Wochenlang hatten sich im Gaza-Krieg, der am 7. Oktober von einem Großangriff der radikal-islamischen Hamas ausgelöst worden war, die israelischen Angriffe auf den Norden des Palästinensergebiets konzentriert. Am Wochenende weitete Israel seine Bodenoffensive aus und nimmt nun auch den Süden des Gazastreifens unter Beschuss.
Israelische Bodentruppen im gesamten Gazastreifen
"Die israelischen Streitkräfte (IDF) weiten ihre Bodenoperationen gegen Hamas-Zentren im gesamten Gazastreifen aus", sagte ein Militärsprecher am Sonntagabend zu Journalisten in Tel Aviv. Die Armee operiere überall dort, wo die Hamas ihre Hochburgen habe. "Die Streitkräfte begegnen den Terroristen von Angesicht zu Angesicht und töten sie", sagt der Militärsprecher weiter.
Die Taktik im Süden des Gazastreifens soll der im Norden ähneln. "Wir haben im nördlichen Gazastreifen stark und gründlich gekämpft, und wir tun es jetzt auch im südlichen Gazastreifen", teilte Generalstabschef Herzi Halevi mit. Vor rund fünf Wochen hatte die israelische Arme ihre Bodenoffensive im Norden des Gazastreifens gestartet.
Armeesprecher: Haben Hamas im Norden noch nicht besiegt
Der Einsatz gegen die islamistische Hamas im Norden ist dabei noch nicht beendet. "Wir haben sie im Norden noch nicht vollständig militärisch besiegt, aber wir haben gute Fortschritte gemacht", erklärte ein israelischer Armeesprecher am Montag dem US-Sender CNN. Man habe von Anfang gesagt, dass der Kampf gegen die Hamas nicht leicht werde und Zeit benötige. Man habe es mit einem Feind zu tun, "der kein Problem damit hat, Zivilisten für seine militärische Sache zu opfern", so der Militärsprecher.
Israel ordnet erneut Räumungen in Chan Junis an
Am Sonntagvormittag hatte das israelische Militär die Palästinenser im Süden des Gazastreifens aufgefordert, bestimmte Regionen im Großraum der Stadt Chan Junis zu verlassen. Die Bevölkerung sollte sich in bekannte Schutzeinrichtungen für Flüchtlinge westlich der Stadt begeben. Auch weiter nach Süden in Richtung Rafah an der Grenze zu Ägypten sollten die Palästinenser geschickt werden.
In einem arabischsprachigen Beitrag in den sozialen Medien ordneten die Streitkräfte am Morgen erneut die Räumung von fast zwei Dutzend Stadtvierteln in und um Chan Junis an. Anwohner berichteten, sie hätten in der Nacht Luftangriffe und Explosionen rund um die Stadt gehört, nachdem das Militär Flugblätter abgeworfen und die Menschen aufgefordert habe, weiter nach Süden in Richtung der ägyptischen Grenze zu ziehen.
"Sichere Zonen" für die Bevölkerung
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Samstag gesagt, Israel lege in Kooperation mit den USA und internationalen Organisationen sichere Gebiete für die Zivilbevölkerung fest. UN-Vertreter und Bewohner des Gazastreifens erklärten indes, es sei schwer, Evakuierungsaufforderungen rechtzeitig zu bekommen und ihnen zu folgen, weil Strom und Internet immer wieder ausfielen.
Vorwürfe von Hilfsorganisationen, den Hunderttausenden von Zivilisten im völlig überfüllten Süden des abgeriegelten Küstenstreifens werde von Israels Armee nicht genug Zeit gegeben, sich vor Angriffen in Sicherheit zu bringen, wies der Armeesprecher zurück. Man tue alles, um Zivilisten zu schützen. "Wenn sich die Hamas außerhalb städtischer Gebiete hinbegeben hätte und uns dort bekämpfen würde, dann wäre die Zivilbevölkerung natürlich nicht betroffen. Aber das hat die Hamas nicht getan, sie nutzt die Zivilisten", erklärte ein Militärsprecher. Israel wirft der Hamas immer wieder vor, Zivilisten als Schutzschilde zu missbrauchen. Die Terrororganisation weist dies zurück.
