Namhafte ehemalige Politiker, darunter der frühere Bundespräsident Horst Köhler (CDU) und die frühere Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), haben die Bundesregierung in einem Schreiben davor gewarnt, die Entwicklungshilfe zugunsten von höheren Militärausgaben zu vernachlässigen. "Sicherheit in Deutschland und der Welt beruht neben Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit genauso auf Investitionen in die globale Entwicklung", heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Appell. Der Spiegel hatte zuerst darüber berichtet (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt).
Auch die beiden ehemaligen Entwicklungsminister Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) und Gerd Müller (CSU), sowie Christoph Heusgen, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, unterzeichneten den Appell.
Hunger und Armut spielen Extremisten in die Hände
Initiiert hat den Aufruf Stephan Exo-Kreischer, der Europachef der Entwicklungsorganisation ONE. Im Gespräch mit BR24 benennt er einen Teufelskreis: Auf der einen Seite verschärften Kriege wie in der Ukraine Hunger und Armut. Auf der anderen Seite bedrohe diese Not "weltweit die globale Sicherheit und die globale Stabilität". Wenn Menschen keine Perspektiven hätten und nicht wüssten, wie sie die Nahrungsmittel für sich und für ihre Kinder auf den Tisch bekommen sollen, "dann haben Extremisten leichtes Spiel, Menschen für ihre Sache zu gewinnen".
Sicherheit und Entwicklung "zwei Seiten der gleichen Münze"
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz geht es vor allem um die Aufstockung der Verteidigungsetats. Die Unterzeichner des Appells warnen nun davor, dabei die Entwicklungshilfe zu vergessen. Sie fordern, die Ausgaben für Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung zu fixieren. Sicherheitspolitik und Entwicklungspolitik seien "zwei Seiten der gleichen Münze", sagt Exo-Kreischer. Er habe sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit vielen Militärs dazu ausgetauscht, die auch sagten: "Wir müssen in die Vorbeugung von Hungerkatastrophen investieren." Vorbeugung durch Entwicklungshilfe sei effektiver und auch kostengünstiger "als wenn man die Marines reinschicken muss, wenn es geknallt hat".
Video: Interview mit Stephan Exo-Kreischer
Im Haushalt für 2024 hat die Ampelregierung die Entwicklungshilfe um rund zwei Milliarden Euro zusammengestrichen. Davon entfallen laut Spiegel 940 Millionen Euro auf den Etat des Entwicklungsministeriums, 770 Millionen Euro auf den Etat des Auswärtigen Amts und 200 Millionen Euro auf den Etat des Wirtschaftsministeriums. Eigentlich sei im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und für die Verteidigung eins zu eins steigen sollten, sagt Exo-Kreischer. "Leider scheint die Bundesregierung in den letzten drei Jahren diese Erkenntnis vergessen zu haben."
ONE-Chef warnt vor geopolitischem Eigentor
Iran, Russland, China – die Feinde des Westens versuchen, insbesondere in Afrika Verbündete zu gewinnen. Deshalb seien die aktuellen Kürzungen der Entwicklungszusammenarbeit ein Eigentor, warnt der Europachef von ONE. Gerade der afrikanische Kontinent sei von immenser Wichtigkeit für die globale Sicherheit. "Wenn wir jetzt am Grundpfeiler einer ernst gemeinten, partnerschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit sägen, dann werden sich afrikanische Staaten nach anderen Partnern umschauen." Und diese säßen dann in Moskau und Peking, und nicht in Paris, London oder Berlin.
Im Video: Eindrücke von der Münchner Sicherheitskonferenz
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