Wer die 94-jährige Holocaust-Überlebende Eva Erben in ihrem Haus in Aschkelon, im Süden Israels, besucht, bekommt erst mal ihre Gastfreundschaft zu spüren. Sofort bietet sie einen "kaiserlich-königlichen Gugelhupf" an. Für sie ist der Kuchen auch ein Stück Kindheitserinnerung, die noch von der Habsburger Monarchie geprägt war.
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Geboren 1930 in Tetschen in der damaligen Tschechoslowakei, wächst sie zweisprachig auf: Tschechisch und Deutsch. Ihre Kindheit ist behütet. Die Familie wohnt in einer Villa. Der Vater war Chemiker und besitzt eine Gummifabrik. Musik spielt im Elternhaus eine große Rolle. Sie sei mit Mozart und Schumann eingeschlafen. "Bei uns war eine Atmosphäre von schönem Leben und nicht Politik. Und kein Hass", erinnert sich Erben.
Doch die glückliche Kindheit währte nicht lange. Als Eva Erben neun Jahre alt ist, wird jüdischen Kinder der Schulbesuch verboten. Mit elf Jahren wird das Mädchen mit ihrer Familie nach Theresienstadt deportiert, mit 14 Jahren ins KZ Auschwitz-Birkenau. Die Familie wird getrennt. Im Winter 1945 müssen Eva Erben und ihre Mutter zu Fuß zum KZ-Außenlager Helmbrechts nach Bayern aufbrechen.
Jeden Tag 25, 30 Kilometer
Es war ein Todesmarsch, erzählt die 94-Jährige. "Jeden Tag 25, 30 Kilometer. Kalt war der Winter. Wer sich hingesetzt hat, wurde sofort erschossen." Manchmal hätten sie die Nächte auch im Freien verbringen müssen. "In den Nächten hat mir Mama erzählt, was wir machen werden, wenn wir zurückkommen. Was wir kaufen, was wir kochen, was wir machen werden. Also sie hat mich total von der schrecklichen Wirklichkeit herausgenommen." Doch Evas Mutter überlebt den Todesmarsch nicht. Evas Vater stirbt im KZ-Außenlager Kaufering an Typhus. "Dass ich das überlebt habe, kann ich heute nicht verstehen", sagt sie.
Eva kann während des Todesmarsches entkommen. Vollkommen entkräftet irrt die 15-Jährige in den Wäldern umher. Als sie sich einem Dorf nähert, wird sie fast von einem deutschen Soldaten erschossen. Sie habe schon das Klicken des Gewehres gehört. "Und auf einmal kommt ein zweiter junger Mann heraus." Dieser sagte: "Lass sie gehen, sie krepiert von alleine, schade um die Kugel." Doch Eva überlebt.
In einem Dorf verstecken sie tschechische Bauern bis zum Kriegsende. Sie kommt in ein Waisenhaus, wird Krankenschwester und lernt die Liebe ihres Lebens kennen, ihren späteren Mann Peter. Auch er ist Holocaust-Überlebender. Mit ihm wandert sie 1949 nach Israel aus. "Mein Mann, der hatte gesagt: die vier Jahre, die man uns gestohlen hat, und uns alles genommen hat, werden wir begraben und ein neues Leben anfangen in Israel."
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Eva Erben spricht vor Schulklassen
Eva Erben bekommt drei Kinder. Bis sie ihre Geschichte erzählt, dauert es allerdings Jahrzehnte. Dann ist sie immer wieder auch in Deutschland, spricht vor Schulklassen. Versöhnung ist ihr wichtig. Die Terrorattacke der Hamas am 7. Oktober 2023 macht sie noch immer fassungslos. Den Hass zwischen den Religionen kann sie nicht nachvollziehen. In Eva Erbens großem Bücherregal stehen Koran und Bibel direkt nebeneinander. "So sollen die Religionen beisammen sein, ganz normal", betont sie. Ihre Lebensfreude hat Eva Erben trotz ihres schweren Schicksals nicht verloren. "Jeder wird zum Schluss sterben, aber bevor er stirbt, soll er leben – und leben lassen."
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