Archivbild: Feuerwehrleute im Einsatz am 1. Januar 2023 - sie waren gerufen worden, weil mehrere Autos in Flammen standen.
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Feuerwehrleute, die bei Einsätzen angegriffen werden: Jede zweite Einsatzkraft berichtet, schon einmal Gewalt erlebt zu haben.

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Gewalt gegen Feuerwehrleute – kommt jetzt ein Böllerverbot?

Es wird gepöbelt, beleidigt, geschlagen. Feuerwehrleute erleben zunehmend Gewalt. Jede zweite Einsatzkraft war schon betroffen, wie eine neue Umfrage zeigt. Solche Angriffe sind keine Einzelfälle und kein Silvesterphänomen. Was hilft dagegen?

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In Thüringen sind Feuerwehrleute mit einem Gasbrenner und Benzin angegriffen worden. In Baden-Württemberg fuhr ein Autofahrer einer Einsatzkraft über den Fuß, weil er mit einer Straßensperrung nicht einverstanden war. Und in Hamburg wurden Feuerwehrleute mit Raketen und Böllern beworfen, als sie brennende Müll-Container löschen wollten.

Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, könnte noch viele weitere Beispiele aufzählen. Sie geben nur einen kleinen Einblick, was Einsatzkräfte in Deutschland erleben. Auch während der aktuellen Hochwassereinsätze müssten Feuerwehrleute schlechte Erfahrungen machen: Beleidigungen und Diskussionen mit Betroffenen, warum die Feuerwehr schon in der einen Straße hilft, in der anderen aber noch nicht.

Umfrage zeigt Ausmaß der erlebten Gewalt

In einer bundesweiten Umfrage unter rund 6500 ehrenamtlichen Feuerwehrfrauen und -männern wird das ganze Ausmaß der Gewalt gegen Einsatzkräfte deutlich. Jede zweite Einsatzkraft berichtet, schon einmal Gewalt erlebt zu haben.

Die meisten sprechen von verbaler Gewalt. Dabei handelt es sich aber weniger um einfache Pöbeleien, als vielmehr um schwere Beschimpfungen und Beleidigungen, die die Betroffenen als sehr belastend empfinden und Einsätze mitunter behindern. Zweidrittel der befragten Einsatzkräfte haben Erfahrungen damit gemacht, dass sich Menschen am Einsatzort ihren Anweisungen verweigern. 80 Prozent beobachten Respektlosigkeit und mangelnde Wertschätzung gegenüber den Einsatzkräften.

In manchen Fällen kommt es auch zu gewalttätigen Angriffen gegen sie. 14 Prozent berichten beispielsweise, schon einmal mit Feuerwerkskörpern angegriffen worden zu sein – und das nicht nur an Silvester.

Bundesinnenministerin Faeser: Befragung ist trauriger Befund

Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD reagiert auf die vorgestellte Befragung mit den Worten: "Es ist ein trauriger und nicht hinnehmbarer Befund." Und: "Wir sehen hier eine Verrohung der Gesellschaft, die uns große Sorgen machen muss."

Täter: weniger Gruppen als vielmehr Einzelpersonen

Bei den Tätern handelt es sich vor allem um Einzelpersonen, beobachtet Thomas Wittschurky vom Deutschen Feuerwehrverband. "Gruppendynamische Prozesse spielen nur eine untergeordnete Rolle", sagt er. In den allerwenigsten Fällen standen die Täterinnen und Täter unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen. Das weit verbreitete Bild von betrunkenen Jugendbanden stimme so nicht.

Qualität und Zahl der Gewalttaten nimmt zu

Viele betroffene Einsatzkräfte zeigen die Täter bei der Polizei nicht an. Dahinter steckt wohl die geringe Hoffnung, dass die Vorfälle aufgeklärt werden können und die Täter entsprechend bestraft werden. Die Bundesregierung betont aber, dass die Strafvorschriften zum Schutz von Polizei- und Rettungskräften in den vergangenen Jahren verschärft wurden.

Die Vertreter des deutschen Feuerwehrverbands betonen: Gewalt gegen Einsatzkräfte ist nicht neu. Neu sei aber die Qualität und Menge an gewalttätigen Angriffen. Sie sorgen sich, künftig keinen Nachwuchs mehr zu finden – aus Angst, bei Einsätzen angegriffen und verletzt zu werden. Noch steige die Zahl der jungen Menschen, die sich bei der Feuerwehr engagieren. Verbandspräsident Karl-Heinz Banse berichtet von aktuell 330.000 Mädchen und Jungen in den Jugendfeuerwehren.

