Demokratie ist das Thema der Vorlesung der Ukrainischen Freien Universität in der Nähe von Schloss Nymphenburg in München. Die Studierenden schreiben fleißig mit, tippen auf ihren Laptops. Die Unterrichtssprache ist gerade Ukrainisch, aber auch immer wieder Englisch oder Deutsch. Viele der Studierenden sind mit Kriegsbeginn vor drei Jahren nach Bayern gekommen. Dementsprechend wühlt sie der Jahrestag des Angriffs Russland auf die Ukraine auf.
Der Tag, als der Krieg ausbrach, ist noch sehr präsent
Studentin Roksolana Kovbel zeigt die Bilder von diesem Tag auf ihrem Handy und erzählt: "Ganz früh sind wir aufgewacht. Es war einfach plötzlich Krieg, Raketen. Seit diesem Tag ist mein Leben, das meiner Familie ein anderes."
Student Yurii Boiko war am 24. Februar 2022 zufällig in Polen. Der Kriegsausbruch hat ihn und seine Angehörigen komplett überrascht. Doch während er sich in Sicherheit wähnen konnte, musste er um Familie und Freunde in der Heimat bangen. Dieses Gefühl begleitet ihn bis heute. Es sei seltsam, erklärt er, dass er hier in München in Sicherheit lebe, ohne Gefahr. "Aber die Ukrainer, die in der Heimat sind, die dort leben, haben das alles nicht. Die haben einfach keinen Platz mehr, an dem sie sich sicher fühlen können."
Leben in Bayern: Deutschkurse seien das Wichtigste
Die ukrainische Uni in München bedeutet für die Studierenden nach der schwierigen Flucht ein wenig Heimat. Sie unterstützen sich gegenseitig. Neben den Vorlesungen zu Politik und Wirtschaft werden sie hier auch auf ihr neues Leben in Bayern vorbereitet. Die Sprachkurse waren für Studentin Olena Dubenets kurz nach der Flucht das Wichtigste.
Deutsch sei eine schwierige Sprache, aber sie habe so viel gelernt wie möglich: "Als ich nach Deutschland kam, konnte ich nicht einmal das Wort Danke sagen. Jetzt habe ich das Sprachniveau B2 und besuche Tanzkurse. Das alles habe ich Deutschland zu verdanken." Besonders stolz ist Dubenets darauf, dass sie seit August vergangenen Jahres kein Bürgergeld mehr bezieht. "Ich arbeite jetzt als Selbstständige als Social-Media-Managerin. Ich arbeite und zahle jetzt Steuern." Das sei ihr sehr wichtig.
Ständige Begleiter: Angst um ihre Heimat und Trauer um die Opfer
Mehr als 180.000 Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit waren laut bayerischen Behörden zum Jahresende 2023 in Bayern. Nach drei Jahren Krieg ist die Sorge um ihre Heimat bei vielen von ihnen groß. Sie stellen sich viele Fragen: Wie geht es den Ukrainern im Land mit dem Dauerstress bei ständigen Raketen- und Drohnenangriffen? Gibt es gerade wieder keinen Strom wegen russischer Attacken auf die Energieinfrastruktur? Und natürlich trauern alle um die Opfer, die der Krieg bereits gefordert hat.
Ukrainischer Generalkonsul in München: "Kein Frieden um jeden Preis"
Wie es weitergehen soll, beschäftigt auch den Generalkonsul der Ukraine in München, Yurii Nykytiuk. Einerseits sei die Stimmung im Keller, erzählt er. Anderseits seien sie Kämpfer. Die Ukraine kämpft. "Keiner sagt, dass es jetzt Frieden um jeden Preis geben soll. Für uns ist es wichtig, dass letztendlich unsere Souveränität, unsere territoriale Integrität gewahrt wird."
Er blickt mit Skepsis auf die bevorstehenden Verhandlungen, fordert eine Beteiligung der Ukraine, um einen fairen und langfristigen Frieden zu verhandeln. Deshalb sei die Rolle und die Führung Europas so wichtig im Hinblick auf Sicherheitsgarantieren. "Europa muss nach der Münchner Sicherheitskonferenz selbst für seine Sicherheit sorgen und wir verstehen die Ukraine als Teil von Europa."
Generalkonsul der Ukraine: Bayern für Wiederaufbau wichtig
Auch wenn der weitere Verlauf der Verhandlungen durch zahlreiche Unwägbarkeiten kaum vorherzusehen sei, so der ukrainische Generalkonsul Yurii Nykytiuk: "Ein Frieden bis zum Ende dieses Jahres ist vorstellbar." Und: Für eine Zeit des Wiederaufbaus spiele Bayern als wirtschaftlich starkes Bundesland eine große Rolle, erklärt Nykytiuk. Dafür gebe es einige Instrumente für die Zusammenarbeit von Ukraine und Bayern, wie die Ständige Bayerisch-Ukrainische Arbeitskommission. "Wir haben schon Gespräche mit der Staatskanzlei geführt, wie wir dieses Gremium künftig mit noch mehr Leben füllen können."
Mit Sorge, Anspannung, aber auch mit ein bisschen Hoffnung blicken die Ukrainerinnen und Ukrainer in Bayern an dem dritten Jahrestag des Kriegsbeginns in ihrer Heimat auf die kommenden Monate.
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