Palästinenser versuchen nach Inkrafttreten der vorübergehenden Waffenruhe, auf der Salah al-Din-Straße im zentralen Gazastreifen wieder in den nördlichen Gazastreifen zu gelangen.
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Palästinenser versuchen nach Inkrafttreten der vorübergehenden Waffenruhe, wieder in den nördlichen Gazastreifen zu gelangen.

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Waffenruhe zwischen Israel und Hamas: Hilfslieferungen unterwegs

Während der Feuerpause zwischen Israel und der islamistischen Hamas sollen am Nachmittag Geiseln freigelassen werden. Erste Hilfslieferungen sind bereits nach Gaza gelangt. Hunderte Palästinenser versuchen, zu ihren Häusern zurückzugelangen.

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Die vereinbarte Feuerpause zwischen Israel und der islamistischen Hamas ist am Freitagmorgen um 7.00 Uhr Ortszeit (6.00 Uhr MEZ) in Kraft getreten und scheint vorerst zu halten. Es gibt bislang keine Berichte über Bomben-, Artillerie- oder Raketenangriffe.

Die Waffenruhe soll mindestens vier Tage dauern. Eine Verlängerung auf bis zu zehn Tage ist möglich, wie das in dem Konflikt vermittelnde Golfemirat Katar mitgeteilt hatte. Es ist die erste Waffenruhe seit rund sieben Wochen Krieg.

Trotz Feuerpause Berichte über Verletzte

Die israelische Armee soll nach Beginn der Feuerpause gewaltsam gegen Palästinenser vorgegangen sein, die entgegen militärischer Anordnungen unterwegs in den Norden des Gazastreifens waren. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums wurden im zentralen Bereich des Gazastreifens mehrere Menschen durch Schüsse verletzt. Augenzeugen berichteten außerdem, die Armee habe Tränengas eingesetzt. Ein israelischer Militärsprecher sagte, man prüfe die Berichte.

Hunderte Palästinenser wollen zurück an ihren Wohnort

Augenzeugenberichten zufolge haben sich Hunderte palästinensische Binnenflüchtlinge auf den Weg gemacht, um in ihre Wohnorte zurückzukehren. Die Menschen wollten etwa in der Stadt Gaza und in anderen Teilen des nördlichen Gazastreifens nach ihren Häusern oder Wohnungen sowie ihren Angehörigen sehen, hieß es am Freitagmorgen.

Das israelische Militär warnte jedoch, es sei verboten, sich vom Süden in den Norden des Küstengebiets zu begeben. Palästinenser sollten in einer "humanitären Zone" im Süden des Küstenstreifens verbleiben.

Freilassungen: Beginn für Freitagnachmittag geplant

Um 16.00 Uhr Ortszeit (15.00 Uhr unserer Zeit) sollen die ersten 13 Geiseln, die die Hamas im Gazastreifen festhält, freigelassen werden. Die 13 Frauen und Kinder sollen nach Angaben aus ägyptischen Sicherheitskreisen einer ägyptischen Delegation und dem Roten Kreuz übergeben werden und dann über Ägypten nach Israel ausreisen. Nach palästinensischen Angaben ist vereinbart, dass Israel im Gegenzug 39 palästinensische Gefangene am Militärgefängnis Ofer dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz übergeben werden. Bei diesen 39 palästinensischen Gefangenen handle es sich um 24 Frauen und 15 männliche Teenager, erklärt ein Vertreter der Palästinenser.

Innerhalb der ersten vier Tage der Waffenruhe sollen 50 Geiseln freikommen. Ein Hamas-Funktionär sagte, es handele sich bei den 50 Personen um israelische Staatsbürger, von denen manche eine zweite Staatsbürgerschaft hätten. Insgesamt sieht die Vereinbarung einen Austausch von bis zu 100 Geiseln aus Israel gegen bis zu 300 palästinensische Häftlinge vor.

Karte: Übersicht des Gazastreifens

Erste Hilfslieferungen und Krankenwagen unterwegs

Erste Hilfslieferungen sind von Ägypten aus in den Gazastreifen gebracht worden. Augenzeugen berichteten, dass Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern bei Rafah die Granze überquerten. Auch der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News berichtete am Freitagmorgen von ersten Hilfslieferungen.

Die israelische Armee teilte mit, es seien vier Tanklaster mit Treibstoff und vier Laster mit Gas an UN-Hilfsorganisationen im Süden des Gazastreifens übergeben worden. Dies sei von der israelischen Regierung als Teil der Feuerpause genehmigt worden. "Der Treibstoff und das Kochgas sind für den Einsatz der grundlegenden humanitären Infrastruktur im Gazastreifen bestimmt", heißt es von israelischer Seite.

