Millionen Patientinnen und Patienten in Deutschland sollen wichtige Gesundheitsdaten wie Befunde und Laborwerte bald standardmäßig in einer elektronischen Akte parat haben. Der Bundesrat machte am Freitag den Weg dafür frei und ließ ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz passieren.
Nach den Plänen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollen alle gesetzlich Versicherten Anfang 2025 E-Patientenakten bekommen – außer, man lehnt es für sich aktiv ab. Profitieren soll auch die Forschung durch Gesundheitsdaten. Das Gesetz regelt außerdem den schon anziehenden Masseneinsatz elektronischer Rezepte.
Digitale Patientenakte ab 2025: "Mehr als ambitioniert"
Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, sagte, die Regelungen stellten die Weichen dafür, dass digitale Lösungen wirklich bei den Menschen ankommen und ihnen auch einen spürbaren Nutzen bieten. "Die elektronische Patientenakte wird nur ein Erfolg und selbstverständlich zum Arztbesuch dazugehören, wenn alle wichtigen Daten dort abgelegt werden." Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) betonten, dass noch viel Information der Versicherten nötig sei. Der Spitzenverband der gesetzlichen Kassen warnte, die Frist bis Anfang 2025 sei "mehr als ambitioniert". Auch die Praxissoftware müsse angepasst werden.
Lauterbach will deutsches Gesundheitswesen digitalisieren
Gesundheitsminister Lauterbach hat deutlich gemacht, dass es um eine Aufholjagd geht, damit das deutsche Gesundheitswesen nach vielen Verzögerungen Anschluss an die Digitalisierung findet. Der Kernpunkt ist, bisher verstreute Behandlungsdaten zusammenzuführen. Das soll Ärztinnen und Ärzten bessere Behandlungen ermöglichen und Mehrfachuntersuchungen sowie unerwünschte Wechselwirkungen von Medikamenten vermeiden. Patientinnen und Patienten sollen so auch selbst einen leichten Einblick bekommen, welche Daten es zu ihnen gibt.
Elektronische Patientenakte für alle
Als wählbares Angebot wurden E-Akten schon 2021 eingeführt, bisher hat aber nur etwa ein Prozent der 74 Millionen gesetzlich Versicherten überhaupt eine. Erklärtes Ziel sind 80 Prozent bis 2025, und die Regierung schwenkt dafür auf das Prinzip "Opt-out" um: Die Kassen sollen breit informieren und bis zum 15. Januar 2025 für alle automatisch eine E-Akte einrichten – es sei denn, man widerspricht. Private Krankenversicherungen können demnach auch E-Akten anbieten.
E-Akte soll per App aufrufbar sein
Abrufbar sein soll die E-Akte mit bestimmten Identifikationsregeln über Apps der Kassen. Was Ärzte und Ärztinnen einstellen und wer worauf zugreifen kann, soll man selbst festlegen können. Zuerst soll eine Medikamenten-Übersicht nutzbar sein, folgen sollen unter anderem Laborbefunde. Bei Kassenwechsel kann man die Daten mitnehmen. Ohne Smartphone soll man die ePA laut Ministerium in ausgewählten Apotheken einsehen können. Ombudsstellen der Kassen sollen Versicherte unterstützen, die die ePA nicht per App verwalten.
Auch Kinder und Jugendliche sollen eine E-Akte bekommen. Einen möglichen Widerspruch erklären würden dann die gesetzlichen Vertreter – also in der Regel Eltern, die die Akte ihrer Kinder zunächst auch verwalten. Spätestens mit 15 Jahren sollten Minderjährige die ePA dann selbstständig nutzen können, erläuterte das Ministerium grundsätzlich.
E-Rezepte bereits seit Januar verfügbar
Schon seit 1. Januar müssen alle Praxen Rezepte standardmäßig digital ausstellen, die auf mehreren Wegen einzulösen sind. Das Gesetz legt dies nun noch einmal ausdrücklich fest. Eigentlich bestand die Pflicht schon ab Anfang 2022, ein Start auf breiter Front verzögerte sich aber auch wegen Technikproblemen. Inzwischen gibt es einen einfacheren Einlöseweg, bei dem man in der Apotheke die Versichertenkarte in ein Lesegerät steckt. Anstelle der rosa Zettel können auch eine spezielle App oder ein ausgedruckter QR-Code genutzt werden.
Knapp 36 Millionen E-Rezepte seither eingelöst
Die E-Rezepte kommen angesichts der verpflichtenden Vorgaben schon stärker in Fahrt. Seit Jahresbeginn wurden knapp 36 Millionen E-Rezepte eingelöst, wie die mehrheitlich bundeseigene Digitalagentur Gematik auf dpa-Anfrage mitteilte. Im Dezember waren es noch 8,8 Millionen. Etwas Druck zum Umstellen ist gesetzlich auch vorgesehen: Machen Praxen nicht mit, können ihnen pauschale Kürzungen bei der Vergütung um ein Prozent drohen.
Mehr Datenforschung notwendig
Vorankommen soll die Forschung auf der Basis von Gesundheitsdaten. Dafür soll ein weiteres Gesetz ermöglichen, an einer zentralen Zugangstelle Daten verschiedener Quellen zu verknüpfen – etwa aus Krebsregistern und von Kassen. Dabei sollen Daten verschlüsselt (pseudonymisiert) werden. Für Daten in E-Akten ist wieder ein "Opt-out" geplant: Sie sollen zunächst eine Einstellung für "Datenspenden" bekommen, die man aber ablehnen kann.
Zukünftig mehr Videosprechstunden und Gesundheitsapps
Ausgebaut werden sollen Angebote der Telemedizin wie Videosprechstunden – das kann auch in ländlichen Regionen Lücken schließen. Dafür sollen Regelungen wegfallen, die den Praxen bisher nur für ein begrenztes Angebot eine Vergütung durch die Kassen sicherten. Ausgeweitet werden soll das Angebot bestimmter Gesundheitsapps, die Patienten auf Rezept bekommen können.
Mit Informationen von dpa
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