In ihrem erst in der vergangenen Woche vorgestellten Jahresbericht betont die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Eva Högl (SPD), es gebe Fortschritte bei der Ausstattung der Bundeswehr. Sie stellt aber fest, dass es nach wie vor "insbesondere an funktionstüchtigem Großgerät und Ersatzteilen" mangelt. Ein "auskömmlicher Verteidigungsetat" sei deshalb auch in der Zukunft "unerlässlich für die Einsatzbereitschaft und Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr", folgert Högl.
Großprojekte für die Bundeswehr in Reichweite
Der Weg zu eben jenem Etat ist nun geebnet. Für die Verteidigung darf die Bundesregierung bald Schulden machen, ohne sich an bisherige Grenzen halten zu müssen. Der Bundesrat folgte jetzt einem entsprechenden Bundestagsbeschluss vom Mittwoch.
Für die Bundeswehr rücken damit wohl Großprojekte in Reichweite, die schon länger auf der Wunschliste stehen. Ein beispielhafter Blick ins Heer zeigt, worum es dabei gehen könnte. Denn seit Längerem wird an der Aufstellung der sogenannten "Mittleren Kräfte" gearbeitet. Bislang sind aber längst nicht alle Waffensysteme eingekauft worden. Der Bedarf ist groß – auch bei Munition und Kommunikationsmitteln. In Bundeswehrkreisen keimt nun Hoffnung auf, dass mehr Bewegung in die Beschaffung kommt.
Neue "Kräftekategorie"
Mit den Mittleren Kräften will das Heer eine Lücke schließen, die die Militärplaner ausgemacht haben. Es handelt sich um Einheiten, die mit Radpanzern ausgestattet sind. Das heißt: Sie sind vergleichsweise mobil, weil sie auch auf Straßen weite Strecken zügig zurücklegen können, ohne die Fahrzeuge dabei zu sehr zu beanspruchen. Davon verspricht sich das Heer eine abschreckende Wirkung, läge ein etwaiger Einsatzraum deutscher Soldatinnen und Soldaten doch mutmaßlich in einem östlichen NATO-Staat wie Litauen.
Zusätzlich zu den Mittleren Kräften gibt es "Schwere" und "Leichte Kräfte". Mit ersteren sind Verbände gemeint, die über Kettenfahrzeuge wie Kampf- oder Schützenpanzer verfügen. Diese sind stark gepanzert und schwer bewaffnet, allerdings auch langsam und bei Verlegungen über große Strecken auf Lastwagen oder die Bahn angewiesen. Unter "Leichten Kräften" versteht das Heer Infanterieeinheiten wie Fallschirm- oder Gebirgsjäger. Diese sind schnell verlegbar, etwa per Flugzeug oder Hubschrauber – aber eben auch nur leicht bewaffnet.
Radpanzer auf der Wunschliste
Um die Mittleren Kräfte aufzustellen, bekommen im Wesentlichen bestehende Einheiten neue Aufträge und neues Gerät. Als eine Art Basisfahrzeug wird bereits jetzt der Radpanzer "Boxer" genutzt. Er lässt sich mit verschiedenen Modulen ausrüsten, das Fahrgestell bleibt immer das gleiche. Die Bundeswehr setzt ihn bisher etwa als Mannschaftstransport-, Führungs- oder Sanitätsfahrzeug ein. Es handelt sich um ein gemeinsames Produkt der Hersteller Rheinmetall und KNDS aus München.
Für die Mittleren Kräfte wurden bereits neue Boxer-Bestellungen auf den Weg gebracht. Im vergangenen Jahr bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestages den Kauf von 123 Gefechts-Fahrzeugen auf Boxer-Basis für 1,94 Milliarden Euro. Diese Fahrzeuge werden unter anderem mit einer 30-Milimeter-Kanone und Panzerabwehrraketen ausgestattet. Um Reserven aufzubauen oder Munition zu kaufen, könnte der neue finanzielle Spielraum aber hilfreich sein.
Radhaubitzen und Flugabwehr
Darüber hinaus hat das Heer für die Mittleren Kräfte derzeit noch großen Bedarf an Radhaubitzen auf Boxer-Basis. Konkret geht es um das neuartige Waffensystem RCH 155, welches ebenfalls von KNDS gefertigt wird. Eigentlich hätte der Haushaltsausschuss über die Beschaffung von 80 ersten Systemen noch im alten Jahr entscheiden sollen. Bislang steht die Entscheidung aus. Das Heer wünschte sich jedoch ursprünglich etwas mehr als doppelt so viele RCH-155. Gut möglich, dass der neue finanzielle Spielraum nach dem Wegfall der Schuldenregeln zur Beschaffung der zusätzlichen Haubitzen nebst Ersatzteilen und Munition beitragen könnte.
Dies gilt unter anderem auch für weitere Waffensysteme zur Flugabwehr: Im Februar vergangenen Jahres stimmte der Bundestag der Beschaffung des Waffensystems "Skyranger 30" zu. Dabei handelt es sich um einen Geschützturm, der ebenfalls auf einen Radpanzer vom Typ Boxer montiert ist. Mit Mitteln des Sondervermögens wurden zunächst 19 Fahrzeuge nebst Zubehör sowie Fahrzeugen zum Nachladen bestellt. Paket-Preis: 650 Millionen Euro.
Der entsprechende Rahmenvertrag sieht laut Angaben der Bundeswehr allerdings die Beschaffung von insgesamt bis zu 49 Skyrangern vor. Für die restlichen 30 könnte die neue Regierung nun leichter Schulden machen. Ohnehin sehen Bundeswehrkreise hier einen weitaus höheren Bedarf. Das Heer hat insbesondere bei der Flugabwehr große Lücken.
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