Erzbischof Gänswein (Archivbild)
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Erzbischof Gänswein hat eine neue Aufgabe im Baltikum. (Archivbild)

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Gänsweins neue Aufgaben im Baltikum

Ins Baltikum wird Erzbischof Gänswein, der langjährige Privatsekretär von Papst Benedikt XVI. bald umziehen, dort wird er als Botschafter den Vatikan vertreten. Schon lange war in Rom darüber spekuliert worden.

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Als "Rom des Ostens" wird die neue Heimat von Erzbischof Georg Gänswein bezeichnet, in Vilnius stehen die mehr als 50 Kirchen dicht an dicht. Barocke Glockentürme ragen in den Himmel, daneben finden sich Bauten aus der Zeit der Gotik und der Renaissance. Seit 1994 zählt die schöne und gut erhaltene Altstadt zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Hier, in der Hauptstadt von Litauen, hat die sogenannte Apostolische Nuntiatur, also die Botschaft des Heiligen Stuhls ihren Sitz. Neben Litauen gehören die weiteren baltischen Staaten Estland und Lettland zu Gänsweins neuem Aufgabengebiet.

Ein Buch und die Folgen

Er freue sich auf die künftige Aufgabe, sagte Georg Gänswein der Würzburger Zeitung "Die Tagespost". Er betrachte sie "auch als Vertrauenserweis des Papstes mir gegenüber". Mit Papst Franziskus war das Verhältnis über lange Zeit äußerst angespannt gewesen, im vergangenen Sommer schickte der Papst den gebürtigen Schwarzwälder in sein Heimatbistum Freiburg zurück – ohne Aufgabe. Dieses Exil, so gibt Gänswein in dem "Tagespost"-Interview zu, sei "eine bittere persönliche Erfahrung" gewesen.

Gänswein hatte kurz nach dem Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. im Januar 2023 das Buch "Nichts als die Wahrheit" veröffentlicht, darin plaudert er viele vertrauliche Details aus, zu denen er als langjähriger Privatsekretär Zugang hatte. Mehrere hochrangige Kirchenvertreter kritisierten dies scharf, der Wiener Kardinal Christoph Schönborn nannte die Enthüllungen eine "ungehörige Indiskretion".

Gänswein wurde beurlaubt

Auch Franziskus war not amused. In einem Interview im April dieses Jahres rechnete er mit Gänswein erstmals offen ab. Die Buchveröffentlichung habe er erlebt als einen "Mangel an Noblesse und Menschlichkeit". Der Papst warf dem ehemaligen Privatsekretär ebenfalls vor, dieser habe Benedikt XVI. in seinen letzten Lebensjahren instrumentalisiert und bewusst von der Außenwelt abgeschottet.

Ihm als Papst habe er "häufig Schwierigkeiten bereitet". In "Nichts als die Wahrheit" hatte Gänswein sich auch enttäuscht über Franziskus geäußert. Dieser hatte ihn von seinem Posten als Präfekt des Päpstlichen Hauses beurlaubt, den er seit 2012 innehatte – einer der wichtigsten Jobs im Vatikan.

Baltikum eine Herausforderung

Mit der Ernennung Gänsweins zum Vatikan-Botschafter zeigt der 87-jährige Franziskus, dass er vergeben kann, zu einem Neuanfang bereit ist und Vertrauen hat in die Fähigkeiten des Erzbischofs. Denn der Diplomatenposten im Baltikum ist sehr wichtig, haben es doch die drei Länder in religiöser, in kultureller und vor allem in geopolitischer Hinsicht in sich.

Noch 1990 waren sie ein Teil der Sowjetunion, seit 2004 gehören Estland, Litauen und Lettland zur EU und zur NATO. Nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine ist die Angst vor einem Angriff Russlands noch größer geworden; das Baltikum ist nur über einen rund 65 Kilometer breiten Streifen, der sogenannten Suwalki-Brücke, mit Polen und damit mit einem anderen NATO-Mitglied verbunden. Schon seit längerem bereitet man sich hier auf den Ernstfall vor, die Menschen befürchten, sie könnten die nächsten auf der Liste des russischen Machthabers Putin sein.

Gänswein holt sich Ratschläge aus Bayern vor Abreise

Vor seinem Abschied nach Vilnius hat Georg Gänswein am Samstag erstmalig die Stadt Amberg besucht, da er am Samstagabend das dortige Mariahilfbergfest feierlich eröffnet hat. Den Besuch in Amberg bezeichnet Gänswein nicht als Abschiedsbesuch. Im Gegenteil: "Es ist sozusagen ein Erstbesuch bei der Muttergottes. Dort nehme ich mir jetzt ein paar Ratschläge mit. Insofern kann ich sagen, also bevor ich dann jetzt Richtung Nordosten Europas reise, war ich vorher in Bayern. Das liegt ja auch schon von Freiburg aus gesehen im Norden."

Das christliche Fest in Amberg geht auf die Zeit der Pest zurück. Die Amberger hatten auf dem Mariahilfberg eine kleine Kapelle errichtet, um für das Ende der Seuche zu beten. Bereits am Samstagnachmittag hat sich Gänswein in das Goldene Buch der Stadt Amberg eingetragen.

Viele Katholiken in Litauen

Die Ratschläge aus Amberg kann Gänswein gebrauchen, denn in religiöser Hinsicht steht er vor großen Herausforderungen. In Litauen sind rund 80 Prozent Katholiken, in Lettland sind es etwas mehr als 20 Prozent – weitaus mehr, rund 35 Prozent, gehören dem evangelisch-lutherischen Glauben an. Auch die orthodoxe Kirche ist vertreten, in Riga, der Hauptstadt Lettlands, leben viele russisch sprechende Menschen.

In Estland wiederum sind von den 1,3 Millionen Esten nur rund 6.000 Katholiken. Denn mit der Eroberung durch das protestantische Schweden im 17. Jahrhundert kam auch der lutherische Glaube in das kleinste der baltischen Staaten. Heute gehört die Hälfte der Christen der evangelisch-lutherischen Kirche an, die anderen der orthodoxen. Aber die große Mehrheit der Esten ist konfessionslos.

Papst Franziskus besuchte das Baltikum 2018

Er sei guter Dinge, sagte Gänswein im Gespräch mit der "Tagespost" und "gehe mit Zuversicht auf die neue diplomatische Mission zu". 1991 hatte Papst Johannes Paul II. die offizielle Vertretung des Heiligen Stuhl in Vilnius einrichten lassen, zwei Jahre später besuchte er die drei baltischen Staaten. Auch Papst Franziskus war schon dort, im September 2018.

In Litauen, einem Land, das viele grausame Fremd-Diktaturen ertragen musste, erinnerte er an das Leid auf diesem Boden und verband dies gleichzeitig mit Optimismus. Litauen möge ein Leuchtturm der Hoffnung sein, so betete Franziskus im KBG-Museum von Vilnius. "Es möge kreative Anstrengungen zur Verteidigung der Rechte aller Menschen fördern, insbesondere der schutzlosesten und verletzlichsten." Diese eindringlichen Sätze sind aktueller denn je, bei der Stelle mit politischer Brisanz wird Erzbischof Georg Gänswein als künftiger Diplomat viel zu tun haben.

Im Audio: Georg Gänswein wird Vatikan-Botschafter im Baltikum (24.06.24)

Erzbischof Georg Gänswein
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Erzbischof Georg Gänswein wird Botschafter des Vatikans im Baltikum.

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