Die Bundesvorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour sprechen beim Bundesparteitag der Grünen in Karlsruhe.
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Die Bundesvorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour sprechen beim Bundesparteitag der Grünen in Karlsruhe.

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Grüner Parteitag: Zwischen Gegenwind und Rückendeckung

Grüner Parteitag: Zwischen Gegenwind und Rückendeckung

Vier Tage lang haben die Grünen bei ihrem Parteitag debattiert, gewählt und sich über den weiteren Kurs abgestimmt. Während die Partei von außen kritisiert wird, demonstrieren die Grünen Einigkeit. Doch bei einem Thema kippt die Stimmung auch intern.

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"Die sind unerträglich" – ein Mann in einer Karlsruher Bäckerei blickt aus dem Fenster, direkt gegenüber steht die Messehalle: Dort haben die Grünen ihren viertägigen Parteitag abgehalten. In der Bäckerei schimpft der Mann auf die Grünen, wirft ihnen Realitätsverlust vor.

Grüne: Gegenwind von vielen Seiten

Kritik der anderen Art hat die Parteimitglieder auf dem Weg in die Messehalle begleitet: Graffitis und "Klima-Killer"-Logos sind da auf Straßen gesprüht. Vor der Halle machen Anhänger von Fridays for Future ihrem Ärger Luft: Die Grünen gehen zu viele Kompromisse ein, machen zu wenig für den Klimaschutz.

Das regnerische Wetter passt zum Parteitag, Gegenwind von verschiedenen Seiten bläst den Grünen entgegen: Den einen sind sie als Verbots-Partei ein Dorn im Auge, den anderen gehen ihre Klimabemühungen nicht weit genug.

Parteitag der Grünen: Wohlfühlkurs und Zusammenhalt?

Drinnen in der Karlsruher Messehalle scheint es, als würde der Wind die Grünen erst recht antreiben. Sie demonstrieren zunächst Einigkeit und Geschlossenheit. Etwa wenn Parteichefin Ricarda Lang den 800 Delegierten zuruft: "Ich bin so unfassbar stolz darauf, was wir in den letzten beiden Jahren geleistet haben." Die Menge jubelt. Bei all den Ampel-Streitereien, Krisen und der Kritik von außen wollen sie drinnen zusammenhalten – diese Botschaft wollen sie von Karlsruhe aus senden.

Das zeigt sich beispielsweise bei der Wiederwahl der Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour, bei dem einstimmigen Dringlichkeitsantrag zur Solidarität mit Israel, der klaren Kante gegen Rechts oder dem eindeutigen Ergebnis der grünen Spitzenkandidatin Terry Reintke für den EU-Wahlkampf mit 99 Prozent. Dass sich die Grünen geschlossen bewegen, macht auch das Europaprogramm deutlich: Was vor Jahren von Parteimitgliedern vehement abgelehnt wurde, soll jetzt möglich werden – die CO2-Speicherung, also die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid im Kampf gegen die Klimakrise.

Stimmung schwankt bei Migrationsdebatte

Eine Wohlfühlatmosphäre schwebt die ersten Tage über dem Parteitag. Doch dann ändert sich die Stimmung am Samstagabend: Die Debatte um Migration startet mit einer Demo aus den eigenen Reihen gegen weitere Verschärfungen des Asylrechts. Parteimitglieder ziehen mit Schildern durch die Halle, auf denen steht: "Familien zu trennen ist schäbig", "Die Würde des Menschen ist unantastbar" oder "Wer Menschen in Lager sperrt, schließt die Menschlichkeit gleich mit weg".

War es das mit dem Wohlfühlkurs bei den Grünen in Karlsruhe? Das inhaltlich schwierigste Thema spaltet die Partei in zwei Lager: Auf der einen Seite die Grüne Jugend, die vehement gegen weitere Verschärfungen des Asylrechts ist und mit einem Änderungsantrag erreichen will, dass die grünen Ministerinnen und Minister in der Regierung künftig keinen Asylrechtsverschärfungen mehr zustimmen dürfen.

Habeck warnt: Antrag Grüne Jugend sei Misstrauensvotum

Auf der anderen Seite steht die Parteispitze, die für einen schärferen Migrationskurs und für Kompromisse in der Ampel wirbt. Es gehe um Lösungen und machbare Antworten, so Nouripour: "Wer Ordnung nicht zulässt, kriegt auch keine Humanität."

Insbesondere Wirtschaftsminister Robert Habeck findet deutliche Worte: Ein Parteitag mit all den Abstimmungen sei kein Spiel – sondern habe auch Konsequenzen für das Handeln der Grünen in der Regierung. Er warnt vor dem Antrag der Grünen Jugend, den er als Misstrauensvotum bezeichnet und die Aufforderung darin sieht, die Ampel-Regierung zu verlassen.

Mehrheit der Delegierten für Migrationskurs des Bundesvorstands

Welche Konsequenzen eine Zustimmung zum Antrag mit sich ziehen würde, hat die grüne Außenministerin Baerbock geschildert: Wenn über Rückführungen, Unterbringungen, Außengrenzen oder Grenzkontrollen in der Regierung verhandelt werde, dann könnten sie als Grüne nicht mit am Tisch sein.

Der Bundesvorstand kämpft auf der Bühne, um den Kurs vorzugeben. "Das würde etwas über unsere Partei aussagen, wenn wir beim schwierigsten Punkt in Schwarz-Weiß verfallen", so Ricarda Lang, die zur Verantwortungspflicht mahnt und vor einer Verantwortungsflucht warnt. Die Mehrheit der Delegierten folgt nach einer dreistündigen, hitzigen Debatte der Parteispitze, stimmt für den Kurs des Bundesvorstands beim Thema Migration.

Grüne Jugend enttäuscht, aber hoffnungsvoll

Die Grüne Jugend ist enttäuscht, wie ihre Bundessprecherin Svenja Appuhn im BR24-Interview sagt. Sie sieht jedoch einen Erfolg: "Wir haben recht behalten, damit, dass wir immer gesagt haben, es brodelt in der Partei, es geht um den Kern der Partei. Die Debatte hat ja gezeigt, wie viel Druck auf dem Kessel war." Bestätigt sieht sich die Jugend darin, dass ihr Signal an der Spitze angekommen sei.

Denn: Habeck machte auf der Bühne deutlich, Kompromisse hätten auch Grenzen. Mit dieser Botschaft fährt die Regierungsmannschaft der Grünen zurück nach Berlin. Ob und wie sie das Signal der Jugend, aber auch von Teilen der Basis, in der Ampel umsetzen – offen. Klar ist: Demnächst wird über das geplante Abschiebegesetz im Bundestag verhandelt, das Abschiebungen von irregulär Geflüchteten beschleunigen und vereinfachen soll – hier erhofft sich die Grüne Jugend, dass noch verhandelt wird.

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