Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur des Libanons hat eine israelische Drohne sechs Menschen in der Hauptstadt Beirut getötet. Unter den Toten befindet sich auch Saleh al-Aruri, ein ranghoher Funktionär der Terrororganisation Hamas.
Aruri sei zusammen mit seinen Leibwächtern bei dem Angriff auf das Hamas-Büro am südlichen Stadtrand von Beirut getötet worden, sagte ein ranghoher Sicherheitsvertreter des Libanons. Zum Zeitpunkt des Angriffs fand in dem Hamas-Büro ein Treffen von Palästinensergruppen statt.
Der libanesische Regierungschef Nadschib Mikati sprach von einem "israelischen Verbrechen". Er warf Israel laut einer von seinem Büro veröffentlichten Erklärung vor, den Libanon in eine "neue Phase der Konfrontation" hineinziehen zu wollen.
Israel: "In hoher Bereitschaft für jegliches Szenario"
Befürchtet wird eine Ausweitung des Gaza-Kriegs auf den Libanon. Der Chef der mit der Hamas verbündeten Hisbollah-Miliz, Hassan Nasrallah, hatte mit Vergeltung gedroht, sollte Israel gezielt Funktionäre der Hamas im Libanon angreifen.
Aus Israel gab es zunächst keine Stellungnahme zum Tod Aruris. Militärsprecher Daniel Hagari sagte am Dienstag, Israel konzentriere sich auf den Kampf gegen die Hamas und werde das weiter tun. Er fügte aber hinzu: "Wir sind in hoher Bereitschaft für jegliches Szenario."
Netanjahu drohte schon länger mit der Tötung Aruris
Israel sah in Aruri den Drahtzieher von mehreren Anschlägen im Westjordanland. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte schon vor dem Angriff der Hamas auf Israel damit gedroht, Aruri töten zu lassen.
Aruri war 2017 zum Stellvertreter von Hamas-Politbüro-Chef Ismail Hanija gewählt worden. Damit wurde er offiziell zur Nummer zwei der islamistischen Organisation. Nachdem er insgesamt fast 20 Jahre in israelischen Gefängnissen inhaftiert war, war er im Jahr 2010 unter der Bedingung freigelassen worden, ins Exil zu gehen. Seitdem lebte er im Libanon.
Hisbollah-Reaktion erwartet - Lage "sehr gefährlich"
Die südlichen Vororte von Beirut gelten als Hochburg der Hisbollah-Miliz, die die Hamas unterstützt. Hisbollah-Kämpfer hatten sich in den vergangenen Wochen und Monaten an der Grenze zum Libanon immer wieder Kämpfe mit dem israelischen Militär geliefert.
Der libanesische Militärexperte und frühere General Chalil Hilo bezeichnete die Situation als "sehr gefährlich". Die Hisbollah werde einen "Angriff in ihrer Hochburg in Beirut nicht tolerieren".
Israel und die Hamas befinden sich seit fast drei Monaten im Krieg. Auslöser war ein Großangriff der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel, bei dem am 7. Oktober rund 1.140 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden waren.
Geisel-Deal-Gespräche gestoppt
Die Verhandlungen über ein mögliches neues Geisel-Abkommen zwischen Israel und der Hamas kamen einem Bericht zufolge unterdessen zum Stillstand. Die Gespräche konzentrierten sich nun darauf, eine Eskalation zwischen Israel und dem Libanon zu verhindern, meldete die israelische Zeitung "Haaretz" unter Berufung auf arabische Diplomatenkreise. Das "Attentat" habe die Situation verändert. Fortschritte, um einen weiteren Geisel-Deal zu erreichen, seien derzeit nicht mehr möglich.
Audio-Reportage: Die Hisbollah und die Kriegsangst der Libanesen
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