Das laufende Jahr ist voraussichtlich das erste, in dem es im Durchschnitt mehr als 1,5 Grad wärmer ist als in der vorindustriellen Zeit. Damit wird es wohl das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen, berichtet der EU-Klimawandeldienst Copernicus. Nach Angaben der Vereinten Nationen steuert die Welt auf 2,6 bis 3,1 Grad Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts zu.
Nationale Klimapläne reichen nicht aus
Wenn das so kommt, werden erhebliche Teile des Planeten nicht mehr bewohnbar sein. Zig Millionen Menschen müssten aus Regionen im globalen Süden in den Norden und damit nach Europa flüchten, um überleben zu können.
Die nationalen Klimapläne der Staaten reichen laut Forschern bei Weitem nicht aus, die Erderwärmung auf das im Pariser Klimaabkommen vereinbarte Ziel von maximal 1,5 Grad Temperaturanstieg zu begrenzen. Umso wichtiger sind neue Maßnahmen, um den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase zu reduzieren.
COP29: Keine Beschlüsse für weniger Treibhausgase
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte in der vergangenen Woche auf dem Klimagipfel in Baku: "Es ist absurd, dass wir jede Klimakonferenz damit beginnen, ob Minderung überhaupt eine Rolle spielt." Sie betonte: "Minderung ist das Allerwichtigste. Denn die Welt hat gar nicht genug Geld, um die Klimaschäden überhaupt in den Griff zu bekommen, wenn wir nicht weiter mindern."
Der EU-Delegation war es deshalb wichtig, beim Thema CO2-Einsparung auf der Konferen (COP29) voranzukommen. In diversen Verhandlungsrunden wurde darüber gestritten. Das Ergebnis: nichts, kein Beschluss zur Reduzierung der Treibhausgase. Immerhin konnte erreicht werden, dass bisherige Beschlüsse zum Thema nicht verwässert wurden, hieß es von Delegierten.
Laut Baerbock gab es Länder, die die im vergangenen Jahr beschlossene Abkehr von fossilen Brennstoffen wieder kippen wollten. Allen voran der Ölstaat Saudi-Arabien hat das mehrfach mit Rückendeckung vom Gastgeberland Aserbaidschan versucht.
Ministerin Lemke: "Es wird massiver Lobbyismus ausgeübt"
Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte auf der Konferenz zu BR24: "Man kann das Aufbäumen der fossilen Industrie gegen den Ausstieg aus den Fossilen sehr deutlich wahrnehmen. Wir spüren das in verschiedenen Bereichen. Auch auf der Naturschutzkonferenz in Kolumbien war das spürbar."
Diesen Widerstand erwartet die Grünen-Politikerin auch in dieser Woche, wenn in Südkorea über ein weltweites Abkommen über die Plastikvermüllung beraten wird. "Es wird massiver Lobbyismus geübt und ich mache mir deshalb durchaus Sorgen, dass wir einen Abschluss hinbekommen", so Lemke.
Ausstieg von Öl, Gas und Kohle vorantreiben
Auf der Weltklimakonferenz konnte zwar das Schlimmste verhindert werden, aber alle weiteren Beschlüsse zur Minderung klimaschädlicher Emissionen sind vertagt. Dabei ist klar: Der bisher vorliegende Beschluss zur Abkehr von Öl, Gas und Kohle reicht nicht aus, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Er muss mit ambitionierten Zielen und Zeitplänen hinterlegt werden, fordern Wissenschaftler und Umweltschutzorganisationen.
Johan Rockström, Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sagt: "Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es mehr Grund zur Sorge als je zuvor." Man sehe erste Anzeichen, dass sich die Erderwärmung beschleunige. Aber: Noch sei es möglich, die Dinge zu drehen und so auf den 1,5 Grad-Pfad zurückzukehren. Vorausgesetzt, die Politik handelt zügig.
Neue Klimaschutzpläne bis zum Frühjahr
Ob und wie ernst die Staats- und Regierungschefs das nehmen, zeigt sich spätestens im nächsten Jahr. Dann müssen die UN-Länder neue nationale Klimapläne vorlegen. Darin muss konkret beschrieben werden, wie die Länder CO2 einsparen wollen. Unter anderem Großbritannien hat auf dem Klimagipfel in Baku den Auftakt gemacht und seine Pläne vorgestellt: Bis 2035 will das Land seine Emissionen um 81 Prozent senken.
Öl, Gas und Kohle zusätzlich besteuern?
Otmar Edenhofer, ebenfalls Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, fordert von den Regierungen mehr Einsatz: "Man könnte sich Gedanken machen, Öl und Gas zu besteuern, was zur Emissionsreduktion einen signifikanten Beitrag leisten würde." 300 Milliarden Euro ließen sich durch so eine Maßnahme generieren, sagt der Ökonom im Morgenmagazin von ARD und ZDF. So könnte das Ziel "weniger Treibhausgase" geschickt mit zusätzlichen Geldquellen für mehr Klimaschutz verbunden werden.
Hoffnung liegt nun auf Brasilien
Ein Jahr bleibt jetzt, um die Scherben von Baku zusammenzukehren. Dann findet die 30. UN-Klimakonferenz im brasilianischen Belém statt. Bis dahin sollte jedoch niemand die Hände in den Schoss legen, mahnen Umweltschutzorganisationen. Es müsse alles Nötige vorbereitet werden, damit auf der nächsten Konferenz mehr als nur ein "schlechter Kompromiss" wie in Aserbaidschan rauskommt. Sonst sei das 1,5 Grad-Ziel nicht mehr zu halten.
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