Raumfahrtenthusiasten. Österreichisches Weltraum Forum (ÖWF): Testung von Raumanzügen. Analogastronauten beim Außeneinsatz in Armenien
Bildrechte: ÖWF/Florian Voggeneder

Goldrausch im All · Das Geschäft mit der Raumfahrt

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Goldrausch im All – das Geschäft mit der Raumfahrt

Rohstoffe aus dem All, Leben auf dem Mars, als Tourist auf den Mond: Was für den Normalbürger nach Science-Fiction klingt, ist im sogenannten "New Space" schon zum Greifen nah. Ein Milliardengeschäft, von dem jeder profitieren will.

Über dieses Thema berichtet: BR Story am .

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Oder doch unendlicher Kommerz? Früher war der Griff nach den Sternen ein Prestigeprojekt der Supermächte. Inzwischen haben private Unternehmen die Raumfahrt als Geschäftsmodell entdeckt. Zahlreiche Start-ups entstehen, die Raketen bauen. Sie suchen nach technischen Lösungen für einen preiswerten Zugang ins All.

Spätestens seit Elon Musk mit SpaceX den Startschuss für die kommerzielle Raumfahrt gesetzt hat, ist der Wirtschaft klar: Die Revolution hat begonnen. Musks großes Ziel: die Menschheit auf den Mars zu bringen.

"New Space" – ein unendlicher Wirtschaftsraum

Das Weltall ist neben der Raumfahrt aber auch ein neuer, ein riesiger Wirtschaftsraum: "New Space" wird der genannt – und auch Deutschland möchte an ihm teilhaben, denn darin liegt die Zukunft und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. 2021 wurde in Berlin die "New Space-Initiative" gegründet, die zum Bundesverband der Deutschen Industrie gehört. Matthias Wachter leitet die Initiative. Schon jetzt geht es um einen Milliardenmarkt, da immer mehr Wirtschaftszweige von digitaler Vernetzung abhängig sind. Die Daten dafür werden meist vom All aus erhoben – via Satelliten.

Vieles klingt noch nach Science-Fiction, doch die Erwartungen sind hoch. Nach einer Studie des Bundesverbands der Deutschen Industrie soll der Markt für weltraumgestützte Anwendungen bis 2040 jährlich um 7,4 Prozent auf eine Billion Euro wachsen.

Große Müllhalde

Und so werden vorerst vor allem Satelliten in erdnahe Umlaufbahnen gebracht. 2023 sind dies mehr als 7.500 Stück – 4.000 davon gehören allein Elon Musk. Ein Jahr später hat er schon mehr als 6.000 Satelliten im All. 12.000 sind insgesamt geplant, also doppelt so viele. Das möchte China noch toppen, mit 13.000 eigenen Satelliten. Das Ergebnis: Schon heute gleichen die nahen Erdumlaufbahnen einer großen Müllhalde: 9.000 Tonnen Weltraumschrott kreisen dort.

"Müllabfuhr" in den Umlaufbahnen

Diesem Problem will sich das Österreichische Weltraum Forum – kurz ÖWF – annehmen. Unter der Leitung des Astrophysikers Gernot Grömer wird in der privaten Forschungseinrichtung an einem Nano-Satelliten gearbeitet, der nach Weltraumschrott sucht. Dabei geht es zum einen um die Sicherheit der Satelliten – denn schon millimetergroße Partikel können diese zerstören. Matthias Wachter sieht die Entfernung des Weltraumschrotts auch sonst als wichtige Aufgabe. "Dieses Problem muss viel offensiver angegangen werden, weil die Gefahr besteht, dass der Weltraum und der erdnahe Weltraum zugemüllt wird und wir damit langfristig unseren Zugang ins All verlieren", sagt er.

Eine Reise Richtung Mars

Die Beseitigung des Weltraumschrotts ist nur ein Projekt des Österreichers: Im Firmensitz in Innsbruck wird vor allem an der Besiedlung des Mars gearbeitet. Hier führt er Analog-Missionen durch, bei denen sogenannte Analog-Astronauten auf der Erde Erkenntnisse für die Reise zum roten Planeten sammeln. "Wir gehen davon aus, dass in den nächsten 20 bis 30 Jahren die ersten Menschen tatsächlich auf dem roten Planeten landen werden. Das heißt aber auch, dass derjenige Mensch, der den ersten Schritt auf den Roten Planeten setzen wird, schon jetzt geboren ist", ist sich Grömer sicher. "Wir sind sozusagen die Generation der Schiffsbauer, die mit diesen Gerätschaften die wahrscheinlich mit Abstand komplexeste und gefährlichste Reise ermöglichen werden, die eines Tages zu einer neuen Welt führen wird."

Ein Raumanzug als Simulator

Derzeit arbeitet das Team an einem Raumanzugsimulator – eine Art Raumschiff zum Anziehen, in dem man essen, trinken oder auf die Toilette gehen kann und gleichzeitig die Vitalfunktionen des Astronauten messen kann. Der Anzug wird von den Wissenschaftlern seit über zehn Jahren immer weiter optimiert. "Dieser Raumanzug Simulator ist europaweit einzigartig. Es ist mit Abstand das beste Simulationswerkzeug, mit dem wir die Belastungen eines Tages simulieren können, wie Menschen auf dem Mars arbeiten und leben werden können", so Grömer.

