Zum fünften Mal hat der IGeL-Monitor gesetzlich Versicherte zu Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) in Arztpraxen befragt. IGeL sind Leistungen, die die Krankenkassen nicht bezahlen. Ein Ergebnis der Umfrage: Patienten bekommen viele dieser IGeL angeboten, obwohl sie meisten nichts nützen und manche sogar schaden. Mindestens 2,4 Milliarden Euro haben Arztpraxen in Deutschland im Jahr mit IGeL verdient.
56 Individuelle Gesundheitsleistungen haben sich die Expertinnen und Experten des medizinischen Dienstes für den aktuellen Report angeschaut. Ihre Bilanz: ernüchternd. Das sagt Stefan Gronemeyer vom Medizinischen Dienst Bund, der seit Jahren den IGeL-Report herausgibt. Von den untersuchten Leistungen schnitten 30 mit "negativ" oder "tendenziell negativ" ab, bei 23 weiteren Bewertungen sei das Ergebnis unklar. Nur drei Leistungen würden "tendenziell positiv" bewertet, keine einzige mit "positiv". Für Gronemeyer ist klar: "Medizinisch notwendig sind diese Leistungen nie. Auch wenn hin und wieder das Gegenteil behauptet wird."
"IGeL-Top-Seller": Ultraschall-Untersuchungen
Weit vorn bei den überflüssigen Untersuchungen: die Augeninnendruck-Messung oder die Vitamin-D-Bestimmung. Mit Sorge sehen die Wissenschaftler vom Medizinischen Dienst, dass bei den Frauen der Ultraschall der Eierstöcke und der Ultraschall der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung am meisten nachgefragt werden. Zumal beide IGeL mit "tendenziell negativ" bzw. "negativ" bewertet würden.
Denn selbst wenn die Vorsorge-Untersuchungen per se nicht negativ sind, ziehen sie doch oft weitere Untersuchungen oder sogar Operationen nach sich – wie etwa bei der Abklärung von Eierstock-Krebs. Da sei es häufig so, erklärt Gronemeyer, dass es sich am Ende nur sicher feststellen ließe, indem die Eierstöcke entfernt würden.
Das sei eine sehr schwerwiegende Konsequenz dieser Untersuchung, wenn sich am Ende zeige: Die Eierstöcke wurden entfernt, aber es war ein unnötiger Eingriff, weil kein Krebs gefunden wurde. Todesfälle würden durch IGeL weder verhütet noch verhindert, mahnt Gronemeyer. Er appelliert an Ärztinnen und Ärzte, mit der Unsicherheit von Patientinnen und Patienten kein Geschäft zu machen.
Besonders hohe IGeL-Nachfrage im Süden Deutschlands
Besonders gut floriert das Geschäft mit IGeL im Süden der Republik. Laut Monitor werden dort 37 Prozent der Leistungen in Anspruch genommen, im Osten sind es nur 26 Prozent. Frauen "IGeLn" häufiger als Männer. Mit zunehmendem Alter steigt die Tendenz der Kassenpatienten, privates Geld für die IGeL auszugeben. Auch wer mehr verdient, neigt dazu, mehr dieser Leistungen in Anspruch zu nehmen.
Was in der Studie ebenfalls herauskam: wie wenig viele Patientinnen und Patienten über IGeL wissen. Nur jeder vierte Versicherte gab an, über ausreichendes Wissen zu verfügen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können, für oder gegen diese IGeL, beschreibt es der Verfasser des Reports, Jonas Schreyögg, von der Universität Hamburg.
Medizinischer Dienst: "Schädliche IGeL vom Markt nehmen"
Ohne umfassende Aufklärung, die eigentlich gesetzlich vorgeschrieben ist, können Versicherte keine Entscheidung treffen. Daher verlangt Gronemeyer, dass zumindest eindeutig schädliche IGeL vom Markt verschwinden müssten. Dass die IGeL-Frage politisch eingehegt werden könnte, darauf vertraut der medizinische Dienst nicht mehr. Die von der Ampel angekündigte Reform des Patientenrechtegesetzes hätte dazu beitragen können, die Rechte der Patientinnen und Patienten beim Verkauf von IGeL zu stärken. Gronemeyer bedauert, dass dies wohl bis auf Weiteres nicht kommen wird.
Wer sich genauer über IGeL, welche Leistungen sich lohnen und welche nicht, informieren möchte, kann im Internet die Seite www.igel-monitor.de [externer Link] konsultieren. Dort steht auch, welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen bei Symptomen übernommen werden.
Für den IGeL-Report 2024 wurden im Auftrag des Medizinischen Dienstes Bund 2.013 Versicherte im Alter zwischen 18 und 80 Jahren vom Marktforschungsinstitut forsa befragt.
Im Video: IGeL-Leistungen – Oft unnötig?
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