Welche Ansprüche haben Betroffene, über die in sozialen Netzwerken Falschbehauptungen verbreitet werden? Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beschäftigt. Konkret ging es um eine Klage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Renate Künast gegen den Facebook-Konzern Meta. Wann der Senat eine Entscheidung verkünden will, blieb zunächst offen. (Az. VI ZR 64/24)
Falsches Zitat: Was will Künast erreichen?
Gegenstand des Verfahrens ist ein sogenanntes Meme, das ein Bild von Künast mit einem angeblichen Zitat zeigt: "Integration fängt damit an, dass sie als Deutscher mal Türkisch lernen." Die Wort-Bild-Kombination wurde bei Facebook in unterschiedlichen Varianten veröffentlicht und geteilt.
Die Krux: Künast hat den Satz nie gesagt. Sie will vor Gericht unter anderem erreichen, dass Facebook alle "kerngleichen" Varianten des Memes löschen muss - ohne, dass die Grünen-Politikerin noch einmal auf die jeweiligen Internetadressen hinweisen muss. In den Vorinstanzen hatten das Landgericht und Oberlandesgericht Frankfurt ihr diesbezüglich Recht gegeben.
Organisation unterstützt Grünen-Politikerin bei Klage
"Wenn jemand ein Zitat erfindet, schadet es einem", sagte die Politikerin nach der Verhandlung in Karlsruhe. "Es führt dazu, dass sich Leute aufregen, was die für eine komische Position in Sachen Integration hat." Das tangiere ihre Glaubwürdigkeit.
Künast wies Meta auf mehrere Fundstellen des Falschzitats hin. Der Konzern löschte sie. Die vielen Memes, die mit anderer URL hochgeladen und geteilt wurden, blieben aber stehen. Im April 2021 reichte Künast Klage ein, um zu erreichen, dass diese falschen Zitate gesucht, geprüft und gelöscht werden. Unterstützt wurde sie dabei von der Organisation Hate Aid.
So liefen die bisherigen Verfahren
Ein Jahr später, im April 2022, gab das Landgericht Frankfurt am Main der Politikerin Recht. Meta müsse das Meme in allen Varianten aufspüren und löschen, entschied es. Künast müsse dafür nicht auf jede einzelne kerngleiche Variante hinweisen und deren URL mitteilen. Rein automatisiert funktioniert ein solcher Abgleich nicht, Meta müsste dafür nach eigenen Angaben Moderatoren einsetzen.
Das Gericht sprach Künast außerdem eine Entschädigung von 10.000 Euro zu, weil ihr Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Meta legte gegen das Urteil Berufung ein. Im Januar 2024 bestätigte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt die Entscheidung des Landgerichts größtenteils, das Schmerzensgeld sprach es Künast aber nicht zu. Dieses OLG-Urteil wird nun vom BGH überprüft.
Die Frankfurter Gerichte bezogen sich bei ihren Entscheidungen auf deutsches Recht. Der BGH glaubt nun, dass möglicherweise auch EU-Recht berücksichtigt werden sollte, konkret die Datenschutzgrundverordnung und das neue Gesetz für digitale Dienste. So könnte wichtig sein, ob Meta hier als Verantwortliche gilt, die über die Verarbeitung personenbezogener Daten entscheidet.
Andeutungen des Richters
Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg liegt aktuell ein Fall aus Rumänien vor, in dem diese Frage eine Rolle spielt. Um Facebook geht es dabei zwar nicht, sondern um den Betreiber eines Onlinemarktplatzes. Zu Beginn der Verhandlung am BGH deutete der Vorsitzende Richter Stephan Seiters aber an, dass die Richterinnen und Richter in Karlsruhe die Entscheidung aus Luxemburg abwarten könnten.
Dort gibt es noch keinen Urteilstermin. Möglich wäre auch, dass der BGH selbst dem EuGH Fragen vorlegt und deren Beantwortung abwartet - oder dass er zu einem späteren Zeitpunkt direkt entscheidet.
Mit Informationen von dpa und AFP
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