Die EU-Staaten ringen weiter um die geplante Asylreform. Nachdem man sich zuletzt nach zähen Verhandlungen auf einen Krisenmechanismus einigen konnte, schien das Vorhaben auf einem guten Weg. Doch beim EU-Gipfel im spanischen Granada wurde deutlich: Ein europäischer Konsens ist bei der Migrationspolitik weiterhin nicht in Sicht.
Von der Leyen: "Geplante Asylreform ist auf dem Weg"
Die 27 EU-Staaten konnten sich bei ihrem Treffen immerhin auf eine Erklärung zur Migrationspolitik einigen, die die gemeinsamen Ziele unterstreicht. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte dazu, "Migration hat es immer gegeben und es wird sie immer geben, die Frage ist: Wie managen wir sie als Team Europa?" Die Antwort auf diese Frage gab von der Leyen gleich selbst: "Die geplante Asylreform ist auf dem Weg und die Chancen stehen gut, dass wir sie über die Ziellinie bringen."
Nachdem man sich wochenlang über den sogenannten Krisenmechanismus gestritten hatte, einem zentralen Element der geplanten Asylreform, einigte sich eine Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten am vergangenen Mittwoch in dieser Frage und machte damit einen großen Schritt auf dem Weg zur Neugestaltung der gemeinsamen Migrationspolitik. Die gemeinsame Gipfel-Erklärung hat in diesem Zusammenhang rein symbolische Bedeutung.
Polen und Ungarn stellen sich quer
Österreich, Tschechien und die Slowakei enthielten sich, Polen und Ungarn stimmten gegen die Verordnung. Die beiden Länder verhinderten auch, dass in die Abschlusserklärung des informellen EU-Gipfels ein Migrations-Passus aufgenommen wird. Sie fühlen sich durch die Mehrheitsentscheidung übergangen. Ungarns Premierminister Viktor Orbán fasste das in drastische Worte: "Es gibt keine Einigung bei Migration. Wenn man rechtlich vergewaltigt wird, zu etwas gezwungen wird, das einem nicht gefällt, wie will man dann einen Kompromiss oder eine Einigung erzielen? Das ist unmöglich." Auch der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki betonte, er habe keine Angst, sich dem "Diktat aus Brüssel und Berlin" zu widersetzen.
Polen und Ungarn fordern, eine Entscheidung über die Neuausrichtung der EU-Migrationspolitik müsse im Konsens getroffen werden. Die Asylreform sieht vor, dass stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen werden soll. Länder, die dazu nicht bereit sind, müssten Ausgleichszahlungen leisten. Das will man in Warschau und Budapest nicht hinnehmen.
Indirekte Kritik von Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz warf Polen und Ungarn am Rande des Gipfels in Granada eine widersprüchliche Flüchtlingspolitik vor. Ohne die beiden Länder ausdrücklich zu nennen, sagte Scholz: "Es kann nicht sein, dass ausgerechnet Länder, die in der EU-Asyldebatte für eine harte Linie stehen, diejenigen, die bei ihnen ankommen, durchwinken, damit sie in Deutschland ankommen."
Die Warnungen von Orban und Morawiecki, man werde alles tun, um die Asylreform noch zu verhindern, spielte Scholz herunter. "Das kann nicht von Einzelnen blockiert werden", betonte der Kanzler. Er sei "zuversichtlich", dass eine zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und EU-Rat verhandelte Einigung noch gelingen werde. Der Kanzler geht nach eigenen Worten "fest davon aus, dass eine Regelung dann für alle 27 EU-Staaten gelten wird."
Könnten Polen und Ungarn wirklich blockieren?
Auch wenn sich die EU-Staaten per Mehrheitsentscheidung etwa auf den Krisenmechanismus für die geplante Asylreform einigen konnten, Druck könnten Ungarn und Polen in anderen Bereichen dennoch aufbauen. Zum Beispiel in den derzeit laufenden Verhandlungen über eine Revision des langfristigen EU-Haushalts. Bei diesem Thema ist Einstimmigkeit erforderlich. Und die Revision soll auch eine Fortsetzung der Finanzhilfen für die Ukraine ermöglichen.
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