- Elon Musk postet auf seiner Plattform "X" Fehlinformationen über Ausländer in Deutschland.
- Eine Grafik, die angeblich belegen soll, dass bestimmte Nationalitäten öfter in Vergewaltigungen verwickelt seien, ist laut BKA und einem Kriminologen irreführend.
- Musk unterstützt im Bundestagswahlkampf die AfD und erhöht so deren Reichweite auf X.
Elon Musk verhilft Falschinformationen im deutschen Bundestagswahlkampf zu mehr Verbreitung. So geschehen im Gespräch mit der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, das Mitte Januar auf der Plattform X stattfand. Weidel stellte darin mehrere Falschbehauptungen auf, beispielsweise, dass Angela Merkel 2015 die deutschen Grenzen für Migranten geöffnet habe. Doch das ist falsch, die deutschen Außengrenzen waren zu diesem Zeitpunkt sowieso schon geöffnet. Die Grenzkontrollen im Schengenraum wurden Jahre vorher abgeschafft.
- Zum Hintergrund von tagesschau.de: Wie Musk sich in den Wahlkampf einmischt
Musk drückte im Bundestagswahlkampf bereits mehrfach seine Unterstützung für die AfD aus. Und er verbreitete auch selbst irreführende Informationen über Ausländer in Deutschland - vor und nach dem Gespräch mit Alice Weidel.
Am 9. Januar teilte Musk auf X einen Post mit einer Grafik, die belegen soll, wie häufig bestimmte Nationalitäten in Vergewaltigungen in Deutschland verwickelt seien. Dadurch verhalf Musk der Grafik zu einer enormen Reichweite, sie wurde fast sieben Millionen Nutzern auf der Plattform angezeigt.
Der #Faktenfuchs hat beim Bundeskriminalamt (BKA) angefragt und mit einem Kriminologen gesprochen. Sie sagen übereinstimmend: Die Grafik ist irreführend.
BKA: Zahlen sind nicht miteinander vergleichbar
Die Grafik wurde ursprünglich von einem französischen Aktivisten gepostet. Sie erweckt den Anschein, dass Afghanen und Pakistaner angeblich 16 Mal häufiger in Vergewaltigungen verwickelt sein sollen als Deutsche. Der Aktivist bezieht sich darin auf Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) und Bevölkerungszahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Er stellt damit eine auf den ersten Blick logisch erscheinende Rechnung an, die aber entscheidende Schwächen aufweist. Während in der Überschrift von "Vergewaltigungen" die Rede ist, sind in die der Grafik zugrunde liegenden Berechnung auch sexuelle Nötigungen einbezogen - eine erste irreführende Ungenauigkeit der Grafik.
In der PKS steht unter anderem, wie viele Menschen unterschiedlicher Nationalitäten die Polizei in Deutschland in einem Jahr als Verdächtige festgestellt hat. Diese Zahlen zu Vergewaltigung und sexueller Nötigung für die Jahre von 2017 bis 2021 vergleicht der Aktivist mit den Anzahlen der Menschen dieser Nationalitäten, die laut Destatis in Deutschland wohnen. Auf dieser Grundlage versucht er zu berechnen, um welchen Faktor Menschen bestimmter Nationalitäten unter den ermittelten Tätern in der polizeilichen Kriminalstatistik vermeintlich überrepräsentiert seien.
Das BKA schreibt in einer Antwort auf eine #Faktenfuchs-Anfrage zur Grafik grundsätzlich: "Die in der Grafik behaupteten Anteile sind im Sinne der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht korrekt." Das liege schon allein daran, dass die beiden ins Verhältnis gesetzten Zahlen nicht miteinander vergleichbar seien. Unter Tatverdächtigen in der PKS seien auch Menschen ohne festen Wohnsitz in Deutschland - während die Bevölkerungszahlen des Statistischen Bundesamts nur die Menschen umfasst, die einen solchen festen Wohnsitz in Deutschland haben. Die Bevölkerungsstatistik zählt also beispielsweise keine Personen ohne Aufenthaltserlaubnis oder Touristen. Diese Gruppen können in der PKS enthalten sein.
