Markus Söder tönt auf dem Gillamoos in Abensberg: "Ich würde mich nicht drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen". Friedrich Merz antwortet trocken: "Die Äußerung von Markus Söder heute hat keinen Neuigkeitswert." Bei der Pressekonferenz der CDU nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen betont der CDU-Chef vor rund einer Woche noch einmal, die Frage werde im Spätsommer entschieden.
So richtig gelassen kann Merz dieser Entscheidung aber nicht entgegensehen. Auch wenn es immer wieder aus der CDU heißt, wenn Merz wolle, sei ihm die Kandidatur nicht zu nehmen: Die Zeiten sind unruhig und dem Parteichef macht einiges zu schaffen.
Innere Sicherheit – die Union punktet nicht mehr automatisch
Erstens: Nach dem Anschlag von Solingen steht das Thema innere Sicherheit und Zuwanderung wieder ganz oben auf der Agenda. Mit seinen markigen Forderungen – etwa nach Zurückweisungen an der Grenze – direkt nach dem Anschlag hat Merz den Ton in der CDU gesetzt. Ganz zur Freude der Parteikollegen in Sachsen und Thüringen. Während Markus Söder versucht, Merz in den Forderungen noch einmal zu übertrumpfen, bleibt Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, in seinen Äußerungen moderater. Zur Kanzlerkandidatur hält er sich zurück.
Mit dem Thema innere Sicherheit konnte die Union in früheren Jahren immer punkten. Doch der Kompetenzverlust der Union in diesem Bereich ist erheblich, konstatiert Stefan Merz von Infratest dimap. Es spiele eine große Rolle, dass der Union bei dem Thema Migration, das viele Menschen umtreibe, eine Mitverantwortung zugeschrieben werde.
Mit seiner deutlichen Abgrenzung von der Ära Merkel will CDU-Chef Merz hier das Ruder rumreißen. Doch in seiner Rolle als Oppositionsführer bleibt ihm derzeit nur, markige Forderungen an die Bundesregierung zu stellen. Die Ministerpräsidenten Wüst und Söder haben in Krisenzeiten – wie zuletzt nach dem versuchten Anschlag in München – mehr Verantwortung vor Ort, mehr Sichtbarkeit und mehr Handlungsoptionen. In der Krise schlägt die Stunde der Exekutive – also ihre.
Koalitionssorgen im Osten – BSW-Ablehnung im Westen
Zweitens: Die Wahlen im Osten. Die CDU hat zwar in Thüringen und Sachsen besser abgeschnitten als befürchtet. Trotzdem hat die AfD hinzugewonnen, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kam in die Landtage mit zweistelligen Ergebnissen. Nun steht die CDU vor dem Problem, dass einfache Koalitionen nicht möglich sind.
Eingequetscht zwischen dem Unvereinbarkeitsbeschluss mit der AfD und dem Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linkspartei bleibt in beiden Bundesländern momentan nur das BSW als Koalitions-Option. Eine Option, die Merz für die Bundesebene schon einmal ausgeschlossen hat, die die Partei in Thüringen und Sachsen aber nicht so ganz einfach bleiben lassen kann.
Das Problem: Für viele CDU-Mitglieder und Funktionäre im Westen ist das BSW ein absolutes No-Go. Sahra Wagenknecht widerspreche allem, wofür die CDU stehe, wie die klare Westbindung, ein vereintes Europa und der Mitgliedschaft in der Nato. Auch wenn Parteichef Merz den Landesverbänden hier freie Hand gibt, ist innerparteilicher Streit programmiert. Politikwissenschaftlerin Ursula Münch sieht da einen Vorteil seines Rivalen Söder: Die CSU sei nicht involviert und könne einfach von außen beobachten, ob die Frage der Regierungsbildung einen Spaltpilz in die CDU hineinbringe.
Merz' Umfragewerte bleiben mager
Drittens: Merz tut sich weiterhin in den Umfragen schwer. Laut den neuesten Daten von Infratest dimap liegt Friedrich Merz bei der Frage, ob er ein guter Kanzlerkandidat wäre, mit 23 Prozent deutlich hinter Markus Söder mit 41 Prozent und Hendrik Wüst mit 33 Prozent.
Interessanterweise ist Merz in der Gunst der Unions-Anhänger in letzter Zeit auf 48 Prozent gestiegen und liegt bei diesen nur 9 Prozentpunkte hinter Markus Söder. Nur: wenn mit Umfragen argumentiert wird, findet eine solche Differenzierung selten statt.
Merz ist nicht Laschet
Hoffnung schöpfen kann Friedrich Merz daraus, dass die CDU weitgehend geschlossen hinter ihm steht. Laute Rufe nach Markus Söder sind nicht zu vernehmen, viele wollen eine Kampfkandidatur wie 2021 vermeiden. Politikwissenschaftlerin Münch ist sich sicher: "Friedrich Merz wird sich das nicht einfach nehmen lassen. Man bewirbt sich nicht dreimal um den Vorsitz in der CDU, um sich nachher die Kanzlerkandidatur einfach mal aus Bayern wegnehmen zu lassen."
Es ist eine Kanzlerkandidatenkür in unsicheren Zeiten – für die CDU hängt viel davon ab. Einen Streit wie 2021 könnte beide beschädigen: Kandidat und Partei. Die steht momentan in Umfragen längst nicht so gut da, wie sie eigentlich könnte. Denn so zerstritten die Ampel ist – derzeit trauen nicht genug Wähler der CDU zu, es tatsächlich besser zu machen.
Mehr zur K-Frage in der Union sehen Sie heute Abend (10. September) bei "report München" um 21.45 Uhr im Ersten.
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