- Direkt zum Artikel: EU-Gesetz zu Gewalt gegen Frauen: Warum es zu scheitern droht
Ein EU-Gesetz gegen Gewalt an Frauen und für eine einheitliche Ahndung von Vergewaltigungen könnte noch in letzter Minute vor der Verabschiedung kippen. Grund sind Bedenken einiger Mitgliedsländer, darunter Deutschland. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat rechtliche Bedenken und ist deshalb mit scharfer Kritik von Frauenrechtlerinnen konfrontiert.
Unterhändler der EU-Mitgliedsländer und des Europaparlaments wollen sich am heutigen Dienstag im Grundsatz auf einen einheitlichen Gesetzestext für die Gewaltschutz-Richtlinie einigen. Der Straftatbestand der Vergewaltigung dürfte dabei ausgeklammert werden.
Strafverfolgung auch wenn es keine Gewalt gab
Eine europaweit gültige Definition scheitert laut Diplomaten am Widerstand von Deutschland, Frankreich, Ungarn und weiteren Mitgliedsländern. Sie argumentieren, der Vorschlag gehe über die EU-Kompetenzen hinaus und das Gesetz sei damit vor Europagerichten angreifbar.
Die EU-Kommission hatte das Gesetz gegen Gewalt an Frauen zum Internationalen Frauentag am 8. März 2022 vorgeschlagen. Täter sollten damit EU-weit wegen Vergewaltigung belangt werden können, auch wenn sie das Opfer nicht geschlagen oder bedroht haben. Bisher sind in 18 der 27 Mitgliedstaaten Gewalt oder Drohungen Voraussetzung für eine Strafverfolgung.
Bei Neuregelung wäre Prinzip "Ja heißt Ja" gültig
Frauenrechtlerinnen erhofften sich, mit der Neuregelung könne das Prinzip "Ja heißt Ja" europaweit Gültigkeit erhalten. Unter anderem in Schweden und Spanien gilt das bereits: Frauen müssen dem Sex ausdrücklich zustimmen, damit er als einvernehmlich gilt.
In Deutschland gilt seit einer Reform des Sexualstrafrechts 2016 dagegen das Prinzip "Nein heißt Nein". Eine Vergewaltigung liegt nur dann vor, wenn Frauen den Sex deutlich ablehnen. Sie müssen sich seit der Reform aber nicht mehr unbedingt körperlich wehren, sondern können dies auch durch Worte oder Gesten zum Ausdruck bringen.
Grundsätzlich beziehen sich die Paragraphen und rechtlichen Regelungen der genannten Länder auf alle Geschlechter. So müssen beispielsweise in Schweden und Spanien vor dem Geschlechtsverkehr alle beteiligten Personen der sexuellen Handlung zustimmen. Auch in Deutschland gilt das aktuell angewandte Prinzip für alle Geschlechter. Demnach soll jede sexuelle Handlung gegen den erkennbaren Willen eines Dritten unter Strafe fallen, unabhängig vom Geschlecht.
Kritik an Bundesjustizminister Buschmann
Wegen seines Neins zu den schärferen EU-Plänen steht Bundesjustizminister Buschmann in der Kritik. "Mit dieser Blockade-Haltung steht der Schutz von Millionen von Frauen vor Gewalt in der EU auf dem Spiel", heißt es in einem Ende Januar veröffentlichten Brief an den FDP-Politiker, den mehr als hundert Frauen aus Politik, Medien und Kultur unterzeichneten.
In anderen Punkten könnten sich die EU-Institutionen dagegen einig werden. Mit dem Gewaltschutzgesetz soll etwa die weibliche Genitalverstümmelung in ganz Europa als Straftat gelten. Zudem sollen das Stalking und Mobbing von Frauen im Internet EU-weit unter Strafe gestellt werden. Das Gleiche gilt für das böswillige Weiterverbreiten intimer Aufnahmen.
Jede dritte Frau in Europa hat Gewalt erlebt
Jede dritte Europäerin habe Erfahrungen mit Gewalt oder häuslicher Gewalt, heißt es von der EU-Kommission. Jede Zwanzigste sei Opfer einer Vergewaltigung. Jede zweite junge Frau klage zudem über sexualisierte Gewalt im Internet.
Mit Informationen von AFP
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