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Verwendet Trump die Propaganda Putins? Eine Gegenüberstellung

Verwendet Trump die Propaganda Putins? Eine Gegenüberstellung

US-Präsident Trump hat dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj vorgeworfen, "ein Diktator" zu sein, keine Legitimation mehr zu besitzen und den Krieg begonnen zu haben. Das entspricht fast wortgleich der Propaganda Putins – und dessen Zielen.

Kurz vor Weihnachten, wie jedes Jahr, saß Wladimir Putin am 19. Dezember 2024 in der landesweit übertragenen Live-Sendung "Die direkte Leitung" und breitete seine Sicht der Dinge vor seinen Landsleuten aus: Mit der Ukraine würde er reden, aber nicht mit deren Staatsoberhaupt, sondern nur mit dem ukrainischen Parlament.

Die Begründung Putins, der im März 2024 eine fünfte Amtszeit als Präsident besiegelt hatte, da kein ernsthafter Oppositionskandidat zugelassen und der wichtigste Putin-Gegner Alexej Nawalny einen Monat zuvor im Gefängnis am Polarkreis ums Leben gekommen war: Er, Putin, betrachte Wolodymyr Selenskyj nicht mehr als legitimes Staatsoberhaupt, weil die Präsidentschaftswahlen 2024 verschoben worden waren.

Falsche Lesart der ukrainischen Verfassung

Daher könne es keine echten Gespräche geben, da die Ukraine keine Neuwahlen abhalten werde, bevor der Krieg zu Ende sei. Nüchtern stellte das renommierte Institute for the Study of War (ISW), das seit der russischen Invasion das Kriegsgeschehen in der Ukraine detailliert verfolgt, nach Putins Auftritt im russischen Fernsehen fest: "Putin behauptete fälschlicherweise, dass Selenskyj der unrechtmäßige Präsident der Ukraine sei und dass jedes Regierungsorgan, das unter seiner Präsidentschaft gebildet wurde, ebenfalls unrechtmäßig sei."

Das ISW habe "bereits früher beobachtet, dass Kremlbeamte eine falsche Lesart der ukrainischen Verfassung und des ukrainischen Rechts verwenden, um die Regierung und Souveränität der Ukraine zu delegitimieren." Die ukrainische Verfassung sieht mit Blick auf die Wahlen unter anderem vor, dass während der Zeit, in der das Kriegsrecht wegen des russischen Angriffskriegs herrscht, Wahlen nicht durchgeführt werden können.

Im Video: Kanzler Scholz betont: Selenskyj demokratisch gewählt

Kanzler Scholz betont: Selenskyj demokratisch gewählt
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Kanzler Scholz betont: Selenskyj demokratisch gewählt

Trumps Aussagen über Selenskyj

Auf seiner Plattform Truth Social sowie vor Journalisten auf seinem Anwesen Mar-a-Lago richtete der US-Präsident binnen weniger Stunden eine ganze Serie von Anschuldigungen an die Adresse Selenskyjs: Der ukrainische Präsident hätte "den Krieg erst gar nicht anfangen" sollen, und unterstellte damit der Ukraine, nicht Putins Invasionsarmee sei für den verheerenden Krieg verantwortlich, sondern eben Selenskyj.

Kurz darauf legte Trump nach: Selenskyj sei nicht ein Verteidiger der Demokratie, sondern ihr Feind: "Er weigert sich, Wahlen abzuhalten, liegt in den ukrainischen Umfragen sehr weit hinten und das Einzige, was er gut kann, ist, mit Biden 'wie eine Geige' zu spielen". Selenskyjs Zustimmungsrate liege bei vier Prozent. Tatsächlich bewegt sich die Zustimmungsrate des ukrainischen Präsidenten in den letzten Umfragen bei etwa 50 Prozent und damit um zwei Prozentpunkte über der des US-Präsidenten.

Gleichklang bis in die Formulierungen

Auf Truth Social fand der US-Präsident für seinen ukrainischen Amtskollegen abwertende und falsche Aussagen: Selenskyj sei "ein Diktator ohne Wahlen", der sich "besser schnell bewegen sollte oder er wird kein Land mehr haben." Wortgleich mit den Behauptungen, die Putin im Dezember 2024 vor dem russischen Fernseh-Publikum verbreitet hatte, wies Trump den ukrainischen Präsidenten mit dem gleichen Argument zurück: Wenn die Ukraine einen "Platz am Tisch" wolle, "müsste das ukrainische Volk nicht sagen, dass es lange her ist, dass wir eine Wahl hatten?"

Den Vorwurf Selenskyjs, wonach Trump in einer russischen "Desinformations-Blase" lebe und das Narrativ der Kreml übernommen habe, ließ der US-Präsident nicht gelten: "Das ist keine Russland-Sache. Das ist etwas, das von mir kommt und von vielen anderen Ländern."

Putins strategische Ziele

Wenige Wochen vor der Großinvasion der russischen Streitkräfte legte Putin der damaligen US-Regierung unter Präsident Joe Biden einen "Vertrag über Sicherheitsgarantien" zwischen den beiden Ländern vor, in dem die langfristigen strategischen Ziele Moskaus niedergelegt wurden. In dem Dokument vom 17. Dezember 2021 verlangte der russische Präsident nichts weniger als den Rückzug der Nato aus den "Staaten der ehemaligen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken". Die USA sollten sich verpflichten, "eine weitere Osterweiterung der Nato" zu verhindern und den Staaten, die bis zum Zerfall der UdSSR 1991 zur Sowjetunion gehört hatten, "den Beitritt zum Bündnis zu verweigern."

Wo Biden widersprach, stimmt Trump zu

US-Präsident Biden wies damals den russischen Vorstoß entschieden zurück. Jedes unabhängige Land könne über sein eigenes politisches Schicksal bestimmen. Unter US-Präsident Trump kommt der Kreml-Chef seinen Zielen deutlich näher: Eine künftige Nato-Mitgliedschaft der Ukraine wurde von Trump noch vor dem ersten amerikanisch-russischen Treffen in Riad am Dienstag dieser Woche vom Verhandlungstisch genommen. Auch beteiligte sich Trump an der Delegitimierung des ukrainischen Staatspräsidenten und teilte damit das russische Motiv, Selenskyj als angeblich nicht mehr entscheidungsbefugten Präsidenten zu diskreditieren.

Warme Worte aus Moskau nach Washington

Der russische Ex-Präsident Dmitri A. Medwedew zollte Trump in den sozialen Netzwerken uneingeschränkt Lob. Medwedew zitierte die Äußerungen Trumps, wonach Selenskyj "ein Diktator ohne Wahlen" sei: "Wenn Sie mir noch vor drei Monaten gesagt hätten, dass dies die Worte des US-Präsidenten sind, hätte ich laut gelacht", schrieb der ehemalige russische Präsident. Trump habe mit seinen Bemerkungen über Selenskyj "zu 200 Prozent recht. Ein bankrotter Clown."

Im Audio: Trump und das russische Narrativ

Der Post von US-Präsident Donald Trump auf seiner Online-Plattform "Truth Social" gegen den ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj - im Hintergrund Selenskyj selbst.
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Die Äußerungen von US-Präsident Trump über seinen ukrainischen Amtskollegen Selenskyj haben international kritische Reaktionen ausgelöst.

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