"Dieses Verbrechen wird niemals ohne Antwort oder Strafe vorübergehen", erklärte die mit der Hamas verbündete Hisbollah. Der Vize-Leiter des Politbüros der Hamas, Saleh al-Aruri, war am Dienstag getötet worden – in Beirut. Dies hat den Gaza-Krieg nun bis in die libanesische Hauptstadt getragen. Bisher war bei gegenseitigem Beschuss nur der Süden des Landes involviert. Die Besorgnis um eine mögliche Ausweitung des Nahost-Konflikts wächst.
Der Generalsekretär der Hisbollah-Miliz Hassan Nasrallah sprach am Mittwochabend in einer mit Spannung erwarteten Rede von einem "eklatanten israelischen Angriff" - eine konkrete Reaktion kündigte er aber zunächst nicht an. "Wir haben keine Angst vor dem Krieg und wir zögern nicht", betonte er. Am Freitag will er sich erneut an die Öffentlichkeit wenden.
"Sehr besorgt": Libanon will nicht in den Krieg gezogen werden
Die Regierung in Beirut fürchtet eine mögliche Ausweitung des Konflikts. "Wir sind sehr besorgt, die Libanesen wollen nicht hineingezogen werden, selbst die Hisbollah möchte nicht in einen regionalen Krieg hineingezogen werden", sagte der geschäftsführende Außenminister, Abdallah Bou Habib. Man wolle eine Eskalation verhindern.
Bou Habib sagte dem britischen Radiosender BBC 4, dass seine Regierung mit der Schiitenmiliz Hisbollah spreche, um "sie davon zu überzeugen, dass sie nicht selbst reagieren sollte".
Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant hält eine diplomatische Einigung mit der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah nach eigenen Angaben noch immer für möglich. "Wir befinden uns an einem Scheideweg. Es gibt ein kurzes Zeitfenster für diplomatische Absprachen, die wir vorziehen", sagte Galant zu dem US-Gesandten und Vermittler Amos Hochstein bei einem Treffen in Tel Aviv.
Auswärtiges Amt fordert zu rascher Ausreise aus dem Libanon auf
Wegen der Zuspitzung der Lage an der israelisch-libanesischen Grenze hat das Auswärtige Amt deutsche Staatsangehörige aufgefordert, den Libanon so schnell wie möglich zu verlassen.
Deutsche, die sich noch in dem Land aufhalten, sollten sich in der Krisenvorsorgeliste Elefand registrieren und "auf schnellstem Wege" ausreisen, schrieb das Auswärtige Amt am Mittwoch auf der Plattform X, vormals Twitter. "Eine Eskalation an der Grenze zwischen Israel und Libanon ist nicht auszuschließen", hieß es, nachdem der Krisenstab der Bundesregierung getagt hatte.
Experte: Funktionierende Abschreckung
Aus Sicht von Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln, ist das Eskalationspotenzial nicht enorm gestiegen. Es gebe eine funktionierende Abschreckung zwischen Israel, Hisbollah und Libanon.
"Israel weiß, dass die Hisbollah über ein ausgesprochen großes Arsenal verfügt, weit größer als das der Hamas", erklärt Jäger. Gleichzeitig sei sich die Hisbollah darüber bewusst, dass die Reaktion von Israel so hart wäre, dass die Hisbollah als Organisation ebenso gefährdet wäre wie die Hamas. "Zudem würde der Libanon nach einem solchen Angriff sicher vollständig im Chaos versinken, weshalb keine der drei Seiten ein Interesse an Eskalation hat", betont Jäger. Gespräche miteinander jedoch würden nun schwierig. Es sei jetzt darauf zu achten, dass alle Seiten ihr Gesicht wahren können.
Experte erwartet Mission gegen Huthi-Angriffe im Roten Meer
Auch Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz glaubt nicht an eine weitere Eskalation. "Die Führung der Hisbollah hat ja bereits seit einiger Zeit gesagt, dass das nicht ihr Kampf sei. Quasi nach dem Motto: Wir wünschen den Freunden von der Hamas viel Glück, aber wir mischen uns da nicht ein." Lange habe nicht den Eindruck, dass sich das jetzt ändert.
Im Roten Meer sei seine Sicht auf die Lage aber eine andere. Wegen der Huthi-Angriffswelle auf Containerschiffe meiden mehrere Reedereien die Fahrt durch die Meerenge inzwischen. Es sei nicht nur im Interesse Israels, sondern auch anderer Länder, etwas dagegen zu unternehmen. "Und das wird vermutlich auch passieren", meint Lange. Um die Handelsschifffahrt zu schützen, gaben die USA Mitte Dezember die Bildung einer internationalen Militärkoalition bekannt.
Am Mittwochnachmittag wurde bekannt: Die Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, sich an einem Marine-Einsatz im Roten Meer zum Schutz der zivilen Schifffahrt zu beteiligen. In Brüssel werde eine Mission der Europäischen Union derzeit geprüft, sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin und fügt hinzu: "Wir als Bundesregierung wären dazu bereit." Prinzipiell würden alle Optionen geprüft, "die völkerrechtlich und verfassungsrechtlich möglich sind". Die USA, Deutschland und zehn weitere Staaten haben zudem gemeinsam die pro-iranischen Huthi-Rebellen im Jemen aufgerufen, ihre Angriffe auf Frachtschiffe im Roten Meer "unverzüglich" einzustellen. Die Huthis wurden in der Erklärung gewarnt, dass sie anderenfalls "die Verantwortung für die Konsequenzen tragen". Laut Medienberichten erwägt US-Präsident Joe Biden direkte Angriffe der US-Streitkräfte gegen die Huthis.
Mehrfrontenkrieg? Risiko laut Experte geringer geworden
Da auch große Reedereien inzwischen wichtige maritime Handelsrouten nicht mehr nutzen können, habe das, so Lange, auch enorme Konsequenzen für Deutschland. "Das wird die Weltwirtschaft treffen, aber auch Deutschland konkret, denn wir sind eine exportabhängige Nation", betont der Experte.
Von einem Mehrfrontenkrieg spricht Lange dennoch nicht. "Das Risiko war am Anfang, im Oktober, sehr hoch", erklärt er. Dieses Momentum für eine regionale Ausweitung sei aber gebrochen worden. "Eigentlich ist die Gefahr inzwischen sogar geringer geworden", meint Lange. Nun habe man zwar die besondere Situation im Roten Meer, gegen die auch vorgegangen wird. Ferner scheine es aber zu gelingen, eine Ausweitung des Nahost-Konflikts auf mehrere Fronten zu verhindern.
Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters
Dieser Artikel ist erstmals am 3.1.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
Im Video: Wie ist die Lage zwischen Israel und dem Libanon?
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