Rund 280 Einsatzkräfte haben in acht Bundesländern Adressen von 20 Personen durchsucht, die der Reichsbürgerszene zugeordnet werden. Unter Leitung der Generalstaatsanwaltschaft München waren bei den Razzien Polizisten in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hamburg und Niedersachsen im Einsatz. In Bayern wurden zwei Wohnungen in Kempten und Rosenheim durchsucht.
Vorwurf lautet auf Bildung einer kriminellen Vereinigung
Den 20 Beschuldigten wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Ermittler hätten unter anderem zahlreiche Computer, Smartpones, Datenträger und eine Schreckschusswaffe beschlagnahmt. Auch Reizstoffgeräte seien sichergestellt worden, teilten das bayerische Innen- und Justizministerium in einer gemeinsamen Mitteilung mit. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, "Reichsbürger" könnten nicht nur "skurrile Spinner" sein, sondern auch gefährliche Straftäter. Die Beschuldigten seien zwischen 25 und 74 Jahre alt.
Gruppe seit Anfang 2021 im Fokus der Ermittler
Wie das Polizeipräsidium Oberbayern Nord und die Generalstaatsanwaltschaft München berichten, soll die Gruppe seit Anfang 2021 besonders auf dem Messenger-Dienst Telegram für Reichsbürger typische Thesen und Verschwörungstheorien verbreitet und zudem die Kommunikationswege von Behörden durch massenhafte Emails und Anrufe blockiert haben. Dabei hätten die Mitglieder "im großen Stil bundesweit staatliche Einrichtungen beleidigt und teilweise massiv bedroht".
Behördenmitarbeiter seien mit Reichsbürgerthesen konfrontiert, der Begehung von Menschenrechts- und Kriegsverbrechen bezichtigt, beleidigt und teilweise mit dem Tod bedroht worden. Dieses Vorgehen gegen staatliche Einrichtungen sei von einem Rädeslführer über Telegram organisiert worden. Außerhalb der sozialen Netzwerke sollen die Verdächtigen nicht aktiv geworden sein. "Zu konkreten Übergriffen ist es laut den Erkenntnissen unserer Ermittler bislang nicht gekommen", hieß es.
Mutmaßlicher Rädelsführer aus Oberbayern
Der mutmaßliche Rädelsführer der "Reichsbürger"-Gruppe, die nun im Fokus der Razzia stand, kommt aus Oberbayern. Der 58-Jährige aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck wurde laut Generalstaatsanwaltschaft München bereits im November 2021 festgenommen. Er soll als Betreiber der Kanäle die massenhafte Kontaktaufnahme mit Behörden durch Telefon und E-Mail organisiert haben, um diese zu Entscheidungen im Sinn der Mitglieder der Vereinigung zu zwingen.
Im April 2022 wurde der Mann unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung und Nötigung vor dem Landgericht München I angeklagt. Das Verfahren ist nach Angaben der Ermittler noch nicht abgeschlossen, er war von der jetzigen Razzia nicht betroffen.
Bereits im Oktober Razzia mit Festnahmen
Erst im Oktober hatten Einsatzkräfte in mehreren Bundesländern zahlreiche Wohnungen sogenannter Reichsbürger durchsucht, die dem Umfeld der mutmaßlichen Terrorgruppe "Vereinte Patrioten" zugerechnet wurden. Dabei wurden insgesamt fünf Verdächtige festgenommen.
"Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 2022 deutschlandweit etwa 23.000 Menschen zu, 2.000 mehr als im Vorjahr.
Allein in Bayern umfasst die Reichsbürgerszene dem bayerischen Innenministerium zufolge mit Stand 30. September 5.549 Menschen. Das sind demnach 189 mehr als Ende 2022. Die bayerischen Behörden stufen 450 von ihnen als gewaltorientiert ein.
Mit Informationen von dpa und AFP
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