker. Dabei müsse nicht nur das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt werden, sondern auch das vorherige Urteil desselben Gerichts, wonach Maßnahmen gegen die Klimakrise nicht aufgeschoben werden dürfen. "Beide Urteile gelten", hier dürfe es "nicht nur Rosinenpickerei geben", sagte Özdemir.

FDP lehnt Neuverschuldung im kommenden Haushalt ab - lieber bei Ausgaben sparen

Anders sieht man es beim Koalitionspartner FDP. Die steht nach den Worten ihres Fraktionschefs im Bundestag, Christian Dürr, fest zur Schuldenbremse. "Ich bin mir dessen bewusst, dass die FDP mit ihrer sehr klaren Haltung, die Schuldenbremse muss fest bleiben im Grundgesetz, eher alleine steht", sagte er am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Das sei aber ein Grund, Teil der Ampel-Koalition zu bleiben. Es sei bekannt gewesen, dass die SPD und die Grünen bei dem Thema eine andere Meinung hätten.

Dürr sagte am Sonntag, es gebe im Bund und in den Ländern kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem. Die Bundesregierung werde nun darüber verhandeln, an welchen Stellen gespart werden könne. Er wundere sich aber über manche Äußerungen aus der Unionsfamilie und auch von Ministerpräsidenten, "die sagen, die Schuldenbremse muss man schleifen und weichen". Er halte das für falsch.

Selbst innerhalb der Union keine geschlossene Haltung

Die CDU-Länderchefs in Berlin, Sachsen-Anhalt und Sachsen hatten sich zuletzt offen für eine Reform der Schuldenbremse gezeigt. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff etwa sagte dem "Stern", die Schuldenbremse müsse bleiben. "Aber für sehr wichtige Zukunftsinvestitionen in Wirtschaft, Technologie und Wissenschaft müssen verfassungskonforme Möglichkeiten gefunden werden, diese zu realisieren."

Der CSU-Vorsitzende Markus Söder sprach sich vehement dagegen aus, zur Lösung der entstandenen Haushaltsprobleme die Schuldenbremse zu lockern. "Die Schuldenbremse hat uns erst stark gemacht, nur so sind Hilfen in Krisensituationen möglich", schrieb Söder auf der Online-Plattform X.

NRW-Ministerpräsident Wüst warnt vor über überstürzter Debatte

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und ebenfalls CDU-Politiker Hendrik Wüst fordert vor allem eins: Planungssicherheit. Es brauche eine ehrliche Bestandsaufnahme, welche Bundesmittel im kommenden Jahr vorhanden seien, sagte Wüst in der ARD. Es brauche auch Klarheit, um gegebene Zusagen einhalten zu können. Nach dem Karlsruher Haushaltsurteil sei der industrielle Mittelstand nervös, ob der Bund sich an bereits gegebene Zusagen zur Vergabe von Fördermitteln halten werde.

Seine Sicht auf eine Reform der Schuldenbremse sei aber eher zurückhaltend. "Ich bin ein großer Fan der Schuldenbremse", so der NRW-Ministerpräsident. Sie schütze die kommenden Generationen vor übergriffigem Verhalten der heute Regierenden. Er warne deshalb vor einer überstürzten Debatte darüber. Darin sei sich die Union auch einig.

Bundesbank und EZB fordern schnelle Klarheit

Ach der Präsident der Deutschen Bundesbank, Joachim Nagel, erhofft sich von der Regierung nun eine rasche Klärung der Haushaltsplanung. "Aus Notenbanksicht kann ich nur appellieren, das Budget, den Haushalt, jetzt für 23 und 24 zügig auf die Beine zu stellen", sagte Nagel am Samstag auf einer mehrtägigen Veranstaltung in Frankfurt. In der gegenwärtigen Situation komme es darauf an, dass in Berlin Klarheit geschaffen werde für das laufende Budget 2023 und für 2024. Wenn die Unsicherheit zu lange bestehen würde, wenn es zu lange offene Punkte und Fragen gebe, sei das immer schlecht für die Finanzmärkte.

Bereits am Freitag hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Veranstaltung darauf hingewiesen, wie wichtig Planungssicherheit hinsichtlich des deutschen Haushalts für die Europäische Zentralbank (EZB) sei. Denn die EZB müsse Prognosen erstellen, antizipieren, welchen Haushaltsspielraum Länder besäßen, welche Politik diese umsetzten und was die wahrscheinliche wirtschaftliche Folge sei, hatte sie erläutert. Nicht zu wissen, wie Deutschlands Haushalt im nächsten Jahr sein werde, erschwert laut Lagarde der EZB das Erstellen von Wirtschaftsprognosen.

Am Montag wollen die Wirtschafts- und Energieminister von Bund und Ländern in Berlin über die Auswirkungen des Karlsruher Urteils beraten. Für Dienstag hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dann eine Regierungserklärung angekündigt.

Mit Informationen von AFP und dpa.

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