Etwa 100 Patientinnen und Patienten kommen pro Tag in die Notaufnahme ins Klinikum Bogenhausen in München. Chefarzt Dr. Christoph Dodt schätzt, dass zehn bis zwanzig von ihnen dort eigentlich nicht hingehören. Weil sie keine akuten Notfälle sind und daher besser in einer Arztpraxis aufgehoben wären. Dodt steht den Plänen des Bundesgesundheitsministers, die Notaufnahmen zu entlasten, grundsätzlich positiv gegenüber.
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Notrufnummer 112 und Nummer des Bereitschaftsdienstes zusammenführen
Das Problem, dass "sehr viele Notfälle in den Krankenhäusern versorgt werden, wo sie eigentlich nicht hingehören", will Karl Lauterbach (SPD) mit seiner Reform angehen – schätzungsweise 25 bis 30 Prozent der Fälle könnten in Praxen versorgt werden, sagt Lauterbach, das seien gar keine Notfälle. Dafür will er unter anderem die bundesweite Notrufnummer 112 und die Nummer des telefonischen kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes 116117 bündeln, zu einem "System kommunizierender Röhren" ausbauen.
Bisher sind beide Nummern völlig unabhängig, die 112 bringt in der Regel den Notarzt, die 116117 kann auch angerufen werden, um einen Termin bei einem Facharzt zu buchen – wenn man denn durchkommt. Wenn diese Vernetzungsvorhaben der unterschiedlichen Nummern gelingen, könnten Patienten besser gesteuert werden, um Ärzte in den Notaufnahmen im Krankenhaus zu entlasten, so Lauterbachs Plan. Beide Nummern sollen jedoch erhalten bleiben.
Lauterbach will Ressourcen und Geld sparen
Lauterbach schwebt bei seiner Reform das "Berliner Modell" vor. Schon jetzt würden in der Bundeshauptstadt 60.000 Menschen im Jahr bei der Hotline 116117 anrufen und könnten per Telefon oder Videocall behandelt werden. Im Idealfall bekommen sie auch gleich ein elektronisches Rezept oder eine elektronische Krankschreibung. Das erspare dem Patienten den Gang zum nächsten Arzt und dem Gesundheitssystem Geld.
Unglaubliches Einsparpotential sieht der Bundesgesundheitsminister durch seine Reform: Doppeluntersuchungen würden hinfällig, Arztbesuche reduziert. Nach Lauterbachs Plänen soll die notdienstliche Akutversorgung bundesweit vereinheitlicht werden. Dafür sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen rund um die Uhr eine telemedizinische Versorgung und Hausbesuche bereitstellen.
Auf die Frage, wie es verhindert werden könne, dass man lange in der Warteschleife hänge, wenn man die 116117 wählt, empfiehlt der Minister, das Angebot auszudehnen, Praxen niedergelassener Ärzte an die Leitstellen anzubinden und, für den digital-affinen Minister besonders wichtig, eben verstärkt Telemedizin.
Notaufnahme und Praxis künftig verbinden
Ein weiterer großer Teil von Lauterbachs Reform: In Krankenhäusern sind integrierte Notfallzentren geplant – bestehend aus einer Notaufnahme und einer kassenärztlichen Praxis. Vor Ort wird entschieden, wer wo weiterbehandelt wird. In der München Klinik Bogenhausen ist das so ähnlich bereits der Fall. Dr. Christoph Dodt hat damit gute Erfahrungen gemacht: "Ich denke, das bringt was. Diese integrierten Notfallzentren sorgen dafür, dass zusätzliches Personal für die Patienten mit niedrigem Gesundheitsrisiko zur Verfügung steht." Das könne man an einigen Standorten und während bestimmter Tageszeiten sehr gut machen. Insbesondere während des Tages. Und besonders gut in einer Stadt wie München. Auf dem Land, wo die Ärztedichte ohnehin nicht so ausgeprägt ist wie im städtischen Raum, sieht es wieder anders aus.
Um schneller an Behandlungstermine zu kommen, sollen daher die Terminservicestellen ausgebaut und verstärkt werden – die zusätzlichen Mittel sollen die gesetzliche Krankenversicherung und die Kassenärztlichen Vereinigungen bereitstellen. Nach dem Willen des Bundesgesundheitsministers soll die Reform Anfang 2025 in Kraft treten.
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