Den Teufel austreiben: In Neapel gehört das dazu wie das Amen in der Kirche. Auch wenn die Neapoletaner nicht so recht wissen, was sie davon halten sollen. "Ich versteh den Exorzismus nicht, und ich persönlich glaub' nicht dran", sagt ein Mann. Eine junge Frau meint: "Ich find das ganz schön heftig. Das ist irgendwie so gewalttätig."
"Es gibt viele Priester, die den Teufel austreiben"
Eine Dame erklärt, dass Exorzismus in Italien und Neapel versteckt stattfindet. "Man spricht nicht so recht darüber. Aber es gibt viele Priester, die den Teufel austreiben." Zum Beispiel in einer Kirche mitten in der Stadt. Immer wieder sind hier hunderte Gläubige zusammengekommen, um sich das Böse austreiben zu lassen.
Anfragen des Bayerischen Rundfunks, dabei sein zu dürfen, werden abgewiesen. Aber es finden sich Spuren in der Stadt - beispielsweise im Laden von Guglielmo Rinaldini. Er verkauft seit Generationen Kirchenartikel. Für Hochzeiten und Taufen. Aber es kommen auch Priester, die sich Utensilien für den Exorzismus besorgen. Zum Beispiel das Kreuz des heiligen Benedikt.
"Das wird nur von den Exorzisten-Priestern genutzt. Damit wird das Böse ausgetrieben." Guglielmo Rinaldini
In Italien sollte jede Diözese ihren eigenen Exorzisten haben
Der Bedarf ist groß: Denn in Italien sollte jede Diözese ihren eigenen Exorzisten haben. Jedes Jahr sucht allein in Italien rund eine halbe Million Menschen die Hilfe eines Exorzisten, so die Internationale Vereinigung der Exorzisten (AIE). Während der Pandemie sei die Nachfrage nach Teufelsaustreibungen sprunghaft angestiegen.
Der Segen für die Exorzismen kommt von ganz oben. Papst Franziskus hat mehrfach erklärt, es sei notwendig, den "Satan" und "Dämonen" zu bekämpfen und hat selbst auf dem Petersplatz Exorzismus-ähnliche Rituale durchgeführt.
Hat Papst Franziskus 2013 selbst einen Exorzismus angewendet?
Im Jahr 2013 entstanden dramatische Fotos, auf denen er selbst einem Jungen in einem Rollstuhl die Hand auf den Kopf legt und dieser bei der Berührung zusammensinkt. Italienische Medien interpretierten dies als Exorzismus. Der Vatikan bestritt dies jedoch. "Der Papst hatte nicht vor, einen Exorzismus auszuführen: Er hat nur für eine kranke Person gebetet", sagte Papst-Sprecher Federico Lombardi damals.
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Vatikan erteilt Exorzisten seinen Segen
Um den Bedarf zu stillen, gibt es die Internationale Vereinigung der Exorzisten (AIE), die der Vatikan im Juli 2014 offiziell anerkannt hat. Bei der AIE handelt es sich um eine Gruppe von rund 250 Priestern in 30 Ländern. Die Exorzisten befreien nach eigenen Angaben "Besessene" vom "Satan". Durch die Anerkennung hat der Vatikan den Praktiken und Statuten der AIE seinen Segen gegeben. Dies sei ein Grund zur Freude für die ganze Kirche, teilte AIE-Leiter Francesco Bamonte, damals mit.
"Exorzismus ist eine Form der Nächstenliebe, die den Leidenden hilft." Francesco Bamonte
Zeichen von Besessenheit: Abscheu vor christlichen Symbolen
Bei Rom bildet AIE Priester zu Exorzisten aus. Die Teilnehmer dürfen weder gefilmt, noch befragt werden. Was sie in drei Tagen Seminar lernen, erklärt Referent Don Matteo De Meo: "Es geht darum, bei Betroffenen Anzeichen zu erkennen, dass sie vom Teufel befallen sind - und einen sofortigen Exorzismus brauchen. Dabei geht es um übernatürliche Zeichen, die sich sonst nicht erklären lassen."
