Die Ampelkoalition ist am Ende: Im Streit um die Wirtschafts- und Haushaltspolitik entlässt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). In einer Stellungnahme vor der Presse sagte Scholz im Kanzleramt, Lindner habe "zu oft mein Vertrauen gebrochen".
Lindner hatte Neuwahlen vorgeschlagen
Zuvor hatte Lindner eine Neuwahl des Bundestags vorgeschlagen. Die Gespräche hätten gezeigt, dass keine ausreichende Gemeinsamkeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik herzustellen sei, zitieren Teilnehmer Lindner. Es sei im Interesse des Landes, schnell Stabilität und Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.
Lindner schlug den Angaben zufolge vor, dass die Ampel-Parteien, wie 2005 gemeinschaftlich, schnellstmöglich Neuwahlen für Anfang 2025 anstreben sollten, um "geordnet und in Würde" eine neue Regierung für Deutschland zu ermöglichen. Die FDP wäre bereit, noch den Nachtragshaushalt 2024 gemeinsam zu beschließen und einer geschäftsführenden Bundesregierung anzugehören.
Scholz: Lindners Verhalten dem Land nicht mehr zuzumuten
"Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert", warf Scholz in seinem Statement dem FDP-Chef vor. "Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert." Es gebe keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. "So ist ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich", sagte Scholz. Ein solches Verhalten wolle der dem Land nicht weiter zumuten.
Der Bundeskanzler will nun die Vertrauensfrage stellen. Der Bundestag solle darüber am 15. Januar abstimmen, sagte Scholz. Bundestagswahlen könnten dann theoretisch Ende März 2025 stattfinden.
Lindner weist Scholz Schuld an Scheitern der "Ampel" zu
Lindner machte dagegen Scholz für das Scheitern der Ampelkoalition verantwortlich. "Olaf Scholz hat leider gezeigt, dass er nicht die Kraft hat, unserem Land einen neuen Aufbruch zu ermöglichen", sagte der von Scholz entlassene Bundesfinanzminister in einem Statement vor der Presse. Linder warf Scholz vor, die Zusammenarbeit mit ihm und der FDP aufgekündigt und damit einen "kalkulierten Bruch dieser Koalition" herbeigeführt zu haben.
Im Video: BR-Korrespondentin Barbara Kostolnik zum Scheitern der Ampelkoalition
"Es gibt keine Kompromissbereitschaft mehr auf beiden Seiten"
Aus Sicht des Hauptstadt-Journalisten Gordon Repinski, Chefredakteur von Politico Deutschland, sind sowohl SPD als auch FDP verantwortlich für das Ampel-Aus. "Es gibt keine Kompromissbereitschaft mehr auf beiden Seiten", sagte er im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers.
Laut Repinski habe Lindner sich nie damit identifizieren können, was für Arten von Kompromissen in der Zusammenarbeit mit SPD und Grünen nötig gewesen wären – und sei insgesamt kein verlässlicher Partner gewesen. "Und ich glaube, dass Olaf Scholz nicht verstanden hat, dass es nicht reicht, einen redlichen Blick auf die Welt zu haben, sondern dass man führen muss."
Das Scheitern der Ampel bezeichnet der Journalist als "verpasste Chance, dass das Land sich bereit macht für neue Mehrheiten und das Anpassen an neue Realitäten." Der aus der Not heraus entstandenen Koalition sei es nicht gelungen, sich der sicherheitspolitischen Ernsthaftigkeit dieser Zeit zu stellen und die richtigen Antworten zu finden.
Auch die Wirtschaftspolitik habe eine entscheidende Rolle gespielt: "Um eine Kleinigkeit wie ein Haushalt hat sich diese Koalition versündigt an der Verantwortung, die sie hätte wahrnehmen sollen für dieses Land. Und das ist ein ganz miserables Zeugnis", so das Fazit des Politik-Experten.
Im Video: Interview mit Gordon Repinski, Chefredakteur von Politico Deutschland
Im Video: Das komplette Statement von Bundeskanzler Scholz
Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters
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