Krieg, Not und Hunger: Seit Monaten warnen Helfer vor den verheerenden Folgen des Mangels im Gazastreifen, jetzt fordern Unterernährung und Dehydrierung ihren Tribut. Aus Krankenhäusern werden zunehmend Fälle gemeldet, in denen vor allem kleine Patienten die Kraft verlässt. "Die Todesfälle von Kindern, die wir befürchtet haben, sind jetzt da", beklagte in dieser Woche Adele Khodr, die Nahost-Verantwortliche des UN-Kinderhilfswerks Unicef.
Ein temporärer Hafen soll helfen
Genau diesen Kindern und deren Familien wollen die USA jetzt helfen - mit einem temporären Hafen, zu errichten an der Küste des Gazastreifens. Ein erstes Schiff mit Ausrüstung, die "General Frank S. Besson" habe am Samstag (Ortszeit) einen Stützpunkt im US-Bundesstaat Virginia verlassen, teilte das US-Zentralkommando mit. Die USA und internationale Partner wollen auf diese Weise Lebensmittel, Wasser und Medikamente in das Kriegsgebiet bringen. Die israelische Armee erklärte sich bereit, zusammen mit den US-Streitkräften den Bau zu koordinieren.
Bis der Hafen für Hilfslieferungen einsatzbereit ist, dürfte es nach Angaben von Regierungsvertretern aber noch Wochen dauern.
US-Präsident Joe Biden möchte mithilfe des schwimmenden Hafens die Hilfslieferungen für die Menschen im Gazastreifen deutlich verstärken, um die humanitäre Krise dort zu lindern. Unter den 2,3 Millionen Einwohnern des Küstengebietes greift nach mehr als fünf Monaten Krieg der Hunger um sich. Am schlimmsten ist die Lage im Norden des Gazastreifens, der seit Monaten von den israelischen Streitkräften abgeriegelt ist und lange Zeit von Hilfslieferungen abgeschnitten war.
Bidens Kritik an Netanjahu
Israel begrüßte den geplanten Seekorridor. Es soll Fracht für den Gazastreifen auf Zypern prüfen, bevor Schiffe sie von dort in den Gazastreifen bringen. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant sah sich am Sonntag Vorbereitungen vor der Küste des Gazastreifens an. Auch die EU, die Vereinigten Arabischen Emirate und weitere Staaten unterstützen den geplanten Seekorridor für Hilfsgüter.
Die Seeroute soll den Abwurf von Hilfsgütern aus Flugzeugen ergänzen, der als teuer und ineffizient gilt. Aber auch sie wird nach Angaben von Hilfsorganisationen nicht ausreichen, um ausbleibende Lieferungen über Land zu ersetzen. Die Aktion ist auch eine Botschaft an die israelische Regierung.
Biden sagte am Samstag (Ortszeit) in einem Interview des Senders MSNBC, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schade mit Blick auf dessen Herangehensweise im Gaza-Krieg "Israel mehr als er Israel hilft". Biden äußerte seine Unterstützung für das Recht Israels, nach dem Terrorangriff vom 7. Oktober durch die Hamas gegen die Terrororganisation vorzugehen. Doch müsse sich Netanjahu mehr mit unschuldigen Todesopfern befassen. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass es "30.000 weitere tote Palästinenser" gebe, sagte Biden.
Später wehrte sich Netanjahu in einem Interview für "Bild", "Welt TV" und "Politico". "Wenn der US-Präsident damit meint, dass ich eine Privatpolitik gegen den Wunsch der Mehrheit der Israelis verfolge und das Israels Interessen schadet, dann liegt er in beiden Punkten falsch", so der Ministerpräsident.
Tausende Israelis demonstrieren gegen Netanjahu
Die Sehnsucht nach Frieden ist jedenfalls groß. Bei Demonstrationen in Paris und London forderten am Samstag Medienberichten zufolge Zehntausende Menschen eine sofortige Waffenruhe im Gaza-Krieg.
Auch im eigenen Land steht Netanjahu unter Druck. Tausende Menschen protestierten am Samstagabend in Tel Aviv und anderen israelischen Städten für die Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Hamas und gegen Netanjahus Regierung. Nahe dem Sitz des Verteidigungsministeriums hielt die Polizei Demonstranten davon ab, eine Stadtautobahn zu blockieren, berichteten israelische Medien. Die Behörde nahm 16 Personen fest. In Caesarea zog eine große Menschenmenge vor eine private Villa Netanjahus.
Mit Informationen von dpa und AP
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