Als Zeichen gelten unter anderem: Heftige Abscheu vor christlichen Symbolen. Übernatürliche Kräfte. Oder: Sprechen in einer nie erlernten Sprache. Unter Exorzismus wird die rituelle Vertreibung böser Mächte und Geister aus Personen, Lebewesen oder Gegenständen verstanden. Solche Praktiken gibt es in allen Kulturen. Sie sollen der ganzheitlichen Reinigung und Heilung dienen.
Vorbild sind die Dämonenaustreibungen Jesu
Das Wort stammt ab vom griechischen Begriff "exorkizein" und bedeutet "wegbeschwören". Die katholische Kirche versteht unter dem Begriff eine Bitte an Gott, den Menschen von der Macht des Bösen zu befreien. Die Vollmacht zum Vollzug des Exorzismus leitet die Kirche aus dem Neuen Testament ab. Vorbild sind die Dämonenaustreibungen Jesu.
Zum Exorzismus gehören das Besprengen mit Weihwasser, die Anrufung Gottes und das Handauflegen. Nach den Kirchenvorschriften muss als Voraussetzung für einen Exorzismus ein Mensch als "besessen" eingestuft werden. Für die Kirche ist es wichtig, sich mit Regeln abzugrenzen. Weil Kritiker sagen: Betroffene bräuchten eigentlich medizinisch-psychologische Hilfe.
Psychische Erkrankungen müssen von Ärzten ausgeschlossen werden
Psychische oder geistige Erkrankungen müssen laut Kirchenrecht von hinzugezogenen Medizinern ausgeschlossen werden, ehe der Ortsbischof seine Zustimmung zur "Teufelsaustreibung" durch einen speziell geschulten Geistlichen geben kann. Die Austreibung findet dann in mehreren Sitzungen statt.
Betroffene haben oft Schlimmes erlebt, sagt auch Exorzismus-Referent Don Matteo De Meo. "Viele brauchen Hilfe und leiden sehr. Weil sie Opfer geworden sind von Vergewaltigungen oder von körperlicher Gewalt."
Offiziell kein Exorzismus mehr in Deutschland
In Deutschland wird der Exorzismus offiziell seit Ende der 1970er Jahre nicht mehr praktiziert. Seit dem Fall Anneliese Michel aus Klingenberg. Die 23-jährige Studentin starb im Juli 1976 an extremer Unterernährung, nachdem sie zwei Geistliche der katholischen Kirche 67-mal exorziert hatten – mit dem Segen des damaligen Würzburger Bischofs. Ärzte hatten bei der jungen Frau zuvor jedoch eine Epilepsie-Erkrankung diagnostiziert.
Laut Auskünften der bayerischen Diözesen hat seit dem Tod von Anneliese Michel nur im Bistum Augsburg noch einmal ein Bischof seinen Segen für einen Exorzismus gegeben. Soweit der Aktenbestand.
Auch Psychologen in Italien schicken Betroffene zum Exorzisten
Trotzdem sind es auch Ärzte und Psychologen, die Betroffene in Italien zum Exorzisten weiterschicken. Etwa zu Pater Fiorenzo Castorri aus der Nähe von Rimini. Er verwendet nicht nur das Kreuz, um den Teufel zu erkennen. Sondern auch geweihtes Wasser und Öl. Und: einen speziellen Ring. "Ich habe ihn Satan-Detektor getauft. Er irrt sich nie, wenn jemand vom Teufel befallen ist", erklärt Pater Fiorenzo Castorri. Im Ring stecke Gott persönlich, so der Geistliche. "Wenn ich sie einer Person um den Hals legen will, die vom Teufel befallen ist, schaffe ich das nicht. Weil die besessene Person sagt: 'Nein, diesen Ring will ich nicht. Weg damit!'"
Mindestens sieben Jahre würde es dauern, das Böse zu besiegen, sagt Fiorenzo Castorri. Mit einer Sitzung pro Woche. Er selbst hat es aber noch nie erlebt, dass jemand ganz befreit werden konnte vom Teufel. Und in Neapel fragt sich mancher, ob es den Teufel überhaupt gibt: "Das Schlechte: ja. Aber den Teufel? Nein", so ein Passant.