Eine leere Trage steht vor einem Rettungswagen.
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Gutachten: Deutscher Rettungsdienst in der "Systemkrise"

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Gutachten: Deutscher Rettungsdienst in der "Systemkrise"

Gutachten: Deutscher Rettungsdienst in der "Systemkrise"

Das Rettungswesen in Deutschland leidet unter erheblichen strukturellen Mängeln, so das Fazit eines aktuellen Gutachtens. Ein Kritikpunkt: die mangelnde Vernetzung zwischen Bund und Ländern. Reformen sind nötig – eine ist schon auf dem Weg.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Das Rettungswesen in Deutschland befindet sich in einer "Systemkrise". Bund und Länder kommen ihrer Schutzpflicht zur medizinischen Notfallversorgung nur unzureichend nach. Das ist das Ergebnis eines Gutachtens des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo di Fabio, das jetzt in Berlin vorgestellt wurde.

Zwar sei nicht alles "katastrophal" – in vielen Regionen in Deutschland funktioniere das Rettungssystem, betonte di Fabio. Es bestünden aber erhebliche Qualitätsunterschiede in der Fläche, sowie zwischen Stadt und Land. Die Infrastruktur sei über Jahre nicht gepflegt worden, nicht überall komme Hilfe schnell und für den konkreten Notfall passend an.

Verfassungsrechtler: Staat schuldet funktionsfähiges Rettungswesen

Dabei habe der Bund die Pflicht, für genügend Rettungspersonal und gute Strukturen zu sorgen, damit Notfallpatienten die bestmöglichen Überlebenschancen haben. Diese Schutzpflicht des Staates folge aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Obwohl grundsätzlich die Länder für die Organisation des Rettungsdienstes zuständig seien, könne der Bund Rahmenbedingungen vorgeben und dadurch einheitliche Standards schaffen. Das sollte er auch tun, empfiehlt Verfassungsrechtler di Fabio.

Rettungsdienst auf Niveau von Entwicklungsländern

In Auftrag gegeben hatte das Gutachten die Björn-Steiger-Stiftung. Deren Präsident, Pierre-Enric Steiger, kritisiert, die Strukturen im deutschen Rettungswesen hätten mittlerweile das Niveau von Entwicklungsländern. "Der Zustand ist inzwischen so prekär, dass wir mit aller Deutlichkeit sagen: In Deutschland sterben jeden Tag Menschen systembedingt." Vor gut 20 Jahren habe die Bundesrepublik in der Welt noch als Vorbild gegolten.

Ein Problem sieht Steiger vor allem in der mangelnden Vernetzung der einzelnen Rettungsdienste untereinander. "Die Blockierer sitzen auf kommunaler Ebene. Jeder pocht darauf, dass er seine eigene Leitstelle hat." Die Folge sei eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme und mangelnder Datenaustausch.

Es sei "absurd", dass "wir Rettungsdienstbezirke haben, die eine dickere und festere Mauer haben als früher die Mauer in Berlin", so Steiger. Wer nicht wisse, ob vielleicht ein Rettungswagen aus einem anderen Bezirk näher an der Unfallstelle ist, verliere bei der Rettung von Menschenleben wertvolle Zeit.

Bayerisches Innenministerium: Leitstellen sind vernetzt

In Bayern gibt es insgesamt 25 Integrierte Leitstellen (ILS), die Notrufe annehmen. Die Kritik der mangelnden Vernetzung teilt man im Innenministerium nicht. Die Leitstellen seien miteinander verbunden, der Austausch von Einsatz- und Standortinformationen erfolge automatisiert, "unabhängig bestehender Verwaltungsgrenzen", heißt es auf BR24-Nachfrage.

Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, die selbst aus Bayern stammt, sieht den Rettungsdienst im Freistaat grundsätzlich gut aufgestellt, beklagt aber Personalknappheit und fehlende Ausstattung. Eine Reform sei daher "notwendig und überfällig", betont sie im Gespräch mit BR24.

Rettungsdienst soll bis Anfang 2025 reformiert werden

Am Mittwoch hatte das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung verabschiedet. Dieser muss im Herbst noch durch den Bundestag. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will dann zusätzlich Verbesserungsvorschläge im Bereich der Rettungsdienste ins Parlament einbringen. Welche das konkret sind, ist noch offen.

Janosch Dahmen, Grünen-Bundestagsabgeordneter und selbst Notfallmediziner, betonte, Bund und Länder sollten bei der Reform des Rettungswesens an einem Strang ziehen. "Ich sehe da kein Gegeneinander, sondern einen gemeinsamen Auftrag, der durch das Gutachten noch einmal unterstrichen wird." In Kraft treten sollen die Reformen bereits Anfang nächsten Jahres – so zumindest der Plan.

Hinweis der Redaktion: Wir haben in einer früheren Version des Textes an einer Stelle versehentlich "Björn-Bürger-Stiftung" geschrieben; richtig ist "Björn-Steiger-Stiftung". Wir haben die Passage korrigiert.

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