Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Debatte über die Entsendung auch deutscher Soldaten zur Absicherung eines möglichen Friedens in die Ukraine als "höchst unangemessen" bezeichnet. Die Debatte sei "völlig verfrüht", sagte Scholz am Montag nach einem Treffen europäischer Spitzenpolitiker in Paris. Noch führe Russland seinen "brutalen Krieg" gegen die Ukraine "ohne Rücksicht weiter voran". Es sei irritierend, dass über die Köpfe der Ukrainer hinweg über mögliche Ergebnisse von Friedensgesprächen gesprochen werde, die noch gar nicht stattgefunden hätten. Es sei eine "unpassende Debatte zur falschen Zeit und über das falsche Thema".
Scholz betonte zudem, dass es "keine Aufteilung der Sicherheit und der Verantwortlichkeit zwischen Europa und den USA" geben dürfe. Die Nato beruhe darauf, gemeinsam vorzugehen, mahnte der Kanzler. Das dürfe nicht infrage gestellt werden.
Großbritannien bereit, "führende Rolle" zu übernehmen
Scholz äußerte sich im Anschluss an die informellen Beratungen, zu denen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auch die Staats- und Regierungschefs aus Großbritannien, Italien, Polen, Spanien, den Niederlanden und Dänemark sowie die Spitzen von EU und Nato eingeladen hatte.
Scholz stellt sich damit unter anderem gegen den britischen Premierminister Keir Starmer und Macron. Starmer war kurz vor dem Treffen vorgeprescht und zeigte sich "bereit und willens", notfalls Soldaten in das von Russland angegriffene Land zu entsenden. In einem Gastbeitrag für den "Telegraph" schrieb er, Großbritannien könne bei der Arbeit an Sicherheitsgarantien für die Ukraine eine "führende Rolle" übernehmen. Auch Frankreich soll bereits vor längerem die Bereitschaft zur Entsendung von Truppen bekundet haben.
Frankreich spricht von "drei großen Armeen" Europas – ohne Deutschland
Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot berichtete von sehr konkreten Gesprächen "auf verschiedenen Ebenen", bei denen es um die Entsendung von Truppen insbesondere aus Frankreich, Großbritannien und Polen - den "drei großen Armeen" Europas - gehe. Die Friedenstruppe solle einen künftigen Waffenstillstand und einen "dauerhaften Frieden" in der Ukraine gewährleisten, sagte er in einem Interview des Senders LCI.
Offen für eine Entsendung von Truppen in die Ukraine hatten sich zuletzt auch die Niederlande und Schweden gezeigt. Spanien und Dänemark schlossen einen solchen Schritt zuletzt zumindest nicht mehr kategorisch aus. Anders als vom französischen Außenminister dargestellt, plant Polen keine Entsendung von Soldaten – unterstützt aber den Ansatz Macrons und Starmers. Vor seinem Abflug nach Paris sagte Polens Regierungschef Donald Tusk: "Wir haben nicht vor, polnische Truppen in die Ukraine zu schicken, aber wir werden die Länder, die in Zukunft solche Garantien geben wollen, auch logistisch und politisch unterstützen."
Trump übergeht Europäer
US-Präsident Donald Trump hatte am vergangenen Mittwoch ein anderthalbstündiges Telefonat mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin geführt – ohne sich vorab mit den Europäern abzustimmen. Im Anschluss erklärte Trump, er habe mit dem Kreml-Chef einen "unverzüglichen" Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine vereinbart.
Dies weckte bei westlichen Verbündeten die Befürchtungen, sowohl die Ukraine als auch die europäischen Partner würden von den Ukraine-Gesprächen ausgeschlossen. Nach den Worten von Trumps Ukraine-Sondergesandten Keith Kellogg sollen die Europäer nicht mit am Verhandlungstisch sitzen, könnten aber einen "Beitrag" leisten.
Mit Informationen von dpa und AFP
Im Video: BR-Korrespondent Tim Aßmann zum Ukraine-Gipfel in Paris
Im Video: BR-Korrespondent Tim Aßmann zum Ukraine-Gipfel in Paris
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!