Der dramatische Gletscherschwund hat Experten zufolge erhebliche Auswirkungen auf das künftige Leben der Menschen auf der Erde. Mit den Eismassen gehen erhebliche Mengen Süßwasser verloren, auf das Millionen Erdbewohner weltweit angewiesen sind: zum Trinken, für die Landwirtschaft und die Industrie, wie die Weltwetterorganisation (WMO) zum ersten Welttag der Gletscher am 21. März mitteilte.
In den 48 Jahren seit 1976 haben die Gletscher weltweit knapp 9.200 Gigatonnen Eis verloren, hieß es vom Welt-Gletscher-Beobachtungsdienst (WGMS) der Universität Zürich. Das entspreche einem 25 Meter dicken Eisblock von der Größe Deutschlands, sagte WGMS-Direktor Michael Zemp. Eine Gigatonne entspricht einer Milliarde Tonnen.
"Eine Frage des Überlebens"
Die Schmelze seit dem Jahr 2000 habe den Meeresspiegel um 18 Millimeter erhöht, berichtete die WMO. "Jeder Millimeter bedeutet, dass 200.000 bis 300.000 Menschen mehr dem Risiko von Überflutungen ausgesetzt sind", sagte Zemp.
Zusammen mit den Eisschilden der Antarktis und Grönlands halten Gletscher 70 Prozent der lebenswichtigen globalen Süßwasserressourcen, so die WMO. "Die Erhaltung der Gletscher ist nicht nur eine ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Notwendigkeit. Es ist eine Frage des Überlebens", betonte WMO-Generalsekretärin Celeste Saulo.
Verluste in allen Regionen der Erde
Lange war der Schwund nicht in allen 19 Gletscherregionen der Welt zu beobachten, aber seit drei Jahren haben laut WMO alle Regionen Verluste verzeichnet. Und nicht nur das: Die Gletscher weltweit seien in den vergangenen drei Jahren so stark geschrumpft wie in keiner Dreijahresperiode seit Beginn der Aufzeichnungen in den 70er Jahren.
Im Video: Forscher erklärt Gletschersterben in Bayern
Der Höllentalferner im Westen des Wettersteingebirges.
Noch vier Gletscher in Deutschland
In Deutschland gibt es noch vier Gletscher, deren Ende allerdings absehbar ist. Bis Ende des Jahrzehnts, so die Einschätzung der Forscher, wird der Nördliche Schneeferner an der Zugspitze kein Gletscher mehr sein. Er bedeckte zuletzt noch 13 Hektar Fläche. Der Höllentalferner hielt sich mit rund 14 Hektar etwas besser, er dürfte am längsten überleben – ungefähr bis 2035.
Der letzte Eisrest des Südlichen Schneeferners hatte im September 2022 seinen Status als Gletscher verloren. Das Schicksal wird den Prognosen zufolge als nächstes Watzmann- und den Blaueisgletscher bei Berchtesgaden treffen, die zuletzt noch 4,7 und 4,2 Hektar maßen.
Auch in Deutschland würden Flüsse durch das absehbare Verschwinden der Alpen-Gletscher in Zukunft deutlich weniger Wasser führen, teilte die Unesco angesichts des Weltwassertags am 22. März mit. "Gebirge bedecken knapp ein Viertel der Landoberfläche unseres Planeten, werden politisch aber zu wenig beachtet", kritisierte Ulla Burchardt, Vorstandsmitglied der Deutschen Unesco-Kommission mit Sitz in Bonn. "Während viele Gewässer im Flachland heute schon nachhaltig bewirtschaftet werden, gilt das für Gebirge kaum."
Unsichtbare Gefahr: Gletscherspalten unter dünner Schneedecke
Die Gletscherschmelze stellt auch Gefahren für Berg- und Wintersportler dar. Der Deutsche Alpenverein (DAV) warnt vor Spaltenstürzen auf Skihochtouren. Gletscherspalten seien in manchen Gebieten wenig mit tragfähigem Schnee überdeckt. "Beinahe täglich ereilen uns Berichte über – nicht immer glimpflich ausgehende – Spaltenstürze. Und das Mitte März, wo die Gletscher 'normalerweise' meterdick eingeschneit sind", so der DAV.
Für Bergsteiger wachse zudem die Gefahr von Steinschlag, auch auf Gletschern. Durch die geringe Schneebedeckung lösten sich Steine, die im Eis eingebettet waren. Zudem rutsche immer mehr Steinmaterial aus den Firn- und Felsflanken auf die Gletscherfläche nach. "Das ist in dem Ausmaß neu, die Menge ist teils erschreckend."
Mit Informationen von dpa und epd
Im Video: Gletscher schmelzen - mit großen Auswirkungen
Schmelzender Gletscher
Zum Audio: Eisschmelze - Verlorene Lebensräume für viele Tiere
Schneehase
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