Der Deutsche Journalisten-Verband fordert die EU-Kommission auf, ein Rechtsstaatsverfahren gegen die Slowakei einzuleiten. Der Grund: Das slowakische Parlament hatte der Auflösung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders RTVS zugestimmt.
Premier Robert Fico wirft der Sendeanstalt vor, voreingenommen zu sein und will einen neuen Sender gründen. Die Opposition hatte monatelange gegen die umstrittene Reform protestiert, sie wirft dem Fico-Lager eine Übernahme durch die Regierung vor. Der slowakische Nationalrat umfasst 150 Sitze, davon stimmten alle 78 Abgeordneten aus dem Regierungslager für die Auflösung.
Ministerpräsident Robert Fico begründete dies damit, dass Rundfunk und Fernsehen voreingenommen seien und "im Konflikt mit der slowakischen Regierung" stünden. Oppositionspolitiker blieben aus Protest der Sitzung fern.
Schlag gegen die Demokratie
Damit lege sich die slowakische Regierungsmehrheit einen lammfrommen Sender zu, von dem sie keine Kritik erwarten muss, so der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster. Mit dem aktuellen Parlamentsbeschluss sei die Rundfunkfreiheit abgeschafft worden. "Das ist ein gravierender Verstoß gegen die Grundwerte der Europäischen Union", sagte er. Daher müsse die Kommission aktiv werden. Auch die Europäische Rundfunkunion, kurz EBU, zeigte sich bestürzt und sprach von einem Schlag gegen die Demokratie. Sie fordert die slowakische Regierung auf, ihren Verpflichtungen aus dem europäischen media freedom act nachzukommen.
Im Vorfeld hatte die slowakische Regierung den Gesetzentwurf abgeändert, nachdem es Kritik von der EU-Kommission und der Europäischen Rundfunkunion gegeben hatte. Eine neue Führungsebene darf nicht, wie ursprünglich geplant, ohne Angabe von Gründen entlassen werden. Auch ein besonders umstrittener Programmrat ist vom Tisch. Stattdessen soll eine nicht näher definierte Ethikkommission über Inhalte des neuen Senders wachen.
Monatelange Proteste
Oppositionspolitiker kritisierten, die Regierung wolle den Sender durch ein gefügiges Sprachrohr ersetzen, wie etwa die Abgeordnete Zora Jaurova. Es gehe darum, "den derzeitigen Generaldirektor und das Management loszuwerden und es zu übernehmen". Journalisten eines neuen Senders würden keine Fragen stellen, die die Regierung nicht beantworten will, so Michal Šimečka, Oppositionsführer und Chef der Partei "Progressive Slowakei". Dieses Gesetz habe nur einen Zweck, nämlich die derzeitige Führung durch Leute zu ersetzen, die dieser Regierung nutzen. Dies ist ein tragischer Tag für die Demokratie, erklärte auch Ex-Justizministerin Mária Kolíková. Diese Reform bedeute eine Rückkehr in totalitäre Zeiten.
Aber auch monatelange Proteste und Streiks konnten die Abstimmung über den öffentlich-rechtlichen Sender nicht verhindern. Seit dem Attentat auf Ministerpräsident Robert Fico Mitte Mai waren die Proteste leiser geworden.
Kulturministerin federführend für Auflösung
Zur Begründung der Reform erklärte die federführende Kulturministerin Martina Šimkovičová, die öffentlich-rechtlichen Medien würden der slowakischen Regierung feindlich gegenüberstehen. Sie müssten endlich wieder, so wörtlich, "objektiv berichten".
Šimkovičová moderierte früher im privaten Fernsehen. Nach migrationsfeindlichen Äußerungen wurde sie entlassen und gründete einen nationalistischen Desinformationskanal auf YouTube.
Statt Beiträge Finanzierung durch Staatsgelder
Die liberalkonservativen Vorgänger von Fico schafften vor einem Jahr die Rundfunkgebühr ab. Das Budget kommt seitdem aus dem Staatshaushalt und ist an die Wirtschaftsleistung gekoppelt. Das führte dazu, dass die aktuelle Regierung den Etat sofort kürzen konnte. Drastisch mehr private Werbeeinnahmen sollen in Zukunft die Finanzierung sicherstellen.
Auch private Medien sollen umgebaut werden
Privaten Medien droht das Fico-Lager hingegen mit weniger Werbegeldern von Staatsunternehmen. Einige Sender haben bereits bekannte Moderatoren und Politiksendungen abgesetzt. Unabhängige Zeitungen und das kritische Privatfernsehen Markiza hat der russlandfreundliche Fico zu Feinden erklärt und sein Regierungslager angewiesen, ihnen Interviews und Antworten zu verweigern.
Wenn der slowakische Präsident Peter Pellegrini wie erwartet die Rundfunkreform unterschreibt, tritt sie zum 1. Juli in Kraft. Die Opposition will vor das Verfassungsgericht ziehen.
Im Video: Slowakisches Parlament löst Rundfunkanstalt auf (21.6.2024)
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