Ein Mensch geht durch den Eingang des Robert Koch-Instituts (RKI).
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Der Eingang des Robert-Koch-Instituts (RKI). Offizielle Corona-Statistiken des RKI stehen seit Beginn der Pandemie immer wieder in der Kritik.

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#Faktenfuchs: RKI-Dokument kein Beleg für angebliche Todesfälle

#Faktenfuchs: RKI-Dokument kein Beleg für angebliche Todesfälle

Einem Twitter-Nutzer soll ein internes RKI-Dokument zugespielt worden sein – sein Beitrag suggeriert zu viele gemeldete Corona-Todeszahlen in Niedersachsen. Das Dokument existiert. Aber es belegt, dass Datenkontrollen funktionieren. Ein #Faktenfuchs.

Von
Claudia Kohler
Sophie Menner

Darum geht’s:

  • Auf Twitter teilten verschiedene Nutzer ein Bild, das ein internes RKI-Dokument zeigt. Ein Nutzer stellte einige Aussagen aus dem Dokument heraus und suggeriert mit seinem Post fälschlicherweise, dass viel mehr Corona-Tote gemeldet worden seien als tatsächlich verstorben sind.
  • Das Dokument ist ein Ausschnitt aus internen Protokollnotizen. Aufgrund der protokolltypischen Verkürzung ist es ohne Einordnung nicht selbsterklärend.
  • Im Dokument geht es um Fehler bei der internen Datenübertragung zwischen Gesundheitsämtern und der Landesgesundheitsbehörde in Niedersachsen. Der Fehler wurde bemerkt und ging nie in die Corona-Statistik des RKI ein.

Seit dem Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland stehen die offiziellen Corona-Statistiken des Robert Koch-Instituts (RKI) in der Kritik. Vielfach wurde etwa durch Medien gezeigt, dass Meldeketten nicht problemlos funktionieren, da es an technischer Ausstattung und Fachkräften mangelt.

Auf der anderen Seite konnten aber auch viele Falschbehauptungen und Verschwörungserzählungen rund um die Corona-Zahlen widerlegt werden.

Trotzdem reißt die Kritik an der Zuverlässigkeit der Daten auch im Jahr 2023 nicht ab. Auf Twitter teilte am 13. Februar ein Nutzer das Foto eines Bildschirms, auf dem ein Dokument geöffnet ist. Es handele sich dabei um ein internes Dokument des RKI, das dem User angeblich “zugespielt” wurde. In dem kleinen Ausschnitt ist zu lesen, dass es in Niedersachsen bei der Datenübertragung aus der Software einiger Gesundheitsämter (Äskulab) an die Software SurvNet, die vom Niedersächsischen Landesgesundheitsamt und vom RKI genutzt wird, Fehler gegeben habe. Betroffen seien Fälle, deren Verstorbenenstatus “nein” zeige. In einem Gesundheitsamt etwa seien “70.000 Fälle über den gesamten Pandemiezeitraum großteilig falsch übermittelt worden”. Tatsächlich kam es zu Fehlern bei der Datenübertragung, die aber auffielen – sie hatten keinen Einfluss auf die offizielle Todeszahlen-Statistik.

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Auf Twitter veröffentlicht ein User ein Foto eines internen RKI-Dokuments.

Gezeigtes Dokument stammt tatsächlich aus der Kommunikation des RKI

Zunächst muss klargestellt werden: Das Dokument auf dem Foto ist echt. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts handelt es sich dabei um einen Ausschnitt von Protokollnotizen der Epidemiologischen Lagekonferenz vom 7. Februar 2023. Das ist eine wöchentliche Telefonkonferenz zwischen dem RKI und den für den Infektionsschutz zuständigen Landesbehörden der 16 Bundesländer und der Bundeswehr. In der Konferenz werden beispielsweise technische Fragen besprochen. Die Protokollnotizen werden nach Angaben des RKI an einen Verteiler mit Ansprechpersonen der zuständigen Bundes- und Landesbehörden gesendet, die für Infektionsepidemiologie zuständig sind. Sie sind also nicht öffentlich zugänglich.