PKS erfasst lediglich Tatverdächtige
Für nicht deutsche Tatverdächtige werde daher keine sogenannte "Tatverdächtigenbelastungszahl" berechnet, schreibt das BKA weiter. Diese gibt das Verhältnis von Tatverdächtigen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zur Anzahl in der Gesamtbevölkerung an.
Grundlegend kommt hinzu: In der PKS werden lediglich Tatverdächtige erfasst. Das sind Menschen, die nach Abschluss polizeilicher Ermittlungen verdächtigt werden, eine Straftat begangen zu haben. Die PKS sagt daher nichts darüber aus, wie viele Menschen am Ende tatsächlich für eine bestimmte Straftat von einem Gericht verurteilt werden. Die PKS bildet außerdem nur jene Straftaten ab, die der Polizei gemeldet werden. Gerade im Bereich von Sexualstraftaten gibt es eine große Dunkelziffer, also Straftaten, die nicht angezeigt werden.
- Hier finden Sie alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel.
Ralf Kölbel ist Professor für Kriminologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er hat noch weitere Einwände gegen die von Musk geteilte Grafik. So sei "die soziodemografische Zusammensetzung der afghanischen Bevölkerungsgruppe und der Bevölkerungsgruppe mit einer deutschen Staatsbürgerschaft total unterschiedlich". Die von Musk geteilte Grafik behauptet, dass vermeintlich unter Vergewaltigern Afghanen mit am stärksten überrepräsentiert sein sollen. Laut Destatis (externer Link) sind etwa zwei Drittel der in Deutschland wohnhaften Afghanen Männer.
Eine gewisse Überrepräsentation lasse sich dadurch erklären, sagt Kölbel: "Man hat eine Verzerrung darin, dass Sexualdelikte nun mal ganz vorwiegend von Männern begangen werden." Hinzu komme, dass auch die Altersstruktur in vielen ausländischen Bevölkerungsgruppen anders sei. Sexualstraftaten würden sehr häufig von jungen Männern begangen - eine Gruppe, die unter Afghanen in Deutschland überrepräsentiert sei. "Da gibt es relativ wenig Greise und relativ wenig Kinder"(externer Link) , so der Jurist.
Kriminologe Kölbel: "Nicht seriös und manipulativ"
Kölbel fasst zusammen: "Wenn ich die Deliktsbelastung der Bevölkerungsgruppe A, die sich zusammensetzt aus vorwiegend jungen Männern, vergleiche mit der Deliktsbelastung der Bevölkerungsgruppe B, die sich aus Frauen, Männern, Kindern und Alten zusammensetzt, dann ist das letztlich sinnlos, nicht seriös und manipulativ."
Hinzu komme, dass die Forschung darauf hindeute (externer Link), dass die Anzeigebereitschaft gegenüber als nicht deutsch wahrgenommenen Personen im Allgemeinen oft größer ist als gegenüber Personen, die als "deutsch" angesehen werden - das könne auch bei Sexualdelikten gelten, sagt Kölbel.
Auch, dass die Zahlen der PKS lediglich Tatverdächtige abbilden, könnte laut Kölbel zu einer Verzerrung führen. Er sagt: "Die Einstellungs- und Freispruchquote bei Sexualdelikten ist wegen häufiger Beweisprobleme viel höher als bei anderen Delikten. Das betrifft aber die nicht deutschen Personengruppen fast so stark wie die Deutschen." 2020 beispielsweise lag die Freispruchquote für Verfahren wegen Sexualdelikten nach §177 (sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) und §178 (sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge) Strafgesetzbuch bei 23,5 Prozent. Für alle Verfahren lag die Quote bei unter drei Prozent.
Methodisch saubere Arbeit müsste Klarheit schaffen
Ob und wie stark bestimmte Nationalitäten unter Vergewaltigern überrepräsentiert seien, müsste man also erst in einer methodisch sauberen Arbeit herausfinden, so Kölbel. Er gehe davon aus, dass bestimmte Nationalitäten tatsächlich überrepräsentiert sein könnten. "Aber sehr viel weniger als auf der Grafik dargestellt", so Kölbel.
