Nach jahrelangem Streit über die Brexit-Sonderregeln für Nordirland haben Großbritannien und die EU eine Einigung erzielt. Der Durchbruch gelang bei einem Treffen von Premierminister Rishi Sunak und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Windsor westlich von London.
Sunak sieht "Beginn eines neuen Kapitels" mit EU
Sunak und von der Leyen stellten die Vereinbarung am Montag nach einem Treffen in Windsor westlich von London vor. Sie überboten sich dabei gegenseitig mit Lob für die Zusammenarbeit und das erreichte Ergebnis. Dies sei "historisch", sagte die EU-Kommissionschefin. Beide betonten, es handle sich um ein "neues Kapitel" in den Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien.
Auf die Frage, warum die EU unter Sunak nun eine Einigung erzielen konnte und unter seinem Vorgänger Boris Johnson nicht, sprach von der Leyen von einer "sehr konstruktiven Haltung", Lösungen zu finden.
"Windsor-Rahmen" soll reibungslosen Warenverkehr ermöglichen
Nach der Vereinbarung sollen künftig keine Waren mehr kontrolliert werden, die aus anderen Teilen Großbritanniens nach Nordirland geliefert werden, so wie es das umstrittene Nordirland-Protokoll vorgesehen hatte. Sunak sprach von einem "Windsor-Rahmen", der reibungslosen Warenverkehr in ganz Großbritannien gewähren solle. Kontrollen für Warentransporte in die Republik Irland bleiben dagegen bestehen. Zudem bekommt Nordirland ein Mitspracherecht bei EU-Vorgaben, die den Warenhandel betreffen. Eine "Grenze in der Irischen See" sei mit der Einigung vom Tisch.
Praktisch bedeutet dies, dass in Nordirland die gleichen Lebensmittel wie im Rest des Vereinigten Königreichs erhältlich sein werden. Das Gleiche gelte auch für Medikamente, wie von der Leyen erklärte. "Wir haben uns auf starke Garantien geeinigt, die die Integrität des EU-Binnenmarkts schützen werden", sagte die EU-Kommissionspräsidentin. Das britische Pfund legte nach Bekanntwerden der Einigung zum Euro und zum Dollar merklich zu.
Stimmen die Brexit-Hardliner der Einigung zu?
Der Streit hatte die Beziehungen zwischen London und Brüssel erheblich belastet. Mit Spannung wird nun erwartet, ob Premierminister Sunak für die Vereinbarung auch Unterstützung von Brexit-Hardlinern seiner Konservativen Partei und der nordirischen Protestantenpartei DUP findet.
Brexit-Hardliner verlangen, dass in Nordirland künftig keine EU-Gesetze mehr gelten und der Europäische Gerichtshof dort keine Zuständigkeit mehr hat, obwohl Nordirland weiterhin zum EU-Binnenmarkt gehört. Wie Sunak nun ankündigte, soll das britische Parlament ein Mitspracherecht bei den Änderungen haben: Es werde "zu gegebener Zeit abstimmen, und das wird respektiert", sicherte er zu.
Deutsche Wirtschaft erleichtert nach Einigung zu Nordirland-Abkommen
In der exportorientierten deutschen Wirtschaft sorgt die Einigung zwischen Großbritannien und der EU für Erleichterung. Dies sei dringend nötig, um den Negativtrend im Großbritannien-Geschäft zu stoppen, sagte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, am Montag.
"Der EU-Austritt Großbritanniens hat die engen Handelsbeziehungen in den letzten Jahren deutlich erschwert – und weiterhin herrscht erhebliche Planungs- und Rechtsunsicherheit für deutsche Unternehmen", so Treier. Während Großbritannien 2016 noch drittwichtigster Exportmarkt Deutschlands gewesen sei, habe das Land 2022 nur noch auf dem achten Rang gelegen. Gefährlich seien britische Pläne zum Abweichen von EU-Regeln etwa im Datenschutz, bei Lebensmitteln oder in der Chemie.
Das Nordirland-Protokoll regelt den Status der britischen Provinz seit dem Brexit vor gut drei Jahren. Der Vereinbarung zufolge ist Nordirland auch nach dem britischen EU-Austritt de facto Teil des europäischen Binnenmarktes. Großbritannien wehrte sich allerdings gegen die von Brüssel verlangten Zollkontrollen bei Warenausfuhren.
Mit Informationen von dpa
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