Wann genau ist eigentlich Spätsommer? Diese Frage, die eigentlich nur Naturfreunde und Kalenderliebhaber umtreiben dürfte, beschäftigt dieses Jahr die Schwesterparteien CDU und CSU. Im Spätsommer wollen sie klären, wer die Union als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl 2025 führt – mit guten Chancen, im Anschluss nächster Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden.
Als Favorit gilt CDU-Chef Friedrich Merz. Im Rahmen des ARD-"Sommerinterviews" erklärte er zuletzt, dass er wegen seines Alters von 68 Jahren "sehr sorgfältig" darüber nachdenke, ob er bis 76 oder gar bis 80 die Kraft hätte, als Bundeskanzler die Politik zu lenken. Von CSU-Chef Markus Söder (57) sind solche Überlegungen nicht überliefert – auch er wird als möglicher Kanzlerkandidat gehandelt. Anwärter sind traditionell auch CDU-Ministerpräsidenten wie Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen.
Wann und wie klären CDU und CSU ihre K-Frage?
Schon jetzt ist klar: Olaf Scholz will erneut antreten, die SPD wird ihm das kaum verwehren. Spannend sind bei der Union zwei Fragen: Wann wollen CDU und CSU den Scholz-Gegenkandidaten fürs Kanzleramt küren? Und wie genau wollen sie die Personalie klären?
Die zeitliche Frage haben sowohl Merz als auch Söder mehrfach mit "Spätsommer 2024" beantwortet. Der beginnt je nach Definition unterschiedlich – spätestens am 22. September ist er heuer aber vorbei. Dann startet um 14.43 Uhr kalendarisch der Herbst. Weil die Entscheidung wohl erst nach den drei anstehenden Landtagswahlen (in Sachsen, Thüringen und Brandenburg) fallen soll, gibt es hier eine kleine terminliche Irritation: In Brandenburg wird am 22. September gewählt.
CDU will sich "im Moment nicht weiter äußern"
Ob es Ende September oder doch Oktober wird, dürfte freilich nicht entscheidend sein. Wie genau die Unionsparteien ihren Kanzlerkandidaten finden, ist spannender. Merz und Söder haben angekündigt, dass sie als Parteivorsitzende diese Frage nach einem klärenden Gespräch beantworten. Auf BR24-Anfrage betont der Sprecher von Friedrich Merz: "Die Parteivorsitzenden von CDU und CSU haben mehrfach öffentlich gesagt, dass die Entscheidung gemeinsam im Spätsommer 2024 getroffen wird."
Andere Optionen sind offenbar vom Tisch. Wie sieht der Prozess von CDU und CSU bei der Entscheidung für einen Kanzlerkandidaten aus? Welche Gremien sollen involviert sein? Inwiefern ist ein Mitgliederentscheid denkbar? Dazu will sich der CDU-Sprecher "im Moment nicht weiter äußern". Die CSU reagiert trotz mehrmaliger BR24-Nachfrage überhaupt nicht.
Laschets Lehre: Union muss "neues Verfahren" entwickeln
Dabei liegt die Frage nach dem genauen Ablauf der Kandidatenkür auf der Hand. Vor der Bundestagswahl 2021 war lange unklar, mit welchem Kanzlerkandidaten CDU und CSU ins Rennen gehen. Auch seinerzeit beteuerten die Beteiligten, man werde eine einvernehmliche Lösung finden. Am Ende kam es zum Machtkampf zwischen dem damaligen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet und CSU-Chef Söder. Laschet gewann die unionsinterne Auseinandersetzung, holte aber nach einem missglückten Wahlkampf bei der Bundestagswahl weniger Stimmen als Scholz.
Für Laschet, aktuell CDU-Bundestagsabgeordneter, ist seitdem klar: "Es ist nötig, dass die Union ein neues Verfahren entwickelt, wie sie künftig ihren Kanzlerkandidaten auswählen will." Das Verfahren, dass sich zwei Parteichefs treffen und das miteinander besprechen, sei "ganz offenkundig das falsche". Die Situation von 2021 könnte wieder auftreten, warnte Laschet schon vor eineinhalb Jahren. "Deshalb ist man klug beraten, sich weit vor der nächsten Bundestagswahl auf einen Weg zu einigen."
Merz: "So spät und so schlecht darf's nie wieder werden"
Merz wiederum erklärte Anfang 2022 zur Unions-Kandidatenkür: "So spät und so schlecht darf's nie wieder werden." Er werde mit CSU-Chef Söder rechtzeitig einen für beide Parteien akzeptablen Vorschlag machen. Möglicherweise werde die Bundestagsfraktion einbezogen, in jedem Fall die beiden Parteivorstände. Ob die genannten Gremien mit an der Auswahl beteiligt sein sollen oder lediglich den "akzeptablen Vorschlag" abnicken sollen, sagte Merz bisher nicht. Er werde aber alles tun, damit sich eine Situation wie 2021 nicht wiederhole, betonte auch er mehrmals.
Die Junge Union hatte schon kurz nach der vergangenen Bundestagswahl darauf gedrängt, dass sich CDU und CSU auf ein "geordnetes Verfahren" für die nächste Kanzlerkandidatur verständigen. Der Parteinachwuchs schlug schon vor drei Jahren einen "Unionsrat" vor, in dem Mitglieder von CDU und CSU klären sollten, wie genau der gemeinsame Kanzlerkandidat künftig bestimmt wird. Ein geordnetes Verfahren forderte auch Hessens Landeschef Boris Rhein. Tatsächlich läuft es auch dieses Mal auf ein Gespräch zweier machtbewusster Parteichefs hinaus.
Landesverbände: "Entscheidendes Wörtchen mitreden"?
Welche Rolle die CDU-Landesverbände bei der K-Frage spielen werden, ist unklar. Auf BR24-Anfrage antworten sie sehr ähnlich. Die Generalsekretärin der Berliner CDU, Ottilie Klein, sagt: "Nach den Landtagswahlen im September werden die Gremien der Schwesterparteien einen Kandidaten benennen." Vom sächsischen CDU-Landesverband heißt es: "Die Vorsitzenden von CDU und CSU haben mehrfach gesagt, dass eine gemeinsame Entscheidung im Spätsommer 2024 getroffen wird."
Die Landesverbände aus Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg wollen sich laut ihren Sprechern nicht äußern. Der nordrhein-westfälische Landesverband, den mit Hendrik Wüst einer der ebenfalls gehandelten Kandidaten anführt, lässt eine BR24-Anfrage unbeantwortet. Die Sprecherin der CDU Schleswig-Holstein teilt mit: "Es gibt in der Union ein verabredetes Verfahren und einen verabredeten Zeitplan", nach den drei Landtagswahlen. Welches verabredete Verfahren gemeint ist, bleibt offen.
Auffällig ist aber: Keiner der angefragten Landesverbände erhebt auf BR24-Anfrage öffentlich den Anspruch, schon bei der Auswahl des Kanzlerkandidaten mitzuentscheiden. Der "Spiegel" berichtete vor kurzem, die meisten Landeschefs würden bei der K-Frage mitreden – und letztlich Merz unterstützen, falls nichts Gravierendes mehr passiere. Vor einem Jahr klang Hessens Landeschef Rhein noch forscher: "Die Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten wollen bei der Kanzlerkandidatur ein entscheidendes Wörtchen mitreden", sagte er damals den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
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