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Bayern wird dem Gesetz zum Bürgergeld am Montagvormittag im Bundesrat nicht zustimmen. Das hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Vormittag in der Radiowelt in Bayern 2 Radio noch mal bekräftigt.
Söder kritisiert Zielrichtung des Bürgergeldes
Nach den Worten Söders versucht die Bundesregierung, den Charakter der Hartz-IV-Grundsicherung mit dem Bürgergeld zu verändern: Dann müsse man fragen, welche Wirkung dahinterstehen solle. Seiner Meinung zufolge haben die Hartz-IV-Reformen schon dazu beigetragen, dass Deutschland ökonomisch wieder stärker wurde und viele Menschen in Arbeit gekommen sind. Und genau das wolle die SPD aus diesem alten Trauma bewusst ändern, meint der CSU-Politiker.
Er betonte aber auch, dass es sich bei seiner Ablehnung nicht um eine Blockade handele. Vielmehr nutze Bayern sein verfassungsmäßiges Recht, eine Gesetzesvorlage im Bundesrat zu ändern. Der Ministerpräsident geht daher von einem Vermittlungsausschuss aus und forderte: "Es bräuchte eine komplette Überarbeitung, also keine kosmetischen Maßnahmen. Wir sind da offen für eine grundlegende Diskussion, aber sie muss auch dann erfolgen."
Scharfe Kritik an SPD-Parteichef Lars Klingbeil
Für Bayerns Zustimmung zu einem neuen Gesetz müsse für Söder zunächst klar sein, dass der, der arbeitet, mehr haben müsse, als derjenige, der nicht arbeitet. Auch müsse es wirksame Sanktionen geben. Beim Thema Schonvermögen spricht sich Söder für genauere Bedingungen aus, die auch etwa die bisherige Arbeitsleistung der Menschen berücksichtigen.
Harte Kritik äußerte Söder auch an SPD-Parteichef Lars Klingbeil. Der hatte der Union vorgeworfen, beim Streit ums Bürgergeld den "Weg von Donald Trump, der Verbreitung von Fake News" einzuschlagen. Klingbeil solle sich rasch entschuldigen, verlangte Söder: "Wir diskutieren über alle Argumente gern, aber bitte nicht mit solchen Klingen, die Herr Klingbeil verwendet, der Name passt ja - Klingbeil, hackt da rum wie ein Beil, das macht ja keinen Sinn."
Kritik auch vom CDU-Generalsekretär
Der Bundestag hatte das neue Bürgergeld erst am Donnerstag verabschiedet. Da die Mehrheitsverhältnisse in der Länderkammer aber anders sind, könnte sich das Verfahren für den Wechsel vom bisherigen Hartz-IV-System damit noch länger hinziehen. Beim Vermittlungsverfahren könne "nur etwas Besseres rauskommen", so Söder.
Auch CDU-Generalsekretär Mario Czaja wiederholte seine Kritik an dem Ampel-Konzept. "Das sogenannte Bürgergeld ist in Wirklichkeit eine Bürger-Blockade: Statt arbeitslosen Menschen vom ersten Tag an bei der Jobsuche zu helfen, schafft die Scholz-Regierung falsche Anreize und schmälert die Motivation."
Grünen-Chef Nouripour: Union hetzt und wird zur "Dagegen-Partei"
Die Ampel-Parteien wiederum schlagen verbal zurück: "Die Union wird zur reinen Dagegen-Partei. Sie hetzt, nutzt falsche Zahlen, wettert gegen eine wichtige Reform", sagte Grünen-Chef Omid Nouripour der "Bild am Sonntag".
Die Co-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, warnte entsprechend vor einer Blockade. Sie appelliere an alle Akteure, diese wichtige Sozialreform konstruktiv kritisch zu begleiten, sagte Haßelmann der Deutschen Presse-Agentur. "Blockade um der Blockade willen, wie sie einzelne Unionspolitiker in den letzten Wochen demonstriert haben, ist weder konstruktiv noch verantwortliche Politik inmitten dieser Krise."
Den Vorwurf, die Unionsländer wollten das Bürgergeld im Bundesrat aus parteipolitischen Gründen blockieren, wies Söder zurück. Er betonte in der ARD, dass die Haltung Bayerns keine Blockade sei, sondern die Wahrnehmung es verfassungsmäßigen Rechts.
SPD-Politikerin: Union hat sich bei Bürgergeld "argumentativ verrannt"
Die SPD rief die Länder noch einmal zur Zustimmung auf. "Die Ministerpräsidenten stehen jetzt vor der Wahl: Entweder sie stehen zu ihrer staatspolitischen Verantwortung und sorgen dafür, dass viele Menschen Sicherheit, neue Chancen und Perspektiven bekommen. Oder sie fahren weiter den Kurs der letzten Wochen und spielen die Schwächsten unserer Gesellschaft gegeneinander aus", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin, Dagmar Schmidt, der Nachrichtenagentur dpa. "Ich fürchte, dass sich Friedrich Merz und die Union argumentativ verrannt haben", meinte sie außerdem.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) forderte die Union auf, ein mögliches schnelles Vermittlungsverfahren zu unterstützen. Sie wünsche sich, "dass in den Verhandlungen Parteitaktik zur Seite gelegt wird und es zu einer Lösung kommt, die für sehr viele Menschen ab Januar in einer schweren Zeit Entlastung bringen könnte", sagte sie der "Rheinischen Post". Wichtig sei Klarheit bis Ende November, damit die Arbeitsagentur noch alles vorbereiten könne, um das Bürgergeld ab Januar auszuzahlen.
Linken-Politiker kritisieren Union ebenfalls
Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow beanstandete das Verhalten von CDU und CSU: "Weil sich die Union als Opposition im Deutschen Bundestag nicht durchsetzen konnte, sollen nun alle Bezieherinnen und Bezieher des Bürgergeldes in Geiselhaft genommen werden. Das ist menschlich schwer erträglich", sagte der Linke-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe der Union in dieser Frage nicht um sachliche Lösungen, sondern um parteipolitisches Ego. Linken-Co-Chefin Janine Wissler sprach gar von "sozialer Kälte".
Bürgergeld: Regelsatz-Erhöhung, mehr Weiterbildung, "Vertrauenszeit"
Die derzeitigen Bürgergeld-Pläne sehen unter anderem eine Erhöhung des Regelsatzes von 449 Euro für Alleinstehende auf 502 Euro vor. Die Reform soll eine Vermittlung der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt erleichtern, unter anderem durch mehr Qualifizierung und Weiterbildung. In einer ersten sechsmonatigen "Vertrauenszeit" sollen Leistungen nur in Ausnahmefällen gekürzt werden.
- Zum Artikel: "Statt Hartz IV: Wie das neue Bürgergeld aussehen soll"
Aktuell ist geplant, dass das Gesetz zum 1. Januar 2023 in Kraft tritt. Kommt ein Vermittlungsausschuss zum Zuge, könnte dieses Datum aber noch stärker wackeln. Dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner, man könne über alles verhandeln. Der FDP-Chef ist demnach offen für Änderungen im Vermittlungsverfahren.
Die Bundesagentur für Arbeit hatte bereits gewarnt, dass eine Auszahlung der Erhöhung zum Jahresbeginn nicht gewährleistet sei, wenn sie nicht bis Ende November Klarheit habe.
Mit Informationen von dpa, Reuters und AFP
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