Ägypten kündigte an, täglich 130.000 Liter Diesel und vier Lkw-Ladungen mit Gasflaschen in den Gazastreifen zu liefern, sollte die Waffenruhe halten. Täglich könnten rund 200 Lkw humanitäre Hilfe über Rafah in das Palästinenser-Gebiet bringen, hieß es.

Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA will die Kampfpause nutzen, um dringend benötigte Hilfsgüter für die notleidende Zivilbevölkerung zu verteilen. Essen, Wasser und Arzneimittel sind sehr knapp, ärztliche Behandlungen kaum oder überhaupt nicht möglich. Nach UN-Angaben wurden 1,7 Millionen Menschen durch Kämpfe vertrieben.

Nach Angaben des palästinensischen Rettungsdienstes Roter Halbmond sind zehn Krankenwagen unterwegs, um Patienten aus der Stadt Gaza zu evakuieren. Der Einsatz sei mit den Vereinten Nationen abgestimmt, teilte die Organisation am Freitag auf der Plattform X mit.

Kämpfe bis zuletzt - am Morgen noch Raketenalarm

Die Kämpfe dauerten bis zuletzt an. Die israelische Armee hatte vor der Waffenruhe ihre Angriffe im Gazastreifen noch intensiviert und wird ihre Soldaten auch während der Kampfpause dort stationiert lassen.

Anders als in den vergangenen Wochen waren aber am Freitag in der Nähe des nördlichen Gazastreifens keine Einsätze der israelischen Luftwaffe zu hören und auch keine Anzeichen palästinensischer Raketenangriffe auf Israel zu sehen. Auch der libanesische TV-Sender Al-Mayadeen berichtete, dass seit Beginn der Waffenruhe kein Beschuss im Gazastreifen zu hören war. In zwei israelischen Dörfern nahe des südlichen Gazastreifens ertönten am Morgen nach Beginn der Waffenruhe allerdings Luftalarmsirenen. Ein israelischer Regierungssprecher erklärte, die Hamas habe eine Rakete abgefeuert.

Die israelische Armee hat am Freitag nach eigenen Angaben einen unterirdischen Tunnelkomplex im Bereich des Schifa-Krankenhauses in der Stadt Gaza zerstört. Nach Darstellung der Armee hatte die islamistische Hamas den Tunnelkomplex für Terrorzwecke missbraucht.

Tausende Tote seit Kriegsbeginn

Der Krieg zwischen Israel und Hamas dauert nun bereits seit fast sieben Wochen an. Am 7. Oktober waren hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas nach Israel eingedrungen und hatten dort Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Nach Angaben der israelischen Regierung wurden etwa 1.200 Menschen getötet, rund 240 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Als Reaktion darauf begann Israel damit, Ziele im Gazastreifen aus der Luft und vom Boden aus massiv anzugreifen. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem mehr als 14.500 Menschen im Gazastreifen getötet, darunter mehr als 5.800 Kinder. Bei vergangenen Konflikten bestätigten sich die von Palästinensern genannten Opferzahlen im Nachhinein.

Israelische Armee: "Krieg ist noch nicht vorbei"

Nach dem vorläufigen Ende der intensiven Kämpfe soll es nach Angaben des israelischen Militärs aber auch weiterhin viele Einsätze im Gazastreifen geben, bis von dort aus keine militärische Bedrohung mehr ausgehe. Ein israelischer Armeesprecher schrieb auf X, vormals Twitter, kurz vor Beginn der Feuerpause auf Arabisch: "Der Krieg ist noch nicht vorbei." Der nördliche Gazastreifen sei weiterhin eine "gefährliche Kriegszone" und es sei verboten, sich dort hin und her zu bewegen.

Katar sowie Ägypten hatten in Absprache mit den USA in den vergangenen Wochen zwischen Israel und der Hamas vermittelt. Vor allem Katar hat sehr gute Kontakte zur Hamas, in dem Emirat am Golf lebt auch die Hamas-Führungsspitze.

Der militärische Arm der Hamas hatte am Morgen den Beginn der Feuerpause bestätigt, auch deren Dauer von zunächst vier Tagen. Während der Waffenruhe würden alle Seiten ihre militärischen Aktivitäten einstellen, kündigte ein Sprecher der Kassam-Brigaden an, die den bewaffneten Arm der Islamistenorganisation Hamas bilden.

Mit Informationen von dpa, Reuters und AFP

Zum Video: Waffenruhe zwischen Israel und Hamas

Waffenruhe zwischen Israel und Hamas
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Waffenruhe zwischen Israel und Hamas

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