Das UN-Kinderhilfswerk Unicef hatte die israelischen Angriffe zuvor scharf kritisiert. Im Süden finde ein "Blutbad" statt. Die Angaben über sogenannte "sichere Zonen" für die Bevölkerung in Gaza bezeichnete Unicef-Sprecher James Elder als "Falschdarstellung".
Auswärtiges Amt fordert sichere Orte für Zivilisten
Das Auswärtige Amt hoffe und gehe davon aus, dass es im Gazastreifen weiterhin die Möglichkeit gebe, sich aus der Gefahrenzone zu begeben, sagte ein Sprecher am Montag. Erwartet werde, dass Israel Zivilisten nicht nur auffordere, die Gefahrenzone zu verlassen, "sondern dass diese auch tatsächlich und faktisch in der Lage sind, an anderer Stelle sichere Unterkunft zu finden".
Das Ende der Feuerpause sei ein herber Rückschlag. Dies gelte für die Geiseln, die in Tunneln festgehalten würden, wie auch für die auf humanitäre Hilfe angewiesene Bevölkerung in Gaza, die um ihr Leben fürchten müsse, sagte der Sprecher. Die Ausweitung der Kämpfe auf den gesamten Gazastreifen betreffe nun auch Gebiete, in denen Menschen auf Aufforderung Israels Schutz gesucht hätten. Im südlichen Teil des Gazastreifen sollen sich 1,8 Millionen Menschen aufhalten, 80 Prozent der Bevölkerung, sagte der Sprecher.
Karte: Die militärische Lage im Gazastreifen
Hinweis: Diese Informationen sind nicht vollständig unabhängig überprüfbar. Sie werden vom ISW, einem gemeinnützigen, überparteilichen Politikforschungsinstitut mit Sitz in den USA, einmal pro Tag zur Verfügung gestellt. Dadurch kann es zu Verzögerungen im Vergleich zum aktuellen Geschehen kommen.
Israels Militär: 200 Hamas-Ziele in der Nacht zu Montag angegriffen
Israels Armee hat nach eigenen Angaben in der Nacht zu Montag im Gazastreifen 200 Ziele der islamistischen Hamas angegriffen. Soldaten attackierten unter anderem die "Terror-Infrastruktur" in einer Schule in dem Ort Beit Hanun im Norden des Gazastreifens, wie das Militär am Montag mitteilte. Soldaten seien aus der Schule heraus angegriffen worden. Auf dem Gelände sollen sich zwei Tunnelschächte befunden haben, einer sei unter anderem mit Sprengfallen versehen gewesen. Auch die Marine habe in der Nacht zu Montag Ziele der islamistischen Hamas attackiert.
Israels Armee hat nach eigener Darstellung zudem in mehreren Fällen Angriffe auf ihre Einsatzkräfte im Gazastreifen durch Luftangriffe verhindert. Extremistische Palästinenser feuerten am Montag erneut Raketen in Richtung Israel. In Grenzorten nahe des Gazastreifens wurde Armeeangaben zufolge Raketenalarm ausgelöst.
Nach Darstellung des palästinensischen Zivilschutzes wurden drei seiner Einsatzkräfte bei einem israelischen Angriff am Montagmorgen in der Stadt Gaza getötet. Der Palästinensische Rote Halbmond teilte mit, einer seiner Freiwilligen sei getötet und ein Mitarbeiter bei einem Angriff auf ein Haus im Flüchtlingslager Dschabalija, ebenfalls im Norden, verwundet worden.
Augenzeugen: Dutzende Panzer in südlichen Gazastreifen vorgedrungen
Nach Angaben von Augenzeugen sind Dutzende israelische Panzer, Truppentransporter und Bulldozer am Montag in den südlichen Gazastreifen vorgedrungen. Die Militärfahrzeuge seien auf der Höhe der Stadt Chan Junis in das Palästinensergebiet gefahren, sagten die Zeugen der Nachrichtenagentur AFP. Die Panzer erreichten demnach die Salaheddin-Straße. Die wichtige Verkehrsachse führt vom Norden in den Süden des Gazastreifens.
Israels Armee hat den Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen nach dem Ende einer Feuerpause verstärkt und eigenen Angaben zufolge auch ihre Bodeneinsätze auf das gesamte Küstengebiet ausgeweitet.
Mit Informationen von AP, dpa, Reuters
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