Kanzler Olaf Scholz rückt trotz wachsenden Widerstands in der SPD nicht von seinem Anspruch auf die Kanzlerkandidatur seiner Partei bei der vorgezogenen Bundestagswahl ab. "Die SPD und ich, wir sind bereit, in diese Auseinandersetzung zu ziehen, übrigens mit dem Ziel zu gewinnen", sagte Scholz vor dem Abflug zum G20-Gipfel in Brasilien auf die Frage, ob er unter allen Umständen auf der Kanzlerkandidatur bestehen werde. Bei einer Nachfrage, ob er sich Umstände vorstellen könne, in denen der bei Umfragen weitaus beliebtere Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) der bessere Kandidat sei, verwies er erneut auf diese Aussage.
Pistorius als Kanzlerkandidat? Erste Bundestagsabgeordnete dafür
Angesichts von schwachen SPD-Umfragewerten hatten sich bereits mehrere Kommunal- und Landespolitiker für Pistorius ausgesprochen, darunter auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Am Wochenende folgten erstmals Bundestagsabgeordnete, nach Joe Weingarten äußerte sich Johannes Arlt ganz offen: "Boris Pistorius wäre ein solch hervorragender SPD-Kanzlerkandidat. Meiner Meinung nach ist er bestens geeignet, unsere Partei in den Wahlkampf zu führen", sagte Arlt, Abgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern, dem "Tagesspiegel". Pistorius übe in harten Zeiten das "schwierigste Ministeramt" aus und könne "den Menschen politische Entscheidungen mit einfachen, klaren Worten erklären".
Ähnlich hatte es zuvor der rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Weingarten im SWR (externer Link) formuliert: Er könne die Menschen nicht mehr zählen, "die mir gesagt haben 'Ich wähle euch, wenn ihr mit Boris Pistorius antretet, aber nur dann'."
Müntefering: Scholz hat kein Vorrecht auf Kanzlerkandidatur
In der Debatte meldete sich auch der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering zu Wort. Er betonte im "Tagesspiegel", dass Scholz kein Vorrecht auf eine weitere Kanzlerkandidatur habe. "Kanzlerkandidatur ist kein Spiel, das zwei oder mehr Kandidaten abends beim Bier oder beim Frühstück vereinbaren oder das ein Vorrecht auf Wiederwahl umfasst", sagte Müntefering. Die Wahl eines Kanzlerkandidaten oder einer Kanzlerkandidatin müsse auf einem SPD-Parteitag erfolgen. "Selbstverständlich sind Gegenkandidaturen in der eigenen Partei grundsätzlich möglich und kein Zeichen von Ratlosigkeit. Sie sind praktizierte Demokratie", sagte er.
Klingbeil: Kanzler muss vorneweg marschieren
Müntefering trat damit Äußerungen der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil sowie weiterer führender SPD-Politiker entgegen, die sich auf eine neuerliche Kandidatur von Scholz festgelegt hatten. Klingbeil betonte im "Handelsblatt", es sei "ein Irrglaube zu meinen, man tauscht nur den einen gegen den anderen aus und schon ist alles rosig, blüht und gedeiht".
Zudem habe Pistorius selbst gesagt, dass er möchte, dass Scholz antrete. "Insofern gibt es eine Klarheit auch zwischen den beiden", sagte Klingbeil. "Da gibt es kein Wackeln." Diese Klarheit sei für die SPD nun "ein Auftrag, in den Kampfmodus zu gehen und zu überzeugen. Da muss der Kanzler jetzt vorneweg marschieren und auch die eigenen Mitglieder überzeugen."
Mit Informationen von dpa und AFP
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