Eine Mission in Armenien

Doch es wird auch außerhalb der Labore und Werkstätten getestet: AMADEE-24 heißt die diesjährige Mission, die in Kooperation mit der Armenischen Weltraumagentur in der Region Ararat stattfindet, eine Umgebung mit einerseits mars-ähnlicher Geologie und andererseits strukturellen Problemen. BR Story begleitet die Mission durch Höhen und Tiefen.

Preiswerte Raketen – made in Augsburg

Während in Österreich und Armenien an der Marsmission gearbeitet wird, ist man in Augsburg dabei, Raketen zu entwickeln, die konkurrenzlos preiswert sein sollen. Der Kopf dahinter ist Stefan Brieschenk. In Australien hat er Raketenbau studiert und zehn Jahre lang in der Branche gearbeitet. 2018 hat Brieschenk schließlich mit einem Partner die Rocket Factory Augsburg an den Start gebracht. 250 Experten aus 40 Nationen arbeiten an der Entwicklung der Rakete. Einmal wöchentlich möchte die Rocket Factory Raketen starten und damit kostengünstig Satelliten für ihre Kunden in den Orbit bringen. Wie Elon Musk ist auch Stefan Brieschenk überzeugt, dass der Mensch zur intergalaktischen Spezies wird.

"Es gibt unendlich viel, das Weltall ist unendlich groß, wir haben unendlich viel Power, unendlich viel Wohlstand. Es ist alles unendlich groß. Ich muss nur hin und es holen." Stefan Brieschenk

Mit KI und 3D-Drucker ins All

Finanziert wird die Rocket Factory vom Wagniskapital der Investoren. Um Kosten zu senken, werden Standardkomponenten aus der Industrie benutzt – wie etwa Bier-Lager-Tanks von Brauereien. Diese Idee, so erzählt Brieschenk, habe ihm eine künstliche Intelligenz geliefert. Ansonsten nehmen seine Ingenieure für den Raketenmotor bevorzugt Teile aus der Autoindustrie oder dem 3D-Drucker.

Die Rocket Factory in Augsburg ist eines von drei deutschen Start-ups, die kleine Trägerraketen zum Transport von Satelliten entwickeln. Mehr als 100 Firmen weltweit versuchen das Gleiche, also möglichst günstig Raketen zu bauen. Deshalb müsse man nicht nur unter Geheimhaltung arbeiten, sondern besonders schnell sein, sagt Brieschenk. Er ist überzeugt: Neue Technologien werden unser Leben auf der Erde immer weiter verbessern. "Europa muss einen eigenen Schlüssel zum Weltraum behalten" und das Geschäft mit dem All nicht China und den USA überlassen, mahnt der Raketeningenieur.

"Old Space" beeindruckt vom "New Space"

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist ein Partner der Augsburger Hoffnungsträger. Das staatliche Unternehmen wiederum zeigt sich beeindruckt von der Chuzpe der "Jungen Wilden". "New Space ist ein anderer Mindset. Der trägt dazu bei, dass die Raumfahrt und die Anwendungen, die durch Raumfahrt möglich werden, wirklich für jedermann wichtig werden, erschwinglich werden und alltäglich werden", sagt Michael Kupke vom DLR.

Revolution auch im Autobau

Und der "Junge Wilde“ Brieschenk möchte noch mehr: Tagsüber baut er Raketen, am Abend möchte er den Automotor revolutionieren. Es geht um einen Verbrennungsmotor komplett ohne Abgase – mit Raketenantrieb. "Ich baue ihn schon seit fast zehn Jahren jetzt. Das hört sich verrückt an. Und jetzt bin ich aber an dem Punkt, wo ich zum ersten Mal gezeigt habe, dass das tatsächlich funktioniert."

Und was ist mit den Risiken?

Die Risiken des New Space werden eher selten in den Blick genommen. Einer der wenigen, die das tun, ist Europa-Politiker Fabio De Masi. Der Volkswirtschaftler hat sich als akribischer Aufklärer zahlreicher Finanzaffären einen Namen gemacht. Nun warnt er vor den Schattenseiten der rasanten Entwicklung in der Raumfahrt und beruft sich auf die völkerrechtlichen Verträge. Darin steht: Das All darf nicht privatisiert werden. "Und das findet gerade statt", meint er.

All die Konflikte, die darin liegen, kenne man ja schon von unserem Planeten. Im All würden die Streitigkeiten natürlich noch viel heftiger, so Fabio De Masi. Die Europäische Union solle deshalb lieber ihre Kräfte bündeln und sich dafür einsetzen, dass Spielregeln im All aufgestellt werden. Denn: "Ein Jeff Bezos oder Elon Musk, die machen da, was sie wollen."

Doch wird sein Ruf nach mehr Regulierung auch Gehör finden wird? Für die "New-Space-Pioniere" gibt es – so scheint es – kein Zurück. Schließlich lockt der grenzenlose Weltraum mit all seinen Schätzen.

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