Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender, applaudiert Friedrich Merz (CDU), Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat, im Konrad-Adenauer-Haus nach der Prognose zum Ergebnis der Bundestagswahl. Am Sonntag fand die vorgezogene Wahl zum 21. Deutschen Bundestag statt.
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CSU--Chef Markus Söder applaudiert dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz (CDU) nach der Prognose.

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Bundestagswahl 2025: Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?

Bundestagswahl 2025: Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?

Die Bundestagswahl dürfte Friedrich Merz zum Kanzler machen – und verläuft doch überraschend. Der Wahlsieger kann nicht ganz zufrieden sein. Zwei abgestrafte Ampel-Parteien hoffen, mitzuregieren. Totgesagte feiern, Träume platzen. Eine erste Analyse.

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Es ist ein bisschen verkehrte Welt am Sonntagabend um 18 Uhr, als die Prognosen auf den Bildschirmen erscheinen: zunächst lange Gesichter beim Wahlgewinner, Applaus bei einem der zahlenmäßigen Verlierer. Die Bundestagswahl liefert überraschende Ergebnisse – und erstmal bleibt offen, auf welches Regierungsbündnis Deutschland zusteuert. Die wichtigsten Erkenntnisse des Wahlabends im Überblick.

Enttäuschte Sieger: Union unter 30 Prozent

Ausgelassene Freude will sich bei den Wahlpartys von CDU und CSU nicht einstellen. In der CSU-Landesleitung herrscht anfangs sogar Schweigen. Angesichts der ausgeprägten Wechselstimmung in Deutschland hatte die Union bundesweit über 30 Prozent erwartet. In der CSU war man guten Mutes, bei einer großen Wahl in Bayern nach Jahren wieder mehr als 40 Prozent zu schaffen. Beides gelingt nicht.

Dass die Union im Vergleich zu den historisch schlechten 24,1 Prozent bei der Bundestagswahl 2021 zulegen würde, war absehbar. Mit weniger als 30 Prozent aber verzeichnet sie das zweitschlechteste Bundestagswahlergebnis ihrer Geschichte. Die CSU kann für sich zwar in Anspruch nehmen, größere Gewinne als die CDU erzielt zu haben. Es ist dennoch ihr zweitschlechtestes Resultat seit 1949. Gleichzeitig liegt sie bei den Erststimmen in allen bayerischen Wahlkreisen vorne.

So fährt die Union einen klaren Sieg ein, den sie sich selbst ein wenig schönreden muss. Unisono betonen die Parteichefs Friedrich Merz und Markus Söder den Regierungsauftrag für ihre Parteien. Wichtig für die endgültige Bilanz wird sein, ob es zumindest zu einem Zweierbündnis mit der SPD reicht. Immerhin: Schwarz-Rot ist die einzige Koalition, das in der Nachwahlbefragung von Infratest dimap mehr Menschen gut als schlecht finden (48 zu 40 Prozent).

Merz und Söder: Ändert sich das Kräfteverhältnis?

Am Wahlabend bemühen sich Merz und Söder gleichermaßen, Eintracht zu demonstrieren: Merz dankt Söder und Söder lobt Merz. Und doch gibt es erste Hinweise, dass die CSU in Koalitionsverhandlungen forsch auftreten könnte. Söder weist öffentlich darauf hin, dass seine Partei "überproportional" zum Unionergebnis beigetragen habe. Intern muss Merz Vorwürfe fürchten, als Kanzlerkandidat trotz Wechselstimmung nicht wirklich gezogen zu haben.

Söder hatte vor Monaten versprochen, die CSU werde Merz im Wahlkampf uneingeschränkt unterstützen, damit sich unionsinterne Spannungen wie 2021 nicht wiederholen. "Das haben wir getan", betont der CSU-Chef in der "Berliner Runde". Man darf gespannt sein, ob er sich auch nach der Wahl noch an dieses Versprechen gebunden fühlt. Schon im Wahlkampf verwies Söder mehrfach auf die Eigenständigkeit der CSU und sein eigenes Veto-Recht.

