Robert Habeck, in einem ganz normalen Pullover am Küchentisch einer ganz normalen Erzieherin. Mit solchen Bildern stellt die Grünen-Spitze ihr Wahlprogramm vor. Es sind Ausschnitte aus den Videos, mit denen der Kanzlerkandidat Habeck aktuell Wahlkampf macht: Küchentischgespräche mit Bürgerinnen und Bürgern, in denen sich der Wirtschaftsminister als bodenständiger Zuhörer inszeniert. Politik für normale Menschen und ein bezahlbares Leben – dieser Ansatz zieht sich durch den Programmentwurf, den der Bundesvorstand am Dienstag vorgestellt hat.
Führerscheinzuschuss für Auszubildende
Die Grünen sind sichtlich bemüht, neue Wählergruppen anzusprechen. Weniger Großstadt und Besserverdienende, mehr Land und kleine Leute. Robert Habeck spricht von einem "lebenswirklich geerdeten" Programm. Besonders heraus greift er einen Führerscheinzuschuss für Auszubildende auf dem Land. Eine Forderung, die aus den Bürgergesprächen in das Programm eingeflossen sei – das sich an die "lieben Bürgerinnen und Bürger" richtet, nicht mehr wie in vorherigen Wahlkämpfen an die "Wähler*innen".
Wirtschaftspolitik als klare Priorität
Anders als 2021 steht beim aktuellen Programm auch nicht der Klimaschutz an erster Stelle, sondern die Wirtschaftspolitik. Man wolle das Leben bezahlbar machen, Bürger und Unternehmen entlasten. Die Energiepreise sollen runter. Dafür planen die Grünen, die Stromsteuer zu senken. Außerdem will die Partei Strompreiskompensationen für besonders energieintensive Unternehmen. Ähnliche Vorschläge finden sich auch im Programm der SPD und der Union.
Vor allem aber plädieren die Grünen für mehr Investitionen. Als zentrales Instrument schlagen sie einen sogenannten Deutschlandfonds vor. Eine Art kreditfinanziertes, jährliches Sondervermögen für Zukunftsinvestitionen wie die Sanierung von Schulen und Kitas. Die Idee findet sich bereits in einem Impulspapier von Robert Habeck von Ende Oktober. Und auch die SPD hat den Vorschlag in ähnlicher Form in ihrem Wahlprogramm.
Mehr Schulden und Steuern für Superreiche
Finanziert werden sollen die Vorhaben zum einen durch eine Reform der Schuldenbremse. Zum anderen wollen die Grünen hohe Vermögen stärker besteuern. Denkbar seien etwa eine "fairere Erbschaftssteuer" oder eine Vermögenssteuer. Bei diesem Thema grenzen sich die Grünen besonders von der Union ab, die statt neuer Schulden und Steuern etwa am Bürgergeld sparen möchte. Robert Habeck betont, man wolle das Land nicht auf Kosten der Schwächsten sanieren. Es sei außerdem nicht möglich, die aktuellen Herausforderungen ohne zusätzliche Schulden zu meistern.
Und wo bleibt die Klimapolitik?
Es dauert auffällig lange, bis die Grünen bei ihrer Programmvorstellung ausführlich auf die Klimapolitik zu sprechen kommen. Nach rund einer halben Stunde ergreift Co-Chef Felix Banaszak als letzter Redner aus der Parteispitze das Wort. Der Parteilinke streift kurz das Pariser Klimaabkommen, bevor er auf soziale Gerechtigkeit zu sprechen kommt.
Klimaschutzmaßnahmen müssten sozial gestaffelt werden. Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen verspricht er ein Klimageld. Die staatlichen Einnahmen aus dem steigenden CO₂-Preis sollen so den Bürgern zugutekommen. Das Vorhaben stand bereits im Koalitionsvertrag der Ampel, wurde aber von der FDP blockiert.
Von einer niedrigeren Priorität für den Klima- und Naturschutz will man aber nicht sprechen. Vielmehr sieht die Parteispitze den Erhalt der Lebensgrundlagen als Querschnittsthema, das alle Politikfelder betrifft. Eine ähnliche Gewichtung hatten auch die bayerischen Grünen auf ihrer Delegiertenkonferenz Ende Oktober vorgenommen. Dort sprachen sich die Landesvorsitzenden für günstigere Lebenshaltungskosten als eines der wichtigsten Ziele der Grünen aus.
Habeck steht klar im Mittelpunkt
Um diesen Spagat zwischen erhofften neuen Wählern und der eigenen Öko-Klientel zu meistern, setzen die Grünen stark auf ihren Küchentisch-Kandidaten Robert Habeck. Annalena Baerbock spricht ausführlich über Außenpolitik, Habeck steht aber klar im Mittelpunkt der Veranstaltung. Die Kampagnenvideos sollen ihn als zugewandten, menschlichen Politiker zeigen, der inhaltliche Differenzen überbrückt.
Es dürfte spannend werden, inwieweit ihm das bei den eigenen Leuten gelingt. Nach der Vorstellung des Programms warten zwei Aktivisten von Fridays for Future vor dem Gebäude. Sie protestieren gegen die aus ihrer Sicht zu lasche Klimapolitik der Grünen. Ob sich die Klimaaktivisten mit Robert Habeck an den Küchentisch setzen würden, ist mit Blick auf das neue Programm der Grünen fraglich.
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