Wichtig ist: Der Fehler, der hier besprochen wird, hat keinen Einfluss auf die COVID-19-Todesfallstatistik. Das bestätigen dem #Faktenfuchs sowohl das RKI als auch das Niedersächsische Landesgesundheitsamt. Der Meldeweg der Corona-Fall- und Todeszahlen verläuft über Ärzte und Teststellen zu einzelnen Gesundheitsämtern über die Landesgesundheitsbehörden bis hin zum RKI. Auf diesem Weg gibt es unterschiedliche Kontrollen, die falsch gemeldete Daten finden sollen, bevor sie in die offiziellen Zahlen eingehen und dort korrigiert werden müssen.

Falschmeldungen sind beim Datencheck erkannt worden

In dem Fall, der im Dokument besprochen wird, sei es bei “der Übermittlung an die Landesstelle bei nicht verstorbenen COVID-19-Meldefällen” zu einem Fehler gekommen, erklärt das Niedersächsische Landesgesundheitsamt auf Anfrage des #Faktenfuchs. Dabei sei durch die Software im Feld “verstorben am” ein Datum gesetzt worden, was wiederum nicht mit dem Verstorbenenstatus (Verstorbenstatus = Nein) zusammenpasste. Obwohl es also ein Sterbedatum gab, waren nur wenige dieser Fälle an Corona verstorben – bei manchen war die Todesursache nicht eindeutig Corona, andere waren überhaupt keine Todesfälle.

Das Niedersächsische Landesgesundheitsamt erklärt, damit ein Todesfall ans RKI weitergeleitet und dann in die Statistik aufgenommen wird, müssten aber natürlich die Angaben im Feld “Verstorbenenstatus” und “Sterbedatum” zusammenpassen. Dieser Fehler sei nach Aussage des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes bei der Evaluierung der Meldedaten aufgefallen. Somit habe der Fehler keine Auswirkungen auf die veröffentlichten Zahlen gehabt. Diese Aussage bestätigt das RKI: “Die Fehler in den Datensätzen haben nach aktueller Kenntnis des RKI keinen Einfluss auf die COVID-19 Todesfallstatistik, da die Angaben nicht die Frage betreffen, ob jemand verstorben ist oder nicht.”

Dass diese Zahlen nie in die COVID-19-Todesfall Statistik eingegangen sind, lässt sich überprüfen: In keinem Gesundheitsamt in Niedersachsen wurden jemals 70.000 verstorbene Menschen gemeldet – in ganz Niedersachsen starben im Laufe der Pandemie rund 13.400 Personen an Corona, die meisten von Ihnen, mehr als 2.000, in der Region Hannover. Das RKI bestätigt, dass die fehlerhaft übermittelten Daten aus einem der Gesundheitsämter nie in die Todesfallstatistik des RKI eingegangen sind.

Verkürzte und suggestive Darstellung auf Twitter

Dieser Hintergrund wird in dem auf Twitter geteilten Dokumentenausschnitt nicht genannt – das Augenmerk des protokollierten Gesprächs galt dem Problem zwischen den Schnittstellen. Dieses wollten die beteiligten Gesprächspartner besprechen und lösen.

Der Nutzer hebt in seinem Tweet-Text das Beispiel der 70.000 falschen Meldungen hervor und stellt ohne Zusammenhang zwei Halbsätze aus dem Dokument daneben: “Nur wenige tatsächlich verstorben an Covid-19" und "Beunruhigend hohe Anzahl der Fälle mit ggf. unsystematischem Fehler". Durch diese suggestive Auswahl der Zitate und Fakten aus dem Dokument im Tweet-Text kann der Eindruck entstehen, dass hier RKI-intern eine große Zahl falscher Todesfallmeldungen entstand, die Teil der offiziellen Statistik geworden sei.

Zwar wird dieser erste Eindruck durch das Lesen des Original-Ausschnitts relativiert, dennoch fehlt in dem Papier sowohl der oben beschriebene Hintergrund als auch eine ausführliche und entsprechend formulierte Einordnung. Dies liegt laut RKI daran, dass das Dokument nicht für eine Veröffentlichung bestimmt, sondern an mit dem Sachverhalt vertraute Personen gerichtet war.

