Es wurde ein langer Wahlabend, an dem nicht nur FDP und BSW, die lange auf einen Einzug in den Bundestag hofften, gebannt auf die nächste Hochrechnung geschielt haben dürften. Eine große Frage des Abends war, wie kompliziert es wird, eine künftige Regierung zu bilden.
Union und SPD hätten Mehrheit auch ohne dritten Partner
Da es laut vorläufigem Endergebnis weder FDP noch BSW die Fünf-Prozent-Hürde geschafft haben, könnte es für ein von der Union erhofftes Zweierbündnis ausreichen. Das BSW verpasst den Einzug hauchdünn mit 4,972 Prozent. Eine Regierungsmehrheit aus CDU/CSU und SPD wäre, Stand jetzt, möglich. Das lässt zumindest die Hoffnung zu, dass die Koalitionsverhandlungen weniger kompliziert werden könnten, als wenn ein dritter Partner nötig geworden wäre.
Dafür wären vor allem die Grünen infrage gekommen. Wie wenig Begeisterung diese Vorstellung gerade bei der CSU ausgelöst hat, machte Parteichef Markus Söder am Abend nochmal deutlich. Er glaubte in der Berliner Runde nicht, dass "mit den Grünen ein Richtungswechsel zu organisieren ist", bezeichnete deren Wahlkampf als "irrlichternd".
SPD-Chef Klingbeil zu Regierungsbildung: Ball liegt bei Merz
Ob es aber zu einer Regierung mit sozialdemokratischer Beteiligung kommt, da sieht SPD-Chef Lars Klingbeil den Ball bei Friedrich Merz. Die SPD sei verantwortungsbereit. "Aber Verantwortung kann die SPD auch in der Opposition tragen" oder in der Regierung, sagt Klingbeil in den Tagesthemen. Da die Union eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen hat und die anderen Parteien, einschließlich der SPD, im Wahlkampf eindringlich vor so einem Bündnis gewarnt haben – bleibt schwarz-rot die einzige rechnerisch mögliche Mehrheit.
Aber auch eine mögliche Regierungsmehrheit von CDU/CSU und SPD ist alles andere als komfortabel. 316 Sitze sind nötig, schwarz-rot hätte zusammen 328. Das liegt zum einen am historisch schlechten Ergebnis der SPD von 16,4 Prozent. Aber auch die Union ist mit 28,5 Prozent hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben.
Merz fehlte es an Zugkraft als Kanzlerkandidat
Vor der Wahl hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ein Ziel von deutlich mehr als 30 Prozent ausgegeben. Nur dann ließe sich der notwendige Politikwechsel gestalten. Die CSU schneidet in Bayern mit 37,2 Prozent zwar deutlich besser ab, liegt aber unter der von etlichen CSU-Politikern erhofften 40-Prozent-Marke.
Laut den Wahlforschern von Infratest Dimap sind mit seiner Arbeit 35 Prozent der Befragten zufrieden. Damit führt Merz bei den Beliebtheitswerten zwar das Kandidatenfeld an, insgesamt liegen all deren Werte aber auf einem sehr niedrigen Niveau. Begeisterung für einen der Kandidaten lässt sich daraus nicht ablesen. Dazu kommt, dass die Union, die lange regiert hat, von nicht wenigen Menschen für die Probleme im Land mitverantwortlich gemacht wird, gerade beim Thema Asyl.
SPD kann bei ihren Kernthemen wenig punkten
Das SPD-Ergebnis bezeichnete Noch-Kanzler Olaf Scholz als "sehr bitter". Die Hoffnung der SPD mit Scholz eine Aufholjagd hinlegen zu können wie bei der letzten Bundestagswahl, ist nicht aufgegangen.
Laut Infratest-Dimap zeigen sich nur 26 Prozent der Befragten mit Scholz´ Arbeit zufrieden. Ein historisch schlechter Wert für einen Kanzlerkandidaten der SPD. Aber auch bei ihren Kernthemen soziale Gerechtigkeit konnte die SPD nicht punkten. Nur noch 26 Prozent halten sie dort für kompetent, ein Minus von 14 Prozent im Vergleich zur letzten Bundestagswahl.
Stimmung: Viele Menschen sind beunruhigt
Insgesamt war die Wahl geprägt von einer Stimmung im Land, die so schlecht ist, wie seit Jahrzehnten nicht. Laut Infratest Dimap betrachten nur 17 Prozent die Verhältnisse in Deutschland mit Zuversicht, 83 Prozent sind beunruhigt. Zunehmend mehr Menschen scheinen sich von den Parteien der Mitte nicht mitgenommen zu fühlen.
Die politischen Ränder sind nach dieser Wahl gestärkt. Die AfD konnte mit 20,8 Prozent ihr vorheriges Ergebnis verdoppeln. Die Linke erlebt mit 8,77 Prozent ein Überraschungscomeback. Auch das macht eine Regierungsbildung in der Mitte schwieriger.
Nach einem kurzen, aber intensiven und streckenweise im scharfen, rauen Ton geführten Wahlkampf müssen jetzt Gemeinsamkeiten, Kompromisse und eine Regierungsmehrheit gefunden werden. CDU-Chef Friedrich Merz hofft, dass eine Regierung bis Ostern steht. "Mein Wunsch wäre, dass uns das gelingt", sagte er in der Berliner Runde.
Im Audio: Alle Zeichen stehen auf Groko - die Analyse
Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD)
Weitere Hintergrund- und Service-Artikel zur Bundestagswahl 2025
- Zur Analyse: Bundestagswahl - Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?
- Zur Analyse: Erstwähler wählen links, Arbeiter die AfD
- Zu den Grafiken: Alle Zahlen auf einen Blick
- Zur Grafik: Die Ergebnisse in Bayerns Wahlkreisen
- Zum Koalitionsrechner: Welche Koalitionen sind jetzt möglich?
- Zum Überblick: So geht es nach der Bundestagswahl weiter
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!