Aufklärungskampagne an Schulen

Derzeit versuche man zunehmend in Schulen um Verständnis für die Arbeit der Einsatzkräfte zu werben und darüber aufzuklären, was Feuerwehr und Ehrenamt konkret bedeuten.

In Berlin funktionierten solche Aktionen schon gut, andere Städte und Regionen sollen folgen. Vor allem die Zielgruppe der 16- bis 21-Jährigen soll in Zukunft besser erreicht werden, fordern Feuerwehrleute.

Forderung nach Böllerverbot

Unterdessen werden die Rufe lauter, zumindest in der Zeit mit den meisten Einsätzen – also rund um Silvester – die Feuerwehr- und Rettungskräfte zu entlasten. Umweltschützer, Mediziner und die Gewerkschaft der Polizei fordern ein Böllerverbot.

Der Gewerkschaftsvorsitzende Jochen Kopelke sagte in der Rheinischen Post: "Dass in diesem Jahr an Silvester in vielen Orten massive Angriffe mit Böllern auf andere Feiernde, Polizisten und Rettungssanitäter drohen, kann niemand überraschen." Die Polizei werde an den sogenannten Brennpunkten mit einem "massiven Personaleinsatz" vor Ort sein, um Gewaltexzesse wie im vergangenen Jahr zu verhindern. Kopelke ruft die Bevölkerung auf, Verdächtiges und Bedrohliches zu melden.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, mahnt: Feuerwerk schade Umwelt und Klima, Haus- und Wildtiere litten erheblich und die durch Böller verursachten Verletzungen bedeuteten eine zusätzliche Belastung für die Kliniken und Notaufnahmen. Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe beklagt: "Seit Jahren verweigern sich alle Bundesinnenminister und jetzt auch die SPD-Innenministerin, mit uns auch nur ein Gespräch über das von einer Mehrheit der Bundesbürger geforderte Böllerverbot zu führen."

Bundesregierung verweist auf Zuständigkeit der Länder

Die Bundesregierung weist diesen Vorwurf von sich. Ein generelles Verbot von Feuerwerkskörpern sei nur in enger Abstimmung mit den Bundesländern möglich. Die müssten so ein Verbot mit der Polizei durchsetzen.

Das sei auch wiederholt Thema gewesen bei den Innenministerkonferenzen zwischen Bund und Ländern, erklärt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums und sagt weiter: "Sie wissen, dass es da eine unterschiedliche Haltung unter den Bundesländern gibt, die Flächenstaaten auf der einen Seite und die Stadtstaaten auf der anderen." Der Chef der Polizeigewerkschaft, Jochen Kopelke, wirft der Politik Versagen vor.

Viele Städte sprechen lokale Böllerverbote aus

Das geltende Recht bietet den Ländern und Kommunen jedoch umfassende Möglichkeiten, Feuerwerk einzuschränken. In vielen Städten werden an besonderen Plätzen und in bestimmten Stadtteilen Böllerverbote verhängt.

So dürfen zum Beispiel in München Feuerwerkskörper in der gesamten Fußgängerzone nicht abgebrannt werden. Auch in anderen bayerischen Städten wie Augsburg, Regensburg und Nürnberg gelten lokal begrenzte Feuerwerksverbote. Rund um die staatlichen Schlösser und Burgen im gesamten Freistaat dürfen zum Jahreswechsel ebenfalls keine Raketen gezündet werden.

Feuerwehrverband wirbt dafür, Böllerei besser zu steuern

Der Deutsche Feuerwehrverband spricht sich trotz der vielen zusätzlichen Einsätze und großen Belastung rund um Silvester überraschenderweise nicht für ein generelles Böllerverbot aus. Aber: In bestimmten Bereichen, zum Beispiel in Innenstädten, trage man Verbote durchaus mit, so Verbandspräsident Karl-Heinz Banse. Er würde sogar begrüßen, wenn Städte und Gemeinden die Böllerei auf zentrale Stellen und Plätze begrenzen würden.

Im Video: Verkauf von Böllern und Raketen hat begonnen

Der Verkauf von Böllern, Raketen und Feuerwerk für Silvester 2023 hat begonnen. In Passau war der Andrang am Morgen groß.
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Der Verkauf von Böllern, Raketen und Feuerwerk für Silvester 2023 hat begonnen. In Passau war der Andrang am Morgen groß.

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