Meldesystem hat viele Schwachstellen – aber auch Kontrollmechanismen

Dass es während der Pandemie falsch gemeldete Daten und Meldeverzögerungen gab, liegt unter anderem am Meldesystem selbst. In den ersten großen Corona-Wellen begannen die Verzögerungen oft schon in den Laboren und Teststellen, weil dort nicht genug Kapazitäten vorhanden waren. Auch die Gesundheitsämter hatten zeitweise mit Personalmangel zu kämpfen und mussten Meldungen gegenüber anderen Aufgaben, etwa der Kontaktnachverfolgung, zurückstellen. Eine Sprecherin des RKI bestätigt dem #Faktenfuchs: “In Phasen starker Belastung konnten die Daten zu Fällen (z.B. Erkrankungsbeginn, Symptome, Impfstatus, Infektionsort) auf Ebene der Gesundheitsämter weniger gründlich ermittelt werden.”

Darüber hinaus waren lange nicht alle Behörden und Ämter mit der nötigen Infrastruktur ausgestattet, um Daten digital übermitteln zu können – gerade zu Beginn der Pandemie wurde etwa über verlorene oder unleserliche Faxe berichtet.

Inzwischen läuft die Kommunikation zwischen den einzelnen Stellen zwar größtenteils über verschiedene Programme. Doch genau das kann laut RKI dazu führen, dass es zu fehlerhaften Übertragungen von einem Programm in ein anderes Programm kommt. Beim Beispiel aus Niedersachsen sei der Kontext, in dem der Fehler auftritt, noch nicht vollständig geklärt. Die Software, die nach dem bisherigen Wissen des RKI den Fehler verursacht, wird bundesweit von 24 der 376 meldenden Gesundheitsämtern genutzt.

Weil das mögliche Auftreten solcher Fehler bekannt ist, werden laut RKI Routinekontrollen durchgeführt, im Rahmen derer auch die Fehleingaben aus Niedersachsen aufgefallen sind.

Auf Nachfrage des #Faktenfuchs erklärt das Niedersächsische Landesgesundheitsamt, dass “Meldedaten nach Infektionsschutzgesetz [...] fortlaufend einer Qualitätskontrolle unterzogen” werden. Auch das RKI bestätigt, dass Qualitätskontrollen auf unterschiedlichen Ebenen des Meldewesens stattfinden: “Generell können Fehleintragungen vorkommen”, erklärt das RKI. Das seien allerdings Einzelfälle, die auf Ebene der Gesundheitsämter korrigiert würden, sobald eine Fehleingabe aufgefallen oder eine neue Information vorhanden sei. “Die Korrektur wird über den Meldeweg (in der Regel innerhalb von zwei Arbeitstagen) ans RKI übermittelt und fließt dann in die Statistik ein. Daran hat sich im Laufe der Pandemie nichts geändert.”

Im Falle des Übertragungsfehlers in Niedersachsen seien Unklarheiten in direkter Rücksprache mit den Gesundheitsämtern geklärt worden. Eine Korrektur der Software sei bereits veranlasst. Die Probleme mit den unterschiedlichen Programmen könnten aus Sicht des RKI reduziert werden, wenn eine einheitliche Software genutzt würde. “Das RKI setzt sich deswegen seit Jahren dafür ein, die im Meldewesen genutzte Software zu vereinheitlichen und bietet deswegen auch kostenlos ein Produkt des RKI an”, schreibt das Institut dem #Faktenfuchs.

Fazit

Auf Twitter teilte ein User ein Foto eines internen Dokuments des Robert Koch-Instituts (RKI) und suggeriert durch das Hervorheben einiger Textausschnitte, es habe 70.000 fehlerhafte Corona-Todesfall-Meldungen in einem Gesundheitsamt in Niedersachsen gegeben. Diese Schlussfolgerung ist falsch; das Dokument ist nach Angaben des RKI aber echt.

In dem Dokument geht es unter anderem darum, dass es bei der Übermittlung von Meldedaten zwischen Gesundheitsämtern in Niedersachsen und dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes zu einem Fehler kam. Dieser Fehler fiel allerdings bei der Evaluierung der Daten auf. Eine Korrektur der Software ist laut der Behörde bereits veranlasst.

Somit gingen nach Angaben des RKI und des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes keine fehlerhaften Todesmeldungen in die RKI-Todesfallstatistik ein. Das lässt sich durch einen Blick in die Daten belegen. In keinem Gesundheitsamt in Niedersachsen wurden jemals 70.000 verstorbene Menschen gemeldet – in ganz Niedersachsen starben im Laufe der Pandemie rund 13.400 Personen an Corona.

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