Ampel-Parteien mit (großen) Verlusten

Für alle Ampel-Parteien gibt es bei dieser Bundestagswahl einen Denkzettel. Bei den Grünen fällt das Minus im Vergleich zur Wahl 2021 noch am kleinsten aus – für die erste Prognose gibt es sogar Applaus auf der Wahlparty. Allerdings zeigen die Hochrechnungen im Lauf des Abends klar nach unten. Deutliche Verluste gibt es für SPD und FDP.

Die SPD holt ein Einerseits-Andererseits-Ergebnis. Einerseits schneiden die Sozialdemokraten historisch schwach ab. Noch-Kanzler Olaf Scholz räumt schnell seine Niederlage ein und gratuliert Merz. Die politische Karriere von Scholz steht vor dem Ende, Parteichef Lars Klingbeil spricht bereits von einem Generationenwechsel. Andererseits sieht alles danach aus, als bleibe die SPD in der Bundesregierung – und das als naheliegendster Juniorpartner der Union mit einer guten Verhandlungsposition.

Die FDP fällt tief – von einer Regierungspartei zur außerparlamentarischen Opposition. FDP-Chef Christian Lindner kündigt noch am Abend seinen Rückzug an. Er hinterlässt eine Mischung aus Trotz und Optimismus: "So oder so: Ab Morgen wird die Fahne der Freien Demokraten wieder aufgerichtet."

AfD sieht sich als neue Volkspartei – Jüdische Vertreter schockiert

Jubel gibt es bei der AfD, die sich als neue Nummer zwei in Deutschland selbst zu einer neuen Volkspartei erklärt. Besonders im Osten schneidet die Partei stark ab. Mitregieren wird sie zwar nicht, da alle anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen. Sie wird im neuen Bundestag aber erstmals stärkste Oppositionsfraktion sein.

Die starken Zugewinne der AfD im Vergleich zu 2021 sorgen besonders bei den jüdischen Gemeinden für Entsetzen. "Es muss uns alle umtreiben, dass ein Fünftel der deutschen Wähler einer mindestens in Teilen rechtsextremistischen Partei ihre Stimme gibt", beklagt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, betont mit Blick auf das AfD-Ergebnis: "Deutschland ist ab heute ein anderes Land."

Beste Laune bei den Linken: Gysi und Reichinnek hochzufrieden

Wer vor einigen Monaten vorhergesagt hätte, dass der Wahlabend bei der Linken zum Freudenfest wird, hätte für Gelächter gesorgt. Umfragen wie der ARD-DeutschlandTrend sahen die Partei lange abgeschlagen unter fünf Prozent. Und jetzt das: Die Partei schafft es locker ins Parlament. Bei den Erstwählern liegt sie sogar vorne, in Berlin gewinnt die Linke vier Wahlkreise.

Woher kommt der Erfolg? Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek punktete vor allem in den sozialen Netzwerken, für Aufsehen sorgten ihre Wortmeldungen gegen Rechts im Bundestag. Der Aufschwung der Linken fällt zeitlich zusammen mit der Abstimmung über den Unions-Antrag zur Migrationspolitik, die dank der AfD eine Mehrheit erreichte. Linken-Ikone Gysi, der mit 77 Jahren ein weiteres Mal in den Bundestag einzieht, erklärt: Seine Partei sei "so lebendig wie schon lange nicht mehr".

BSW muss zittern – Freie Wähler ohne Chance

Noch vor wenigen Monaten hatte es so ausgesehen, als würde das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in den Bundestag einziehen – und das wohl auf Kosten der Linken. Am Wahlabend aber ist es das BSW, das bis tief in die Nacht zittern muss. Wagenknecht selbst bleibt eher im Hintergrund und kommt auch nicht in die "Berliner Runde" bei ARD und ZDF.

Zu den Verlierern zählen die Freien Wähler von Hubert Aiwanger. Bei den Zweitstimmen liegen sie bundesweit in der Prognose bei 1,2 Prozent. Auch Aiwangers Plan, über drei gewonnene Wahlkreise doch in den Bundestag zu kommen, scheitert krachend.

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Großer Jubel bei der Linken
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