Musk teilte bereits am fünften Januar eine Grafik desselben französischen Aktivisten, die auf der Grundlage einer ähnlichen irreführenden Rechnung belegen soll, dass bestimmte Nationalitäten überdurchschnittlich häufig in Sexualdelikte gegen Kinder verwickelt seien. Auch in diesem Fall wurden fälschlicherweise Zahlen aus der PKS mit Bevölkerungsstatistiken von Destatis ins Verhältnis gesetzt.
Schon im US-Wahlkampf vergangenes Jahr verbreitete Musk falsche Behauptungen über Migranten. So behauptete er zum Beispiel, die Demokratische Partei würde gezielt Immigranten in "Swing States" bringen, damit diese für sie stimmten. Damit unterstützte er den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump.
Thema "Migration" mobilisiert extreme Rechte
"Migration ist ein Thema, das ein rechtsextremes bis rechtspopulistisches politisches Lager mobilisiert, für das sich Musk im Moment sehr starkmacht", sagt Philipp Müller, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Mannheim. Im ARD-Deutschlandtrend vom 9. Januar von Infratest dimap gaben 64 Prozent der befragten AfD-Anhänger an, dass Migration für sie das wichtigste Thema der Politik sei. Unter Wählern der Union waren es 45 Prozent, unter allen Wählern 37.
Musk interagierte nicht nur im Gespräch mit Alice Weidel mit AfD-Vertretern. Eine Analyse des "Center für Monitoring, Analyse und Strategie" (Cemas) (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt) ergab, dass zwischen Oktober 2023 und Januar 2025 92 von 152 beobachteten AfD-Accounts auf Posts von Elon Musk reagierten. Am 25. Januar 2025 ließ sich Musk gar per Video zum AfD-Wahlkampfauftakt in Halle zuschalten, um für die Partei zu werben.
Datenanalysen (externer Link) deuten auch darauf hin, dass Alice Weidel stark an Reichweite auf X hinzugewann, weil Elon Musk Posts von ihr teilte. Anfang Dezember hatte Weidel noch weniger als 500.000 Follower auf der Plattform. Am 20. Dezember postete Musk erstmals auf X, nur die AfD könne Deutschland retten. In der Folge teilte er immer wieder Posts von Weidel und führte mit ihr das Live-Gespräch auf X. Am 27. Januar hatte Weidel bereits mehr als 930.000 Follower.
Fazit: Elon Musk unterstützt die AfD im Bundestagswahlkampf
Musk teilt für seine AfD-Unterstützung auch irreführende Grafiken über Ausländer in Deutschland. Laut BKA und einem Kriminologen ist es methodisch nicht korrekt, lediglich die Anteile von Tätern bestimmter Nationalitäten in der Polizeilichen Kriminalstatistik mit den Anteilen dieser Nationalitäten in der Wohnbevölkerung zu vergleichen. Ob und wie stark bestimmte Nationalitäten unter rechtskräftig verurteilten Vergewaltigern tatsächlich überrepräsentiert sind, wurde noch nicht hinreichend erforscht.
Migration ist ein Thema, das besonders ein rechtspopulistisches bis rechtsextremes Lager mobilisiert. Für viele AfD-Wähler ist Migration das wichtigste politische Thema bei der Bundestagswahl. Musk unterstützt die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextreme AfD offen im Bundestagswahlkampf. Datenanalysen deuten darauf hin, dass seine Unterstützung die Reichweite der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel stark erhöhte.
Quellen:
Baier, Dirk; Kliem, Sören und Pfeiffer, Christian: Zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland. Schwerpunkte: Jugendliche und Flüchtlinge als Täter und Opfer
Center für Monitoring, Analyse und Strategie: Elon Musk und die extreme Rechte in Deutschland auf X (I): Interaktionen mit der AfD
Elz, Jutta: Freisprechende Urteile in Fällen sexueller Gewalt
Frankfurter Allgemeine Zeitung: Musk katapultiert AfD nach vorn
Lorenz-Spreen, Philipp und Nenno, Sami: Do Alice Weidel and the AfD benefit from Musk's attention on X?
Statistisches Bundesamt: Ausländische Bevölkerung nach Altersgruppen und ausgewählten Staatsangehörigkeiten
Statistisches Bundesamt: Ausländische Bevölkerung nach Geschlecht und ausgewählten Staatsangehörigkeiten
Statistisches Bundesamt: Tatverdächtige
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!