Im November 2023 trafen sich in einem Hotel in Potsdam Vertreter von AfD, der sogenannten Werteunion sowie rechtsradikale Unternehmer. Auch der Österreicher Martin Sellner war dabei. Er ist Vordenker der Identitären Bewegung, die in Deutschland als gesichert rechtsextremistisch gilt. In Potsdam spielte er eine prägende Rolle: Sellners Auftritt dort stand bereits in der Einladung. Sein Thema: Überlegungen, wie mit Gesetzen Druck auf Menschen mit Migrationshintergrund ausgeübt werden kann, damit diese das Land verlassen.
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Investigativ-Medium "Correctiv" macht das Treffen öffentlich
Sellner unterteile demnach Menschen mit Migrationshintergrund in drei Gruppen. In Asylbewerber, Menschen mit Duldungsstatus und "nicht-assimilierte" Staatsbürger. Im Kern gehe es Sellner um sein Konzept der "Remigration", erzählt Justus von Daniels, Chefredakteur von "Correctiv", eben jenem gemeinnützigen Medium, das das Treffen aufdeckte. In Potsdam habe es auch Überlegungen gegeben, für den Fall, dass die AfD an die Macht komme.
Vielerorts protestieren Hunderttausende
Nicht lange nach der Veröffentlichung kommt es zu Protesten. Der öffentliche Aufschrei im Januar 2024 ist groß. Kritik gibt es vor allem an Vertretern der AfD und an den Plänen, die auf dem Potsdamer Treffen besprochen worden.
Auch in München folgten am 21. Januar 2024 mindestens 200.000 Menschen dem Aufruf eines breiten Bündnisses. Micky Wenngatz, SPD-Stadträtin in München, war eine Mitorganisatorin der Demonstration. Eigentlich hätte ein Aufzug stattfinden sollen. Die Auftaktkundgebung wurde allerdings bereits nach kurzer Zeit aus Sicherheitsgründen abgebrochen – es war zu voll. Ähnliche Bilder gab es auch aus anderen Städten wie Berlin und Hamburg. In ganz Deutschland gingen Hunderttausende auf die Straße gegen Rechts und gegen die AfD.
Auswirkungen auf Umfragewerte
So groß die Proteste auch waren, auf die Umfragewerte der AfD haben sie offenbar geringen Einfluss. Vor dem Potsdam-Treffen lag die Partei in Umfragen von infratest-dimap bundesweit bei über 20 Prozent. Ein Jahr später liegt sie nur wenig darunter. Bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst 2024 fährt sie große Erfolge ein. In Thüringen wird sie unter Spitzenkandidat Björn Höcke sogar stärkste Kraft. Und im nächsten Bundestag könnte die AfD so stark vertreten sein wie noch nie. Was haben die Proteste also bewirkt?
Kein Einfluss der Proteste auf die AfD
Lars Rensmann ist nicht überrascht, dass die AfD von solchen Skandalen unberührt bleibt. Denn in solchen Fällen sehe sich die Partei nicht als Akteur, sondern als Opfer einer inszenierten Kampagne, sagt der Politik-Professor von der Universität Passau. Der Opfermythos verfange dann auch bei einem relevanten Teil der Wählerschaft. Dieses Phänomen beobachtet er bei vielen rechtspopulistischen Parteien.
Micky Wenngatz, die die Münchner Demonstration mitorganisierte, findet dagegen, die Proteste haben durchaus Wirkung gezeigt. Für sie sei es vor allem ein deutliches und sichtbares Zeichen gewesen, dass so viele Menschen gegen Rassismus auf die Straße gingen. Sie übt allerdings auch Kritik an der aktuellen Asylpolitik der anderen Parteien, die unter dem Eindruck der Wahlerfolge der AfD selbst nach rechts rücken würden. Dies stehe für sie im Gegensatz zu dem Anliegen der Proteste.
Gemischtes Fazit
Die Antwort auf die Frage, ob die Proteste etwas verändert haben, fällt auch ein Jahr später nicht eindeutig aus. Die AfD selbst zeigt sich unbeeindruckt von den Vorwürfen. Politik und Gesellschaft sind ein wenig sensibler geworden, auch weil die Verbindungen von Rechtsextremen und der AfD durch das Potsdamer Treffen dokumentiert sind. Auf die Umfragewerte der Partei hat sich das allerdings nicht ausgewirkt.
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