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Jugendarmut: Jede(r) Vierte betroffen oder bedroht

Jugendarmut: Jede(r) Vierte betroffen oder bedroht

Ein Viertel aller jungen Menschen in Deutschland sind arm oder von Armut bedroht. Das geht aus dem Monitor Jugendarmut hervor. Mehr als zwei Drittel der jungen Leute haben demnach außerdem Sorge, mit ihren Familien in Armut leben zu müssen.

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Jeder vierte junge Mensch zwischen 18 und 24 Jahren ist von Armut bedroht oder sogar schon betroffen. Bei den unter 18-Jährigen ist es mehr als jeder Fünfte. So steht es im "Jugendarmutsmonitor" der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS, externer Link) für 2023 zu lesen. Zusätzlich waren mehr als zwei Drittel der Jugendlichen in Sorge, dass sie mit ihrer Familie in Armut leben müssen. Dabei gilt als arm, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland zur Verfügung hat.

Zwischen 2010 und 2019 ist der Anteil der von Armut betroffenen oder bedrohten jungen Menschen von 22,7 Prozent auf 25,8 Prozent angestiegen.

Wohnen belastet junge Leute finanziell über die Maßen

Einen großen Einfluss auf das Armutsrisiko von Familien mit niedrigem Einkommen haben vor allem hohe Mieten, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung 2024 festgestellt hat. Der "Jugendarmutsmonitor" zeigt, dass jeder zweite Auszubildende sowie zwei Drittel der Studierenden in Deutschland 2023 als "durch Wohnkosten überlastet" galten. Sie mussten nämlich mehr als 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen aufwenden. Dazu passt eine Zahl des Statistischen Bundesamtes: Von den rund 440.000 wohnungslosen und in Einrichtungen untergebrachten Menschen waren 40 Prozent unter 25 Jahren alt.

Diese Probleme durch das immer teurere Wohnen hätten sich verschärft, sagt der ehemalige Leiter des Don-Bosco-Clubs Köln, Matthias Marienfeld. Der "Jugendarmutsmonitor" fordert deshalb, dass der soziale Wohnungsbau deutschlandweit deutlich vorangetrieben wird. Die Bundesarbeitsgemeinschaft schlug zudem Bürgerforen oder vergleichbare Formate vor, über die sich auch Armutsbetroffene an der Stadtplanung beteiligen könnten.

Kosten für Mobilität schließen Ärmere leicht aus

Ein weiterer großer Kostenpunkt für Arme oder von Armut Bedrohte ist laut dem Bericht die Mobilität. Ein Fahrrad oder den Führerschein könnten sich viele nicht mehr leisten und das Deutschlandticket sei zwar erschwinglicher, aber erstens schon wieder auf 58 Euro gestiegen und zweitens nur noch digital verfügbar.

Menschen ohne Handy oder Bankkonto würden so davon ausgeschlossen. Deshalb brauche es ein bundesweit gültiges Jugendticket, das entweder kostenlos oder sehr günstig sei. Außerdem müsse auf dem Land der Nahverkehr ausgebaut werden.

Armut ist Risiko für Bildung und Gesundheit

Armut schränkt aber nicht nur den Lebensstandard junger Menschen ein, sondern hat laut dem Bericht auch Auswirkungen auf ihren Bildungsweg und ihre Gesundheit. "Sie müssen schon früh lernen, dass sie auf Entwicklungschancen verzichten müssen", so Stefan Ottersbach. Junge Menschen müssten sogar oft einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz ablehnen, weil sie sich keine eigene Wohnung leisten können oder weil der Umzug zu teuer ist.

Viele Betroffene leben laut dem Bericht in prekären Wohnsituationen oder Übergangslösungen, die eine stabile Lebensperspektive erschweren. Und wer seine Familie finanziell unterstützen müsse, könne sich weniger um die eigene Ausbildung kümmern, so Ottersbach. Außerdem litten die jungen Menschen durch die Armut auch physisch und emotional.

Auch bei der Medienkompetenz und beim Finanzwissen entstehen den Experten zufolge oft große Lücken. Strukturelle Benachteiligung sei ein Grund, warum arme Jugendliche auch das Vertrauen in die Demokratie verlieren. Armutsgefährdete Menschen nehmen seltener an Wahlen teil, wie der Verband betonte.

Jugendarmut ist "gesellschaftliche Bankrotterklärung"

Jugendarmut ist laut der Bundesarbeitsgemeinschaft KJS "eine gesellschaftliche Bankrotterklärung". Die strukturelle Benachteiligung junger Menschen beeinträchtige ihre Teilhabe in der Gesellschaft, so Vorsitzender Ottersbach. Die Armut sorge bei den Betroffenen für einen "Verlust von Entwicklungsperspektiven". Dazu sei die Jugendarmutsquote seit Jahren "konstant hoch", wie die Sozialpädagogin Silke Starke-Uekermann anmahnte.

Deshalb fordert der Verband eine bundesweite Strategie gegen Jugendarmut. Teil davon sei eine unbürokratische Grundsicherung für Kinder und Jugendliche und ein im Grundgesetz verankertes Grundrecht auf Wohnen. Der "Jugendarmutsmonitor" wird alle zwei Jahre vorgelegt und zeigt, in welcher Weise von Armut betroffene junge Menschen benachteiligt sind.

Mit Informationen von epd, dpa und KNA

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